Gesundheit & Medizin

Biomarker-Tests zur Entscheidung über Chemotherapie bei Brustkrebs: Keine Indizien für Übertragbarkeit

Nach einer Nutzenbewertung im Jahr 2016 und einem Addendum im Jahr 2018 hat sich das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) erneut mit biomarkerbasierten Tests für Frauen mit primärem Brustkrebs befasst. Die Tests sollen Patientinnen identifizieren, die auf eine adjuvante Chemotherapie verzichten können, weil sie ein niedriges Rezidivrisiko haben, also nicht damit rechnen müssen, dass der Krebs nach einer erfolgreichen Erstbehandlung zurückkehrt.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat 2019 den Einsatz des Tests Oncotype DX für bestimmte Frauen ohne Lymphknotenbefall in die Regelversorgung aufgenommen. Nun hat er das Institut mit einer Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen Wissensstandes zu einer biomarkerbasierten Strategie zur Entscheidung über eine adjuvante systemische Chemotherapie beim primären Mammakarzinom beauftragt. Ergäbe sich daraus eine Übertragbarkeit der Nutzenaussage zum Test Oncotype DX auf andere Tests, so könnten diese ebenfalls in die Regelversorgung aufgenommen werden.

Das IQWiG hat keine weiteren für diese Fragestellung relevanten randomisierten kontrollierten Studie (RCT) gefunden, wohl aber einige Prognose- und Konkordanzstudien. Auf deren Basis hält das Institut eine Übertragung der Nutzenaussage auf andere Tests nicht für tragfähig – vor allem deshalb nicht, weil die Tests unterschiedliche Patientinnen der Gruppe „niedriges Rezidivrisiko“ zuordnen.

Keine Indizien für Konkordanz

Es gibt mehrere Tests, die auf der Basis von Biomarkern (etwa den Expressionsprofilen verschiedener Gene) bestimmten Brustkrebspatientinnen die Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie erleichtern sollen. Allerdings gibt es bislang nur für den Oncotype DX eine RCT, aus der sich ein Anhaltspunkt für einen Nutzen ableiten ließ. Das ließe sich auf die anderen Tests übertragen, wenn sie zum Oncotype DX konkordant wären, also in etwa denselben Frauen ein niedriges, mittleres oder hohes Rezidivrisiko zuordnen würden.

Diese Konkordanz der Risikoklassifizierungen wurde in sieben Studien untersucht. Allerdings wurden in keiner der Studien dieselben Oncotype-DX-Grenzwerte angesetzt wie in der RCT, was eine Beurteilung der Übertragbarkeit der Nutzenaussage erschwert. Auch wurde nicht zwischen über und unter 50-jährigen bzw. post- und prämenopausalen Patientinnen unterschieden, was für diese Prüfung ebenfalls sinnvoll gewesen wäre.

Die Testergebnisse stimmten nur zu 43 bis 74 Prozent überein, schwanken also stark in der Risikoeinschätzung für die getesteten Frauen. „Die Tests ordnen den Risikogruppen also jeweils unterschiedliche Patientinnen zu“, resümiert Institutsleiter Jürgen Windeler. „Das kann nur heißen, dass sie etliche Frauen übersehen, die auf eine Chemotherapie verzichten könnten, ohne dass sich ihr Rezidivrisiko relevant erhöht – und dafür etlichen anderen Frauen einen Verzicht nahelegen, obwohl keineswegs auszuschließen ist, dass der Krebs wiederkommt.“

Prognosen vergleichbar, Aussagekraft beschränkt

Das IQWiG hat auch zwölf prospektiv geplante Kohortenstudien mit mindestens fünf Jahren Beobachtungsdauer betrachtet. Bei sieben dieser Studien ist allerdings nicht sichergestellt, dass das Fehlen von Tumorproben zufallsbedingt ist. Die Möglichkeit einer systematischen, also krankheitsabhängigen Selektion verringert die Ergebnissicherheit dieser Studien.

Die Mortalität der Niedrigrisikogruppen nach Verzicht auf Chemotherapie wurde in vier Studien untersucht. Sie war für Frauen ohne Lymphknotenbefall nach dem Oncotype DX (maximal 7 bis 14 Prozent) und nach drei anderen Tests (11 bis 13 Prozent) ähnlich. Auch das in zehn Studien untersuchte Risiko für eine Metastase (Fernrezidivrisiko) nach Verzicht auf Chemotherapie war mit 5 bis 10 Prozent (Oncotype DX) respektive 6 bis 10 Prozent (fünf andere Tests) vergleichbar.

Allerdings unterscheiden sich die Anteile der in die Niedrigrisikogruppen eingeordneten Patientinnen ohne Lymphknotenbefall in diesen Prognosestudien eklatant. „Das Spektrum reicht von 20 bis 86 Prozent der Frauen“, so Daniel Fleer, der im Ressort Nichtmedikamentöse Verfahren für den Rapid Report zuständig war. „Zusammen mit der teils geringen Ergebnissicherheit dieser Studien stellt auch das die Übertragung einer Nutzenaussage von einem dieser Tests auf die anderen infrage.“

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Der G‑BA hatte das IQWiG beauftragt, den Bericht in einem beschleunigten Verfahren als sogenannten Rapid Report zu erarbeiten. Zwischenprodukte werden daher nicht veröffentlicht und nicht zur Anhörung gestellt. Der vorliegende Rapid Report wurde am 18. Februar 2020 an den Auftraggeber geschickt.

Über Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Das IQWiG ist ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen für Patienten untersucht. Wir informieren laufend darüber, welche Vor- und Nachteile verschiedene Therapien und Diagnoseverfahren haben können

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