Verbraucher & Recht

Coronavirus & Ausgangssperren: Was gilt rechtlich?

Radiotöne RA Christian Solmecke

Fragen zu den Radiotönen:

1. Was bedeutet Ausgangssperre überhaupt?
2. Was darf ich jetzt alles noch?
3. Darf ich meinem Opa noch Lebensmittel vorbeibringen?
4. Darf ich meine Familie besuchen?
5. Darf ich auch zu einem weiter entfernten Supermarkt fahren?
6. Wer und wie wird kontrolliert, dass sich die Bürger an die Ausgangssperre halten?
7. Wenn ich einen systemrelevanten Job habe, brauch ich dann eine Bescheinigung vom Arbeitgeber? Oder kann jeder zu seinem Job?
8. Wenn man sich nicht dran hält, drohen dann Strafen?
9. Auf welcher Grundlage können Ausgangssperren erlassen werden?
10. Darf ich mit meinen Kindern dann noch auf den Hof runter, wenn sie auf 60 qm durchdrehen?
11. Darf ich noch Spaziergänge machen? Zum Tanken fahren?

Coronavirus & Ausgangssperren: Was gilt rechtlich? RA Solmecke beantwortet die wichtigsten Fragen

Die Meldung ist gerade einmal ein paar Stunden alt. In Bayern wurden soeben Ausgangsbeschränkungen für das gesamte Bundesland verhängt. Das Saarland will nachziehen und es ist nicht unwahrscheinlich, dass das in den nächsten Tagen auch einige andere Bundesländer tun. Eine Ausgangssperre bedeutet einen gravierenden Eingriff in unsere Grundrechte: die Allgemeine Handlungsfreiheit,  die Freizügigkeit, die Versammlungsfreiheit und vor allem die Fortbewegungsfreiheit. Diese Grundrechte dürfen nur auf der Grundlage eines Gesetzes eingeschränkt werden, das die Ausgangsbeschränkungen genau festlegen muss. In Juristenkreisen wird zur Zeit heftig darüber gestritten, ob mit § 28 Infektionsschutzgesetz (IfSG) oder einer Norm aus den Katastrophenschutzgesetzen der Länder bereits ein solches Gesetz existiert oder eine Ausgangssperre nach geltendem Recht rechtswidrig wäre. Neben dieser beantworten wir Ihnen die brennendsten Rechtsfragen zur Ausgangssperre in unserer Pressemitteilung/in unserem FAQ.

Was bedeutet Ausgangssperre überhaupt?

Vereinfacht gesagt bedeutet eine Ausgangssperre bzw. Ausgangsbeschränkung, dass Menschen ihre Wohnungen oder Häuser für eine gewisse Zeit nicht mehr „ohne triftigen Grund“ verlassen dürfen. Eine generelle Ausgangssperre betrifft – anders als die Quarantäne – alle Bürgerinnen und Bürger ganz unabhängig von einer Erkrankung oder einem Verdachtsfall. In Anbetracht der Tatsache, dass trotz eindringlichen Appellen seitens aller handelnden Personen, derzeit teilweise immer noch Menschenansammlungen auf den Straßen und in den Parks unterwegs sind, soll eine Ausgangssperre zuvorderst dafür sorgen, dass die bereits erlassenen Anordnungen künftig strikt eingehalten werden. Eine Ausgangssperre wird aber mit zahlreichen Ausnahmeregelungen verbunden sein.

Auf welcher Grundlage können Ausgangssperren erlassen werden?

Durch eine Ausgangssperre werden die Grundrechte der Menschen gravierend eingeschränkt, darunter unter anderem der Allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) die Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG), die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG), die Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1, 2) und die Fortbewegungsfreiheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1).
Diese Grundrechte dürfen nur auf der Grundlage eines Gesetzes eingeschränkt werden, das die genauen Bedingungen für eine Ausgangssperre bestimmt. Das Gesetz muss einige Grundrechte, in die eingegriffen wird, wie zum Beispiel die Fortbewegungsfreiheit oder die Freizügigkeit, explizit nennen. Es bestehen also hohe Anforderungen.

