Finanztransaktionssteuer: Idee gut, geplante Umsetzung unzureichend
„Eine Steuer auf Aktienhandel ist international und historisch gesehen eher die Regel als die Ausnahme. Die Hälfte der G20-Länder erheben eine solche Steuer. Allerdings kommt es auf die genaue Ausgestaltung an. Das bislang vorliegende Konzept für eine EU-Finanztransaktionssteuer (FTS) steht zu Recht in der Kritik, unter anderem weil es Derivate und den außerbörslichen Handel außen vor lässt“, sagte Christoph Trebesch, Leiter des Research Centers Internationale Finanzmärkte und Global Governance am Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel). Er hatte die Federführung für das jetzt veröffentlichte Gutachten „Der deutsch-französische Vorschlag zu einer EU-Finanztransaktionssteuer“ (Manuel Funke, Josefin Meyer, Christoph Trebesch 2020) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Vorschlag hat Stärken
Eine gut konzipierte FTS kann aus ökonomischer Sicht prinzipiell befürwortet werden, sofern der Steuersatz niedrig ist und die Ausweicheffekte begrenzt werden. Als Stärken des bisherigen Vorschlags nennt das Gutachten, dass der geplante Steuersatz von 0,2 Prozent international in der Norm liegt. Studien zeigen, dass bei einem solchen Satz eher begrenzte Marktverzerrungen und Ausweichtendenzen zu erwarten sind. Auch die Erhebungskosten für die Steuer würden mit voraussichtlich 0,1 bis 0,2 Prozent der Einnahmen gering ausfallen. Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass die Steuer unbürokratisch und über wenige zentrale Clearingstellen abgeführt werden kann. Der Vorschlag orientiert sich an funktionierenden Modellen, wie sie zum Beispiel an großen Finanzplätzen wie der Schweiz, Großbritannien, Singapur oder Hongkong genutzt werden.
Nicht in erster Linie deutsche „Kleinanleger“ betroffen
Deutsche Privathaushalte würden dem Gutachten zufolge nur einen geringen Anteil der Steuereinnahmen abführen. „Ein Großteil des Steueraufkommens in Deutschland würde von professionellen Investoren aus dem Ausland geleistet, da diese die meisten DAX-Aktien halten und handeln“, sagte Trebesch. Schätzungen zeigen, dass im Jahr 2018 nur noch ca. 15 Prozent der DAX-Werte von deutschen Haushalten gehalten wurden, während US-Pensionsfonds sowie ausländische Staatsfonds immer bedeutender werden.
Beschränkung auf börsengehandelte Aktien ist ein Fehler
Als größte Schwäche des Vorschlags identifiziert das Gutachten die Beschränkung auf börsengehandelte Aktien. Die ausgenommenen Derivate machen über 80 Prozent der Finanztransaktionen in Deutschland und der Eurozone aus. Eine isolierte Aktiensteuer sei aus ökonomischer und finanzieller Sicht nicht zu rechtfertigen.
„Die geplanten Ausnahmen setzen unerwünschte Anreize zugunsten nichtregulierter Märkte und Finanzprodukte und diskriminieren gegen all jene, die auf klassische Börsenplätze setzen“, sagte Trebesch. Würde die FTS auch Derivate und den außerbörslichen Handel umfassen, würde dies konservativ geschätzt doppelt so hohe Einnahmen ermöglichen.
„Um Abwanderungseffekte und Einnahmeausfälle zu vermeiden, ist es essenziell, von den Erfahrungen bei der FTS-Einführung in Italien, Schweden oder Frankreich zu lernen“, so Trebesch. Diese zeigten, dass eine breitere Steuerbasis Vermeidungsstrategien reduziert.
Die Wissenschaftler des IfW Kiel schlagen daher eine Ausweitung der FTS auf außerbörslichen Handel (OTC) sowie auf Derivate vor, allerdings zu einem deutlich niedrigeren Steuersatz von 0,01 bis 0,02 Prozent, da die Umschlagszahlen im Derivatemarkt äußerst hoch sind. Außerdem sollte die Steuer auf Transaktionen von Anleihen und im Hochfrequenzhandel ausgeweitet werden.
Besonders zu empfehlen sei ein zentralisiertes elektronisches Clearingsystem wie in Großbritannien. Das Regelwerk sollte möglichst bereits ab dem ersten Tag der Einführung klar sein und wenige Ausnahmen enthalten.
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