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Brücken über Gräben der Vergangenheit bauen

Der 4.März 1919 ist ein markantes Datum in der Geschichte der Sudetendeutschen. An diesem Tag demonstrierten in den Städten des Sudetenlandes die Sudetendeutschen für ihr Selbstbestimmungsrecht. Mit militärischer Gewalt der tschechischen Armee, fanden die friedlichen Demonstrationen ein Ende und forderten 54 Todesopfer und zahlreiche Verletzte unter der deutschen Bevölkerung.

Zum 101. Jahrestag dieses historischen Ereignisses, gedachten die Sudetendeutschen in einer Feierstunde im Haus der Heimat in Stuttgart der Opfer und erinnerten auch an das Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Unter den zahlreichen Besuchern, die der Einladung zur Feierstunde zum Gedenken an den „4.März 1919“ gefolgt waren, konnte der Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft Baden- Württemberg, Bürgermeister Klaus Hoffmann, auch wieder eine große Anzahl von Ehrengästen begrüßen. So hatten sich der CDU-Landtagsabgeordnete Konrad Epple, Ministerialdirigent a.D. Herbert Hellstern, der Oberbürgermeister der Stadt Backnang, Dr. Frank Nopper, die Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen Baden-Württemberg, Stadträtin Iris Ripsam, die Bundesfrauenreferentin der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Gerda Ott, die Landesfrauenreferentin der Sudetendeutschen Landsmannschaft Baden-Württemberg, Ilse von Freyburg, der Sprecher der Südmährer, Franz Longin, die sudetendeutschen Musiker Professor Armin Rosin und Herbert Preisenhammer sowie die Mitglieder der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Regine Löffler-Klemsche, Bruno Klemsche und Waltraud Illner trotz des sich ausbreitenden Coronavirus auf den Weg gemacht, um an der Feierstunde in Stuttgart teilzunehmen.

Ein besonderer Gruß galt jedoch dem ehemaligen Innenminister von Baden Württemberg, Reinhold Gall, der in diesem Jahr die Gedenkrede hielt. Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde von Michael Essl, der im Jahr 2019 mit dem Förderpreis für Musik der Sudetendeutschen Landsmannschaft ausgezeichnet wurde.

Nach den Eingangsworten von Landesobmann, Bürgermeister Klaus Hoffmann, in denen er einen Abriss der geschichtlichen Ereignisse zum 4.März 1919 bot und dabei zum Ausdruck brachte, dass man, trotz mancher Rückschritte, nicht nachlassen dürfe, um in Gesprächen miteinander die Sudetendeutsche Frage eines Tages zu klären, machte Gedenkredner Reinhold Gall in seiner Ansprache im Zusammenhang mit den Ereignissen des 4.März 1919 deutlich, dass der Einsatz für das Selbstbestimmungsrecht der Völker eine immerwährende Aufgabe der Menschheit bleiben wird.

Reinhold Gall, der sich auch nach seiner Zeit als Innenminister stets mit den Heimatvertriebenen und Brauchtumsverbänden verbunden fühlte und dem es immer ein Anliegen bleibt, mit den Menschen auch in den Herkunftsländern ins Gespräch zu kommen, ist es auch heute noch wichtig, mit seiner politischen Arbeit einen Beitrag dazu zu leisten, Brücken über Gräben der Vergangenheit zu bauen. Am Beispiel der Gemeinde Obersulm, die eine Partnerschaft mit der ungarischen Gemeinde Hercegkút pflegt, verdeutlichte der SPD-Landtagsabgeordnete den Brückenbau zwischen den Volksgruppen, wo aus einer Partnerschaft sogar Freundschaft wurde, die sich inzwischen zu einer Jugend-Freundschaft entwickelt habe. Gleichwohl sehe er auch Verbesserungen im deutsch-tschechischen Verhältnis, die nach seiner Meinung auch aufgrund des zunehmenden Interesses der jungen Generation in Tschechien an der Geschichte von Deutschen und Tschechen zu suchen sind.

