Finanzen / Bilanzen

Ostdeutsche sind gegenüber Westdeutschen immer noch benachteiligt

Wer vor der Wiedervereinigung in Ostdeutschland gelebt hat, hat auch 30 Jahre später geringere Einkommenschancen als eine gleichaltrige Person aus Westdeutschland aus ähnlichen familiären Verhältnissen. Neben der regionalen Herkunft sind aber auch Bildungsstand und Beruf der Eltern von großer Bedeutung für die Chancen der Personen. Insgesamt hat die beobachtete Ungleichheit der Chancen in Deutschland seit den frühen 1990er Jahren nicht abgenommen, sondern ist leicht gestiegen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie des ZEW Mannheim und der Universität Florenz, die Teil des Forschungsprogramms „Strengthening Efficiency and Competitiveness in the European Knowledge Economies“ (SEEK) ist. Die Wissenschaftler untersuchen, wie sich die Ungleichheit von Chancen in Deutschland zwischen 1992 und 2016 entwickelt hat. Die Studie berücksichtigt ausschließlich Personen, die bereits 1989 gelebt haben. Dabei werden maschinelle Lernverfahren verwendet, um herauszufinden, welche Merkmale die Unterschiede in den Einkommenschancen maßgeblich bestimmen. Datengrundlage ist das Sozio-oekonomische Panel. Die Herkunft aus den neuen oder alten Bundesländern war von 1992 bis 2001 die entscheidende Erklärung für ungleiche Chancen in Deutschland. Anfang der 1990er Jahre lag das Einkommen der Bürger/innen in Ostdeutschland bei unter 80 Prozent des bundesweiten Durchschnitts für die jeweilige Altersklasse. Neben der regionalen Herkunft war zudem bei den Ostdeutschen der Beruf des Vaters ausschlaggebend für die eigenen Einkommenschancen, bei den Westdeutschen war es dagegen der väterliche Bildungsgrad.

Ungleichheit der Chancen 2016 leicht höher als 1992

„Heute ist der Beruf des Vaters der entscheidendste Einflussfaktor für die Einkommenschancen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland“, sagt Dr.  Guido Neidhöfer, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Personalmanagement“. „Gleich an zweiter Stelle steht aber nach wie vor, ob jemand aus dem Osten oder dem Westen der Bundesrepublik stammt. Daneben haben inzwischen auch das Geschlecht, die Bildung der Mutter und Behinderungen Einfluss auf die Chancengleichheit. Die besten Chancen haben heutzutage Westdeutsche mit Eltern in hohen beruflichen Positionen und gebildeten Müttern. Am schlechtesten gestellt sind immer noch Ostdeutsche mit Eltern, die nur über einen geringen oder gar keinen Bildungsabschluss verfügen.“
 Migranten/-innen, die nach 1989 eingewandert sind, haben, ähnlich wie Bürger/innen aus Ostdeutschland, im Durchschnitt geringere Einkommen als Westdeutsche. Das gilt jedoch nicht für Migranten/-innen und deren Kinder, die bereits vor 1989 in Deutschland gelebt haben. Sie unterscheiden sich nicht von ihren Altersgenossen, die ihnen mit Blick auf Beruf und Bildung der Eltern und einer etwaigen Behinderung entsprechen. Wie die Studie zeigt, ist die Ungleichheit der Chancen in Deutschland zwischen Anfang und Mitte der 1990er Jahre zurückgegangen. Diese Entwicklung ist gegenläufig zur ansteigenden Lohnungleichheit in den 1990er Jahren. Eine mögliche Erklärung dafür könnte in staatlichen Umverteilungsmaßnahmen bestehen. Zwischen 1996 und 2001 hat die Chancenungleichheit dann schwach zugenommen. Im Jahr 2002 ist sie merklich gestiegen, mit einem kleineren aber bemerklichen weiteren Anstieg 2006, und verharrt seither auf diesem höheren Niveau. Diese Zunahme fällt in die Zeit der Hartz-Reformen des Sozialleistungssystems. Die Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 scheint sich dagegen nicht auf die Verteilung der Einkommenschancen in Deutschland ausgewirkt zu haben. Im Jahr 2016 lag die Ungleichheit der Chancen leicht höher als im Jahr 1992.

Über ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW rund 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

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