futureTEX-Gesichter: Physics meets textile – von der Strickjacke zur Sicherheitsweste
Betz feines Gespür für die richtigen Chancen verhalf dem Unternehmen Strick Zella GmbH & Co. KG auch im klassischen B2C zum Erfolg. Mit dem eigenen Modelabel MAI Fashion werden handwerkliche Tradition aus Thüringen mit modern avantgardistischem Design verbunden. Das Damenlabel MIA MAI richtet sich an die stilsichere Frau ab 40 und hat vor allem bei Berliner Lehrerinnen, Journalistinnen und Ärztinnen einen festen Platz im Kleiderschrank erhalten. Das traditionelle Label LEONARD MAI besteht schon seit 1920 und richtet sich an den stilsicheren Herren. Neben vier eigenen Geschäften werden die sorgfältig konfektionierten Strickwaren in über 250 weiteren Läden in der DACH-Region verkauft.
Mit dem Siegel „Made in Thüringen“ wird bei Strick Zella ganz bewusst auf ökologisch nachhaltige Prozesse gesetzt, indem die Wege zwischen Produzenten und Konsumenten kurzgehalten werden und auf eine Herstellung im weit entfernten Ausland sowie auf die damit einhergehenden Reise- und Transportkosten bewusst verzichtet wird. Geliefert werden die hochwertigen Stoffmischungen aus Viskose, Merinowolle und Cashmere unter anderem auch an große Modedesigner wie Joop oder Guido Maria Kretschmer.
Neben seinem eigenen Modelabel hat sich der Physiker Betz aber seit Jahren auch Smart-Textiles mit beeindruckenden Zusatzfunktionen verschrieben, zum Beispiel unter den Namen KNITTY-Fi und SMOOLS. Hierbei stehen vor allem die Aspekte Robustheit, Waschbarkeit und intuitive Bedienung im Vordergrund:
Die smarte Wolle SMOOLS besteht aus einer Mischung aus Baumwolle oder Tencel mit Zellulose, in deren Zwischenräumen Kerzenwachs eingesponnen ist. Die Hauttemperatur des Trägers wird durch die entweder kühlende oder wärmende Funktion des Wachses auf 28 bis 30 °C reguliert und entlastet dadurch den Organismus und ermöglicht ein geringeres Schwitzen – eine textile Klimaanalage.
Mit KNITTY-Fi werden drahtlos arbeitende, gestrickte Taster in den Ärmel einer Jacke integriert, indem die Signale der Taster elektronisch verarbeitet und einem Empfänger gesendet werden. Die smarte Technologie unterstützt die Menschen mit motorischen Handicaps, wie beispielweise Senioren oder Behinderte, in ihrem Alltag. Nach der Konfiguration der einzelnen E-Pads lassen sich elektrische Türen oder Maschinen mittels Drucks auf die eingestrickten Aktoren der Jacke bedienen oder sogar ein Notruf von der Kleidung aus absenden.
Als Ansprechpartner für smarte Textilien und High-End-Strick ist Gottfried Betz seit Juli 2019 bei futureTEX im Vorhaben auXteX der Vorhabenkoordinator und Projektpartner bei TheraTEX.
Drei Fragen an Gottfried Betz, Geschäftsführer der Strick Zella GmbH & Co. KG
In welchem Vorhaben arbeiten Sie aktiv mit? Was sind Ihre Aufgaben?
Im futureTEX Vorhaben auXteX soll das Potential sog. auxetischer Metamaterialien auf textiler Basis in den Bereichen Bauwesen (Buildtech), Holzbau und Schutzbekleidung (Sporttech) bis hin zu konkreten Demonstratoren ausgelotet werden. Unter auxetischen Materialien versteht man Strukturen, die sich ungewöhnlicherweise bei Zugbelastung ausdehnen (negative Poisson-Zahl). Dieser Effekt kann bei Krafteinwirkung zu einer Strukturkompaktierung führen, was z.B. in schusssicheren Westen ausgenutzt werden kann. Da auxetische Materialien sich bei einer vertikalen Streckung automatisch auch horizontal ausdehnen, können sie z.B. in Form von Seilen und Schnüren auch zur Verankerung eingesetzt werden. Das macht sie zu idealen Verstärkungsmaterialien im Bereich des Leichtbaus und zum Garanten für Sicherheit und Effizienz.
Resonanzschwingungen von Bauwerken und Verarbeitungsmaschinen können erhebliche Schäden verursachen und sogar bis zum Versagen von beispielsweise Brücken oder Windrädern führen. Durch die Kombination von auxetischen Strukturen und Formgedächtnislegierungen (FGL) sollen intelligente textile Verbundbauteile genau solche Schäden verhindern.