Als Rechtsgrundlage kommen in meinen Augen vor allem Normen aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Betracht, denn das IfSG erlaubt Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit, hier insbesondere die Generalklausel in § 28 IfSG. Danach können Behörden die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ treffen, die zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten notwendig sind.  In § 28 Abs. 1 S. 4 IfSG heißt es außerdem explizit, dass durch die Norm zum Beispiel die Grundrechte der Freiheit der Person und der Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden.

Die Ausgangssperre indes ist aber eine Anordnung, das eigene zu Hause nicht zu verlassen. Ob das IfSG eine Ausnahmeregelung beinhaltet, die eine radikale Maßnahme wie Ausgangssperren ermöglicht, ist weiterhin umstritten.

Daneben kommen die Katastrophenschutzgesetze der einzelnen Bundesländer als Rechtsgrundlage in Betracht, aber auch hier findet sich keine Norm, die zu einer derart weitreichenden Freiheitsbeschränkung ermächtigt.

Meiner Auffassung nach muss hier schnellstmöglich Rechtssicherheit geschaffen- und das IfSG angepasst werden. Es muss klar geregelt werden, wann welche Maßnahmen unter welchen Voraussetzungen durch Behörden angeordnet werden dürfen und vor allem auch, welche Ausnahmen es geben darf.

Was darf ich jetzt alles noch?

In Bayern ist eine Ausgangssperre ab 0.00 Uhr in Kraft. Ab dann darf die eigene Wohnung zunächst für zwei Wochen nur noch aus triftigem Grund verlassen werden. Damit fährt Bayern als erstes Bundesland das öffentliche Leben wie wir es kennen, fast vollständig zurück.

Vorausgesetzt eine Ausgangssperre kommt nun auch in allen anderen Bundesländern, werden wohl ähnliche bis identische Ausnahmen eingeführt, wie es Bayern nun beschlossen hat.

Erlaubt bleibt der Hin- und Rückweg zur und von der jeweiligen Arbeitsstätte (womöglich nur mit Bescheinigung des Arbeitgebers). Auch Spaziergänge oder sportliche Aktivitäten an der frischen Luft wie Joggen werden erlaubt bleiben. Dies jedoch nur alleine oder mit Personen, die im Haushalt wohnen. Einkäufe für den Bedarf des täglichen Lebens bleiben ebenso möglich, wie Besuche von Arztpraxen, Sanitätshäusern, Optikern, Hörgeräteakustikern und Gesundheitspraxen. Zudem werden auch Apothekenbesuche weiterhin möglich sein. Darüber hinaus wird auch das Tanken an Tankstellen sowie das Geldabheben bei Banken ermöglicht. Und auch Hilfeleistungen für Bedürftige können trotz Ausgangssperre getätigt werden. Unabdingbare Versorgungen von Haustieren bilden eine weitere Ausnahme.

Aber: Es muss darauf hingewiesen werden, dass diese Einschätzung für heute gilt und weitere Einschränkungen bis hin zu einer absoluten Ausgangssperre theoretisch denkbar und möglich sind.

Darf ich meine Familie besuchen?

Stand jetzt ist es auch bei einer Ausgangssperre weiterhin möglich, eine Fernbeziehung zu pflegen und enge Familienangehörige zu besuchen. Dies gilt auch, wenn sie nicht in unmittelbarer Nähe wohnt. Hier sollten allerdings die genauen Anweisungen der jeweiligen Behörden genau beobachtet werden, da die Entwicklung in stetem Fluss ist. Schon jetzt gilt: Freunde treffen ist nun tabu, außer diese sind auf Hilfe angewiesen.

Drohen Strafen, wenn man sich nicht an die Ausgangssperre hält?

Eine Ausgangssperre wird, wie erwähnt, ganz sicherlich, wie in Bayern, mit Ausnahmen z.B. zum Einkaufen oder Arbeiten gehen, verhängt werden.

Im Falle der Zuwiderhandlung gegen eine Ausgangssperre würde man sich nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) strafbar machen, wenn es sich um eine vollziehbare Anordnung handelt. Gemäß § 75 IfSG droht dann eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren, wenn man einer solchen Anordnung zuwiderhandelt. Zumindest eine teure Geldstrafe dürfte die Folge sein. Je nach Einkommen, können das dann mehrere tausend Euro sein. Bei einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen wäre man gar vorbestraft. Wer sich beharrlich gegen eine Ausgangssperre wehrt, dem droht letztlich eine Freiheitsstrafe.