Natürlich ging Reinhold Gall in seiner Gedenkrede auch auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker ein, für das die Sudetendeutschen am 4.März 1919 demonstriert hatten, vertrauend auf das 14-Punkte-Programm des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson vom Januar 1918, wo es unter Punkt 10 heißt, das „den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz unter den Nationen wir geschützt und gesichert zu sehen wünschen, die freieste Gelegenheit zu autonomer Entwicklung zugestanden werden soll“.

Der sozialdemokratische Politiker, der auch Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag ist, wies dabei auch auf die besondere Rolle des damaligen Vorsitzenden der „Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik“ (DSAP), Josef Seliger hin, der zu den friedlichen Demonstrationen für das Selbstbestimmungsrecht der Sudetendeutschen aufgerufen hatte. Josef Seliger, 1870 in Schönborn bei Reichenberg (Liberec) geboren und Abgeordneter des österreichischen Reichsrats, hatte sich als deutscher Abgeordneter der Provisorischen Nationalversammlung Deutschösterreichs stets um den Anschluss seiner sudetendeutschen Heimat an Deutschösterreich bemüht, verstarb aber bereits in jungen Jahren im Jahr 1920 im böhmischen Teplitz-Schönau (Teplice-Šanov).

„Am 4.März 1919 wurde das Selbstbestimmungsrecht mit Füßen getreten, in dem friedliche Demonstrationen blutig beendet wurden“, so der Gedenkredner weiter, der in diesem Zusammenhang an die Namen der 54 Opfer erinnerte, unter denen auch 16 Kinder zu beklagen waren. Doch sei das Selbstbestimmungsrecht der Völker ein inzwischen in der „Charta der Vereinten Nationen“ festgeschriebenes Grundrecht, weshalb es wichtig sei, dass man den Finger in dieser Wunde, den Ereignissen des 4.März 1919, bleiben lässt. Dabei heißt es jedoch nicht nur den Blick in die Vergangenheit zu richten, sondern sich vielmehr um einen ehrlichen Dialog zwischen Sudetendeutschen und Tschechen zu bemühen, der letztendlich auch eine Versöhnung in einem vereinten Europa möglich mache.

Reinhold Gall erinnerte in seiner Rede aber auch an die „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“, die am 5.August 1950 in Stuttgart unterzeichnet wurde und in diesem Jahr auf ihr 70-jähriges Jubiläum zurückschauen darf. „Dieses weitreichende und weitblickende Dokument hat an Aktualität nichts verloren“, so der SPD-Politiker, der in der Charta mit ihrer klaren Absage an Rache und Vergeltung und dem friedlichen Aufruf zum Wiederaufbau Deutschlands  und Europas in einem geeinten Europa, ein eindrucksvolles geschichtliches Werk sieht. Auch gelte es, wie es in der Charta heißt, „dass die Völker erkennen müssen, dass das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen wie aller Flüchtlinge, ein Weltproblem ist, dessen Lösung höchste sittliche Verantwortung und Verpflichtung zu gewaltiger Leistung fordert.“ So werde eine gute Zukunft nur Hand in Hand und nicht gegeneinander gelingen.

„Gedanken der Rache sollten nicht Macht über unsere Herzen gewinnen“, so der Festredner abschließend, der im Zusammenbringen von Menschen, dem Abbau von Vorurteilen und der Ausübung von Toleranz wichtige Aufgaben für die Zukunft sieht und dankte den Sudetendeutschen für ihre Arbeit und die mahnenden Worte in der Frage des Heimat- und Selbstbestimmungsrechts.

Helmut Heisig

SL- Stuttgart

Fototexte :

Foto 01:

Feierstunde der Landesgruppe Baden- Württemberg der Sudetendeutschen Landsmannschaft zum Jahrestag des „4.März 1919“ am 1.März 2020 im „Haus der Heimat“ in Stuttgart :

Gedenkredner, Innenminister a.D., Reinhold Gall MdL.