Im Umsetzungsvorhaben auXteX entwickelt das Team dieses neue Konstruktionsprinzip bis zum Dezember 2021. Als Vorhabenkoordinator arbeite ich gemeinsam mit unseren acht Partnern aus den Bereichen Textil, Betonbau, Holztechnologie sowie Modellbildung bezüglich Monitorings und Aktorik zusammen. Zudem übernimmt Strick Zella in Zusammenarbeit mit der Stickerei Embro GmbH die Aufgabe der Entwicklung, Optimierung und Herstellung von auxetischen Strick-Bindungsstrukturen mit der FGL-Integration insbesondere die Entwicklung von Protektoren und persönlicher Schutzausrüstung (PSA).
Im futureTEX Vorhaben TheraTEX wird ein textiles System in Form eines leicht nutzbaren Anzuges entwickelt. In das Textil sind sensorische und aktorische Funktionen integriert, die die Therapie von Patienten mit Hemiparese (Halbseitenlähmung) unterstützen werden. Strick Zella befasst sich in diesem Vorhaben mit dem Aspekt der textilen Integration.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Arbeit im Projekt futureTEX?
Ziel des Vorhabens auXteX ist es, neuartige Bauweisen zu entwickeln, die verbesserte mechanische Eigenschaftsprofile aufweisen. Im Zuge der wachsenden globalen Mobilität, der Rohstoffnachfrage und der erhöhten ökologischen Anforderungen nimmt der Leichtbau eine Schlüsselfunktion ein. Darüber hinaus sollen dann die neuartigen TechTex-Strukturen in den Bereichen Buildtech (Textilien für Hochbau), Indutech (Textilien für Industrie und Elektrotechnik) und Sporttech (Textilien für Sportausrüstung und -bekleidung) auf den Markt gebracht werden.
Das Ziel im Vorhaben TheraTEX ist die Entwicklung eines Therapieansatzes. Kombiniert wird eine innovative Sensorik, die die Körperhaltung des Nutzers erfasst, mit einer Software, die anschließend gezielt die Bewegungen des Patienten unterstützt und korrigiert.
Welchen Mehrwert möchte Ihr Unternehmen aus der Arbeit in futureTEX ziehen?
Die Kooperation mit Forschungsinstituten und anderen industriellen Partnern ermöglicht uns eine Innovationshöhe, die wir allein nie erreichen könnten. Unterstützt wird dies zusätzlich durch die Etablierung einer Open-Source Plattform, über welche Produktergebnisse ausgetauscht werden, von denen wiederum eine breite industrielle Zielgruppe profitieren kann. Dies wiederum schafft die Grundlage für Wettwerbsvorteile, die sich dann auch patentrechtlich schützen lassen.
Als kleines Unternehmen sind wir natürlich an innovativen Entwicklungen interessiert, die sich in unseren Kompetenzfeldern und Marktsegmenten schnell und ertragreich umsetzen lassen. Für uns sind das generell Produkte, die sich auf Flachstrick-Maschinen vorteilhaft herstellen lassen und im Speziellen Protektoren im Bereich PSA.
Zunächst ist die Auxetik für uns ein völlig neues Gebiet. In der Zusammenarbeit mit Instituten und industriellen Partnern werden wir außerdem in die Lage versetzt, unsere Flachstrick-Technologie mit anderen Technologien wie dem Stick, der Laserbearbeitung und den Verbundwerkstoffen zu verbinden, um damit Innovationen zu generieren, die wir im eigenen Hause nicht hätten angehen können.
Das Projekt futureTEX ist ein Gewinner im Programm „Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Bis 2021 arbeiten wissenschaftliche Einrichtungen, Unternehmen und Verbände an der Entwicklung wesentlicher Bausteine eines Zukunftsmodells für Traditionsbranchen. Das Projektkonsortium futureTEX verfolgt das Ziel, die führende Position bei der Umsetzung der vierten industriellen Revolution im Textilmaschinenbau und in der Textilindustrie zu erringen und damit beispielhaft bis 2030 das modernste textilindustrielle Wertschöpfungsnetzwerk Europas aufzubauen. Mit der Entwicklung eines Zukunftsmodells werden die Forschungsschwerpunkte Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft, kundenintegrierte flexible Wertschöpfungsketten, textile Zukunftsprodukte, Wissens- und Innovationsmanagement sowie Arbeitsorganisation und Nachwuchssicherung gemeinschaftlich mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft bearbeitet. Das Konsortium umfasst aktuell über 300 involvierte Partner, darunter 70 Prozent aus der Industrie. Das Projekt futureTEX ist Preisträger im Wettbewerb „Ausgezeichneter Ort“ im Land der Ideen 2016. | Herausgeber: Sächsisches Textilforschungsinstitut e.V. (STFI)
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