Übrigens schützt Unwissenheit vor Strafe nicht. Auch eine fahrlässige Begehung der Verstöße sind nach § 75 IfSG mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht.

Wer und wie wird kontrolliert, dass sich Bürgerinnen und Bürger an die Ausgangssperre halten?

Hierfür sind zunächst die Polizei und auch das Ordnungsamt zuständig.

Ein Szenario, in welchem die örtlichen Behörden mit der Krisenbewältigung überfordert sein könnten, ist zumindest denkbar und nicht gänzlich ausgeschlossen. Dann kann es tatsächlich rechtlich dazu kommen, dass auch die Bundeswehr zu Hilfe eilt. Dafür müssen jedoch hohe Voraussetzungen erfüllt sein, denn der Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist eigentlich nach Art. 87a Abs. 2 Grundgesetz (GG) verboten. Eine Ausnahme lässt jedoch Art. 35 Abs. 2 und 3 GG zu, wonach im Katastrophenfall Amtshilfe geleistet werden darf. Dann darf die Bundeswehr sog. Amtshilfe leisten und auch im Bundesgebiet hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Darunter fielen dann auch Zwangsmaßnahmen gegenüber Personen, die sich nicht an die Anordnung halten.

Wenn ich einen systemrelevanten Job (z.B. Journalist) habe, brauche ich dann eine Bescheinigung vom Arbeitgeber? Oder kann jeder zu seinem Job?

Sehr wahrscheinlich gilt, dass jeder zur Arbeit fahren darf. Allerdings auch nur das, denn erlaubt bleibt zunächst einmal „nur“ der Hin- und Rückweg zur Arbeit. Eine strenge Auslegung würde für Journalisten wohl eine starke Einschränkung der Berufsausübung bedeuten. Da Presse und Rundfunk aber durch Artikel 5 des Grundgesetzes eine Sonderstellung innehaben und vom Bundesverfassungsgericht gar als systemrelevant eingestuft wurden, ist in Zeiten einer Krise wie der jetzigen gerade eine funktionierende Presse von höchster Wichtigkeit. Gerade jetzt ist der Bedarf, sich ungehindert aus allgemein zugänglichen und unabhängigen Quellen zu informieren, besonders hoch. Kommt es zur Verhängung einer Ausgangssperre, die den Weg zur Arbeit erlaubt, so können sich Journalisten auf ihre Berufsausübung berufen und ihrer Tätigkeit nachgehen. Selbst wenn es zu einer totalen Ausgangssperre kommen sollte (sofern eine Rechtsgrundlage hierfür gefunden wird), so müsste trotzdem eine Informations-Grundversorgung gegeben sein. Meiner Auffassung nach müssen sich Journalisten derzeit bzgl. einer Tätigkeitseinschränkung mit am wenigsten Sorgen machen.

Über Wilde Beuger Solmecke Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Die Kölner Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE hat sich auf die Beratung der Online- und Medienbranche spezialisiert. Insgesamt arbeiten in der Kanzlei 20 Anwälte. Rechtsanwalt Christian Solmecke hat in den vergangenen Jahren den Bereich Internetrecht/E-Commerce sowie die Bereiche Verkehrsrecht und Datenschutzrecht stetig ausgebaut. Gemeinsam mit seinem Team vertritt er zahlreiche betroffene Kunden rund um den Abgasskandal. Darüber hinaus betreut er zahlreiche Medienschaffende und Web 2.0 Plattformen.

Neben seiner Kanzleitätigkeit ist Christian Solmecke auch Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht im Internet (DIKRI) an der Cologne Business School (http://www.dikri.de). Dort beschäftigt er sich insbesondere mit den Rechtsfragen in Sozialen Netzen. Vor seiner Tätigkeit als Anwalt arbeitete Solmecke mehrere Jahre als Journalist für den Westdeutschen Rundfunk und andere Medien.

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