Foto 02 :

Feierstunde der Landesgruppe Baden- Württemberg der Sudetendeutschen Landsmannschaft zum Jahrestag des „4.März 1919“ am 1.März 2020 im „Haus der Heimat“ in Stuttgart :

  1. l. n. r: Bundesfrauenreferentin Gerda Ott, SL-Kreisobfrau Waltraud Illner, Ministerialdirigent a.D., Herbert Hellstern, Gedenkredner, Innenminister a.D., Reinhold Gall MdL, SL-Landesobmann, Bürgermeister Klaus Hoffmann, Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper, Konrad Epple MdL, die Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Stadträtin Iris Ripsam MdB a.D., BdV-Landesgeschäftsführer Hartmut Liebscher, BdV-Landeskulturwart Albert Reich, SL-Förderpreisträger für Musik, Michael Essl und Regionalrat a.D. Hans-Werner Carlhoff.

Fotos : Helmut Heisig

 

Über Sudetendeutsche Landsmannschaft Landesgruppe e. V

Sudetendeutsche Landsmannschaft Landesverband Baden-Württemberg e.V.

Wir vertreten die im Land Baden-Württemberg wohnenden Sudetendeutschen.

Die Nachfahren jener Deutschen, die vor mehr als 800 Jahren in den sogenannten "Böhmischen Ländern", nämlich in Böhmen, Mähren und dem südlichen Teil Schlesiens (diese Länder bilden heute die "Tschechische Republik") ansässig geworden sind, wurden in diesem Jahrhundert unter dem Sammelnamen "Sudetendeutsche" bekannt.

1945/46 wurden 3,2 Millionen von den insgesamt 3,5 Millionen Sudetendeutschen aus ihrer Heimat vertrieben, ihr Eigentum wurde entschädigungslos konfisziert. Konfiskation und Vertreibung waren begleitet von blutigen Exzessen. Grundlage dieser gegen Menschen- und Völkerrecht verstoßenden "ethnischen Säuberung" bildeten Dekrete, die vom damaligen tschechoslowakischen Staatspräsidenten Edvard Beneš erlassen worden waren und die heute noch gültig sind.

Rund 600 000 dieser vertriebenen Sudetendeutschen kamen nach Baden-Württemberg, wo sie sich eine neue Existenz aufbauten und in das wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle und politische Leben eingegliedert wurden. Sie fanden sich in zahlreichen Vereinigungen zusammen, deren Grundlage ganz verschiedenartig war: Herkunftsgebiete, politische oder kulturelle Interessen, Freizeitgestaltung, berufliche Gemeinsamkeiten und manches mehr.

Jeder 15. Einwohner Baden-Württembergs ist Sudetendeutscher. Heute gibt es in Europa und Übersee insgesamt rund 3,8 Millionen Sudetendeutsche. Rund 600 000 von ihnen kamen im Zuge der Vertreibung aus ihrer Heimat nach dem 2.Weltkrieg nach Baden-Württemberg. Gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung trugen sie in der Nachkriegszeit zum Wiederaufbau des Landes bei. Durch ihre Stimmabgabe bei der Volksabstimmung 1952 waren sie wesentlich am Zustandekommen des "Südweststaates" beteiligt. Die für Baden-Württemberg kennzeichnende Ausgewogenheit zwischen großen Weltfirmen, Mittel- und Kleinbetrieben hat die wirtschaftliche Eingliederung der Sudetendeutschen und die Gründung neuer Werke und Fabriken durch sudetendeutsche Unternehmer in besonderem Maße erleichtert. Stellvertretend dafür seien genannt die Autofirma Porsche in Stuttgart, die Wiesenthal-Glashütte in Schwäbisch Gmünd, die Aluminium-Hütte Grohmann in Bisingen,die Maschinenfabrik Panhans in Sigmaringen, die Papierwerke Zechel in Reilingen,das Pharmawerk Merckle in Blaubeuren, dazu zahlreiche weitere mittlere und kleinere Betriebe.

27 Städte und Gemeinden Baden-Württembergs übernahmen Patenschaften über sudetendeutsche Kreise, Gemeinden und Landschaften. Insgesamt 24 kulturelle sudetendeutsche Einrichtungen – wissenschaftliche Gesellschaften, Archive, Büchereien, Sammlungen, Heimatstuben – wurden durch eigene Kraft der Sudetendeutschen und mit Hilfe öffentlicher Stellen in Baden-Württemberg aufgebaut.

