Patientenversorgung und Innovationskraft schützen, MDR mit Augenmaß umsetzen
Es fehlt an Kapazität und Infrastruktur
Kurz vor Geltungsbeginn der MDR – Stichtag ist der 26. Mai 2020 – besteht auf EU-Ebene immer noch nicht die für die Zulassung erforderliche Infrastruktur. Insbesondere hat die EU-Kommission bekannt gegeben, dass das europäische Datenbanksystem Eudamed insgesamt nicht vor Mai 2022 funktionsfähig sein wird. Auf die lückenhafte Umsetzung der MDR seitens der EU reagiert der nationale Gesetzgeber mit zahlreichen Übergangsregelungen. „Die damit einhergehende Gefahr von Versorgungsengpässen hat der Gesetzgeber offenbar erkannt und nimmt sie ernst“, so Hagemeier, „denn der Gesetzentwurf ermächtigt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), unter bestimmten Voraussetzungen das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Produkten in Deutschland gesondert zuzulassen. Die Übergangsregelungen und Übergangsfristen müssen praktikabel gestaltet werden, können aber auch dann die grundsätzliche Problematik der Kapazitätsengpässe nicht lösen.“ Denn zum einen fehlt es an Benannten Stellen, zum anderen ist die Risikobewertung und Kontrolle von Medizinprodukten von den bisher zuständigen Behörden der Länder auf Bundeebene gehoben worden. Was politisch als Signal hoher Relevanz der Patientensicherheit intendiert – und zu begrüßen – ist, steht allerdings vor hohen praktischen Hürden: Eine Abteilung des BfArM soll künftig schaffen, was zuvor zahlreiche Landesbehörden erledigten.
Anforderungen an klinische Prüfungen sind unverhältnismäßig hoch
Einen enormen bürokratischen Aufwand stellen die Regelungen zu wissenschaftlichen/akademischen klinischen Prüfungen dar. Begrüßenswert ist die Absicht, die Probandensicherheit zu erhöhen. Allerdings sind die Anforderungen an die Prüfungsart enorm gestiegen. So soll nunmehr an Stelle der bisher für alle Arten der akademischen Forschung ausreichenden berufsrechtlich gebotenen ethischen Beratung künftig ein geregeltes Verwaltungsverfahren für akademische Studien bei der Ethikkommission und eine Anzeigepflicht bei der zuständigen Bundesbehörde treten. „Auch mit Blick auf die einzureichenden Antragsunterlagen sehen wir hier überzogene nationale Anforderungen an klinische Prüfungen, die nicht klar und nachvollziehbar durch einen verbesserten Probandenschutz gerechtfertigt sind, sondern vielmehr die Innovationsfähigkeit der mittelständischen Medizintechnik und den Forschungsstandort Deutschland hemmen. In der Konsequenz ist absehbar, dass weniger Wissenschaftler bereit sein werden, zukünftig wichtige Forschung im Bereich der Medizintechnik durchzuführen. Die Regelungen sollten daher unter dem Aspekt, die akademisch motivierte Forschung in Deutschland nicht unangemessen zu behindern, nochmals kritisch auf ihre praktischen Auswirkungen hin überprüft werden“, empfiehlt die eurocom-Geschäftsführerin.
Innovationen müssen schneller zum Patienten kommen: Beratungsgespräch einführen
Auch im Kontext der erschwerten Rahmenbedingungen für klinische Prüfungen, die sich aus dem Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz ergeben, muss der Aufnahmeprozess von neuen Produkten in das Hilfsmittelverzeichnis – und damit ihr Weg zum Patienten – beschleunigt werden. Zum Hintergrund: Die Listung neuartiger Produkte dauert zum Teil mehrere Jahre und widerspricht damit dem Ziel eines innovationsoffenen Gesundheitswesens und den in der Verfahrensordnung gesetzten Fristen. Eine wesentliche Ursache ist das Fehlen verbindlicher und eindeutiger Vorgaben zur Nachweisführung des medizinischen Nutzens. „Die vom GKV-Spitzenverband veröffentlichten Anforderungen sind zu unspezifisch, um als verlässliche Planungsgrundlage dienen zu können“, bemängelt Hagemeier. „Daher schlagen wir vor, analog zum Bewertungsverfahren von neuen Arzneimitteln beim G-BA oder dem Antragsverfahren digitaler Gesundheitsanwendungen beim BfArM auch den Herstellern von Medizinprodukten ein Beratungsgespräch zur Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis zu ermöglichen und damit einen Rahmen zu schaffen, der die Nachweisführung konkretisiert und auf ihre Umsetzbarkeit hin prüft. Davon profitieren sowohl der GKV-Spitzenverband als auch die Hersteller. Für beide Seiten könnte damit der Prozess transparent, planbar und verbindlich umgesetzt werden.“
eurocom ist die Herstellervereinigung für Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel. Der Verband versteht sich als Gestalter und Dialogpartner auf dem Gesundheitsmarkt und setzt sich dafür ein, das Wissen um den medizinischen Nutzen, die Wirksamkeit und die Kosteneffizienz von Kompressionstherapie und orthopädischen Hilfsmitteln zu verbreiten. Zudem entwickelt eurocom Konzepte, wie sich die Hilfsmittelversorgung aktuell und in Zukunft sicherstellen lässt. Dem Verband gehören nahezu alle im deutschen Markt operierenden europäischen Unternehmen aus den Bereichen Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel an.
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