Finanzen / Bilanzen

„Europa braucht eine zentralisierte Beschaffung im Gesundheitswesen“

Nach den drastischen Maßnahmen der italienischen Regierung zur Eindämmung des Corona-Virus sehen sich jetzt auch die restlichen europäischen Staaten von den Auswirkungen der Pandemie bedroht. Angesichts der Tatsache, dass die EU-Gesundheitsminister noch immer um eine Einigung über die Einführung eines gemeinsamen Beschaffungsprozesses für medizinische Güter ringen, ist es nun umso dringlicher, dass solche Prozesse endlich in Kraft treten. Dr.  Adriano De Leverano, Wissenschaftler in der Nachwuchsforschungsgruppe „Öffentliche Beschaffung“ am ZEW Mannheim, erklärt dazu: „Das Corona-Virus hat Italien hart getroffen – Krankenhäuser haben mit Kapazitätsengpässen zu kämpfen und benötigen gleichzeitig dringend Antivirenmittel, Sterilisatoren, Decken und Beatmungsgeräte. Die italienische nationale Beschaffungsbehörde steht bereits kurz vor der Vergabe eines Auftrags in Höhe von 258 Millionen Euro, mit dem in einem Notfallverfahren die Bereitstellung von medizinischem Material, u.a. Operationshandschuhen, Masken, Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, sicher gestellt werden soll. Ein Teil der dringend benötigten Ausrüstung wird jedoch aus anderen europäischen Ländern importiert werden müssen. Eine Zentralisierung des Beschaffungsprozesses auf europäischer Ebene könnte daher nicht nur schneller, sondern auch effizienter sein im Vergleich zu der bisherigen Vergabe von Aufträgen über lokale Behörden in den einzelnen italienischen Regionen. Europa wird momentan in asymmetrischer Weise von der Corona-Krise getroffen. Das könnte ein günstiger Zeitpunkt für die Einführung einer zentralisierten europäischen Beschaffung sein. Die Vorzüge einer solchen Zentralisierung belegen Forschungsergebnisse: So hat die Zentralisierung des öffentlichen Beschaffungswesens bei Großaufträgen zu besseren Ergebnissen geführt, da ein zentralisierter Einkauf mehr Verhandlungsmacht gegenüber den Lieferanten hat.
 Die EU muss auf die Auswirkungen der sich rasch in ganz Europa ausbreitenden Pandemie reagieren. In dieser Notlage sollten sich die Mitgliedstaaten endlich wieder auf das Solidaritätsprinzip der EU besinnen. Die Einführung eines gemeinsamen Beschaffungsprozesses könnte die Glaubwürdigkeit der EU-Institutionen stärken. Eine zentral, auf europäischer Ebene koordinierte, effiziente und kompetente Gesundheitsbeschaffung wird mehr denn je benötigt.“
Über ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW rund 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

Forschungsfelder des ZEW

Arbeitsmärkte und Personalmanagement; Digitale Ökonomie; Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik; Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement; Soziale Sicherung und Verteilung; Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement; Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft; Marktdesign.

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