Aus dem kulturellen Leben des Landes sind manche Namen von Sudetendeutschen nicht mehr wegzudenken, wie z. B. der Bildhauer Prof. Otto H. Hajek, die Tänzerin Birgit Keil, die Komponisten Karl-Michael Komma und Widmar Hader, der weltbekannte Posaunist Armin Rosin, die Dirigenten Wolfgang G. Hofmann und Emmerich Smola, die Malerin Traude Teodorescu-Klein oder der Dichter und Schriftsteller Josef Mühlberger – um nur einige wenige stellvertretend zu nennen.

Das Sudetenland im Vergleich zur Fläche einzelner deutscher Bundesländer

Bayern 70550 km2
Baden-Württemberg 35750 km2
Sudetenland 26500 km2
Hessen 21100 km2
Schleswig-Holstein 15700 km2
Saarland 2600 km2

Die kulturelle Verflechtung der Sudetendeutschen mit den übrigen deutschen Ländern und Landschaften ist seit Jahrhunderten eng und vielgestaltig.

Beispiele sind: Der schwäbische Baumeister Peter Parler aus Schwäbisch Gmünd, der im 14. Jahrhundert u. a. den Veitsdom in Prag erbaute, oder der aus dem Egerland kommende Barockbaumeister Balthasar Neumann, der nicht nur die Würzburger Residenz, sondern z. B. auch berühmte Treppenhäuser in Brühl und Bruchsal schuf. Auch andere Namen, herausgegriffen aus einer großen Zahl, beweisen den lebendigen Anteil, den die Deutschen aus den böhmischen Ländern am geistigen Leben des gesamten deutschen Volkes hatten und haben: Der Komponist Johann Wenzel Stamitz aus Deutsch-Brod beispielsweise, der später in Mannheim wirkte, Vinzenz Prießnitz und Johann Schroth, die großen Naturheiler, der Brünner Abt Gregor Mendel, dessen Vererbungslehre zur Grundlage moderner Genetik wurde, die Friedensnobelpreis-Trägerin Bertha von Suttner, die Dichter Rainer Maria Rilke, Adalbert Stifter, Marie von Ebner-Eschenbach, die Maler Alfred Kubin oder Ferdinand Staeger, aber auch die Bamberger Symphoniker, die nach der Vertreibung aus den "Prager Deutschen Philharmonikern" hervorgegangen waren, oder auch der Schriftsteller Otfried Preußler aus Reichenberg, dessen "Räuber Hotzenplotz" und "Kleine Hexe" heute Millionen Kinder und Erwachsene erfreuen.

Die Organisationen der Sudetendeutschen spiegeln in ihrer Vielfalt und Vielschichtigkeit das Leben und die Interessen der Angehörigen dieser Volksgruppe wider. Im politischen, kulturellen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, sozialen und gesellschaftlichen Bereich gibt es sudetendeutsche Zusammenschlüsse, aber auch auf Generationsebene und im Bereich der Freizeitgestaltung.

In Baden-Württemberg gibt es heute 27 größere sudetendeutsche Vereinigungen, von denen viele noch Untergliederungen auf Orts- und Kreisebene haben.

Mehrere sudetendeutsche Zeitschriften werden in Baden-Württemberg herausgegeben, ebenso haben verschiedene sudetendeutsche Stiftungen, Institute und Gesellschaften ihren Sitz in diesem Lande.

Die Sudetendeutschen im Vergleich zur Einwohnerzahl verschiedener Staaten

Norwegen 4,1 Mio
Sudetendeutsche 3,8 Mio
Irland 3,3 Mio
Albanien 2,7 Mio
Luxemburg 0,36 Mio
Island 0,23 Mio

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

Sudetendeutsche Landsmannschaft Landesgruppe e. V
Schloßstr. 92
70176 Stuttgart
Telefon: +49 (711) 625411
Telefax: +49 (711) 6336525
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Ansprechpartner:
Klaus Hoffmann
Vorsitzender
Telefon: +49 (711) 625411
E-Mail: klaus.hoffmann@sudeten-bw.de
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