Fokus nicht nur auf unerwünschte Stoffe
Welche Aspekte zu einer ganzheitlichen Betrachtung gehören, erläuterte Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald vom Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin: "Rohstoffe können immer nur so gut sein, wie die Umgebung, aus der sie stammen. Rohstoffe sind Teil der Natur. Aber Qualität muss ganzheitlich bewertet werden. Dazu gehört die Gesundheitsverträglichkeit, Sozialverträglichkeit, Wirtschaftsverträglichkeit und Umweltverträglichkeit eines Produkts. Es geht um Fragen der Effizienz, der Logistik, aber auch um kulturelle Fragen, wie beispielsweise, warum uns hierzulande das Essen von Insekten eher schwerfällt."
Beispiele für notwendige Abwägungen stellten Hubertus Doms und Dr. Georg Hartmann von der Firma HiPP vor. Herausforderungen seien insbesondere die gleichzeitige Einhaltung von Höchstwerten für mehrere Parameter, die in Einzelbetrachtung durch den Gesetzgeber festgelegt wurden. Zudem stehen diese Parameter zuweilen auch anderen für eine nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwirtschaft wünschenswerten Faktoren gegenüber und schließen sich aus: Beibehaltung einer großen Geschmacks- und Produktvielfalt, Verpackungsreduktion oder die Reduzierung von Lebensmittelverlusten.
In der anschließenden Podiumsdiskussion stellten sowohl Gitta Connemann, CDU, Harald Ebner, Bündnis 90/Die Grünen, und Klaus Müller, Verbraucherzentrale Bundesverband, klar, dass die Lebensmittelsicherheit keine Kompromisse eingehen könne und die Gesundheit der Menschen immer vorgehe. Ebenfalls sei das Vorsorgeprinzip eine wichtige Errungenschaft. Connemann verwies in Zeiten von Fake-News auf die Unabdingbarkeit der wissenschaftlichen Basis.
Prof. Dr. Dr. Dieter Schrenk, Professor für Lebensmittelchemie und Toxikologie an der Universität Kaiserslautern, sah als möglichen Weg zu einer besseren Risikobewertung die Anwendung des Margin-of-Exposure-Ansatzes: "Toxikologische Referenzwerte sind keine scharfe Marke. Es ist eher ein Risikobereich. So gibt es Sicherheitsabstände zwischen den Werten, denen wir ausgesetzt sind, und Werten, die möglicherweise gesundheitsgefährdend sind." Connemann brachte als Lösungsansatz die MEAL-Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ein. MEAL steht für "Mahlzeiten für die Expositionsschätzung und Analytik von Lebensmitteln". Diese sogenannte Total-Diet-Studie untersucht erstmalig systematisch und repräsentativ Lebensmittel im verzehrfertigen Zustand. Aus den Daten lassen sich Verzehrempfehlungen für empfindliche Bevölkerungsgruppen oder hinsichtlich bestimmter Lebensmittel ableiten. Die Daten bilden zudem eine wichtige Vergleichsbasis, um die im Falle einer Krise auftretenden Gehalte schnell und zuverlässig einzuschätzen. Zusammenfassend erklärte Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands: "Alle gesellschaftlichen Gruppen tragen Verantwortung und alle, inklusive der Zivilgesellschaft, sind aufgerufen, Priorisierungen hinsichtlich ihrer Ansprüche an Lebensmittel vorzulegen. Sicherheit kann man auf verschiedene Arten definieren, Sicherheit ist nicht dann, wenn der Grenzwert bei Null ist. Das muss allen klar sein."
Der Lebensmittelverband Deutschland e. V. ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Ihm gehören Verbände und Unternehmen der gesamten Lebensmittelkette "von Acker bis Teller", aus Landwirtschaft, Handwerk, Industrie, Handel und Gastronomie an. Daneben gehören zu seinen Mitgliedern auch private Untersuchungslaboratorien, Anwaltskanzleien und Einzelpersonen.
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