Mythos Bildung und Mythos Integration – Paradoxien der Teilhabe
Die Tisch-Metapher und „Das Integrationsparadox“
Um die offene Gesellschaft zu beschreiben, nutzt El-Mafaalani die Metapher eines Tisches. Es gibt ein Rezept für den Kuchen, den es zu verteilen gilt und Regeln dafür, wie er verteilt wird. An eben diesem Tisch saßen noch vor 70 Jahren ausschließlich weiße, ältere Männer. Dann haben Schritt für Schritt Frauen, Menschen mit Behinderung, Menschen, die offen homosexuell sind und Menschen, die aus anderen Ländern zugewandert sind, Platz genommen. Sie haben angefangen Fragen zu stellen: Ist das Kuchenrezept richtig? Wird der Kuchen richtig verteilt? Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist anstrengend und verläuft alles andere als konfliktfrei. Entsprechend verführerisch kann der Blick in die Vergangenheit sein: die Stimmung am Tisch war harmonischer, der gesellschaftliche Zusammenhalt war stärker. Laut El-Mafaalani trügt diese Einschätzung aber, da der gesellschaftliche Zusammenhalt auf Zwängen beruhte, die andere Menschen vom Tisch fernhielten. Aus diesem Grund ist der Prozess der Öffnung der Gesellschaft auch immer mit Konflikten belegt – denn umso mehr Menschen am Tisch Platz nehmen, umso verschiedener sind die Meinungen. Die Metapher des Tisches und die Herausforderung für die offene Gesellschaft beschreibt El-Mafaalani in seinem 2018 erschienenen Bestseller „Das Integrationsparadox“.
Gegenwartsanalyse – „Mythos Bildung“
In der Neuerscheinung „Mythos Bildung“ führt El-Mafaalani die Gegenwartsanalyse weiter: Das Leben ist für die Menschen, die nach wie vor nicht mit am Tisch sitzen, härter geworden. Wo es früher Solidarität gab, werden Arbeitslose und Menschen ohne formelle Qualifikationen heutzutage als selbst verantwortlich für ihre Situation gesehen. Seit der Agenda 2010 wird persönliches Scheitern individuell zugeschrieben, was zu Resignation führt. Unter diesen Bedingungen wachsen in Deutschland viele Kinder auf. Das stellt die Gesellschaft vor neue Herausforderungen, denn obwohl wir heute so wenig wie nie zuvor wissen, wie die Zukunft aussehen wird, müssen wir unsere Kinder auf sie vorbereiten. In seinem neuen Buch „Mythos Bildung“ plädiert El-Mafaalani daher für multi-professionelle Teams an Schulen, die sich neben dem regulären Unterricht auf andere Themen wie Gesundheit, Hausaufgabenbetreuung und das Aufdecken von Talenten fokussieren können. Damit setzt er auf Veränderungen der Rahmenbedingungen.
Fazit: nur Auseinandersetzung und Diskussion schafft Fortschritt
Der Autor zeichnet in seinen Büchern durch seine Gegenwartsanalyse ein zukunftsweisendes Bild. Für ihn ist der Streit nicht per se negativ, sondern ein Zeichen für gesellschaftlichen Fortschritt, bei dem mehr und mehr Menschen an der gemeinsamen Gestaltung der Zukunft teilhaben. Nicht zuletzt wurden alle wegweisenden Errungenschaften in Europa erstritten. Im Zentrum der Auseinandersetzung muss dabei die Zukunft stehen, die es gemeinsam zu gestalten gilt. So kann den Herausforderungen durch den Klimawandel und die Digitalisierung begegnet werden. Alles müsse auf den Prüfstand – außer dem Grundgesetz.
HINTERGRUND
Die Veranstaltung war eine Kooperationsveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Flüchtlingsarbeit Heilbronn, der Agentur für Arbeit Heilbronn, der Caritas Heilbronn-Hohenlohe, des Diakonie Kreisverbands Heilbronn, des Jobcenters Landkreis Heilbronn, des Jobcenters Stadt Heilbronn, der Stabsstelle Partizipation und Integration der Stadt Heilbronn, der Stadtbibliothek Heilbronn, der Katholischen Erwachsenenbildung Stadt- und Landkreis Heilbronn e.V., des Landkreises Heilbronn mit dem Sachgebiet Integration, der Volkshochschule Heilbronn und des Welcome Centers Heilbronn-Franken.
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