Gesundheit & Medizin

Darmkrebsrisiko: Wann sollten familiär vorbelastete Personen mit der Früherkennung beginnen?

Wissenschaftler haben die Daten von fast 13 Millionen Personen ausgewertet, um herauszufinden, ab welchem Alter Menschen zur Vorsorge gehen sollten, die einen oder mehrere enge oder entfernte Verwandte mit einer Darmkrebserkrankung haben. Die Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg konnten zeigen, ab welchem Alter familiär vorbelastete Personen die Darmkrebsfrüherkennung wahrnehmen sollten, abhängig von der Zahl der Darmkrebspatienten in der Familie, dem Verwandtschaftsverhältnis und dem Alter bei der Diagnose. Im Regelfall können Frauen und Männer ab 50 Jahren mit der Vorsorge beginnen. Für Familien mit erblichem Darmkrebs gelten spezielle Empfehlungen.

Darmkrebs ist in Deutschland und weltweit die dritthäufigste Krebsart und die zweithäufigste Krebstodesursache. Wichtige Risikofaktoren liegen neben Umweltfaktoren auch in unserem Lebensstil: Übergewicht und Bewegungsmangel, Alkohol- und Tabakkonsum, Verzehr von rotem oder verarbeitetem Fleisch. Darüber hinaus spielen einige unveränderliche Faktoren wie Alter, Geschlecht und Familiengeschichte eine Rolle. Auch erbliche Formen sind bekannt. Wird Darmkrebs in einem frühen Stadium erkannt, sind die Heilungsaussichten gut. Ab dem Alter von 50 Jahren hat in Deutschland jeder Versicherte Anspruch auf regelmäßige Untersuchungen zur Früherkennung von Darmkrebs.

"Obwohl die Richtlinien für die Darmkrebsfrüherkennung die Notwendigkeit einer früheren Vorsorge für Menschen mit engen und entfernt verwandten Darmkrebspatienten berücksichtigen, gibt es bislang nur wenige evidenzbasierte Informationen darüber, wie viele Jahre früher Personen mit familiärer Belastung zur Früherkennung gehen sollten", sagt Mahdi Fallah, Leiter der Gruppe Risikoadaptierte Prävention, in der Abteilung Präventive Onkologie des DKFZ und am NCT Heidelberg.

Die Heidelberger Forscher haben daher in Kooperation mit Kollegen der Universität Lund die Daten von 12.829.251 nach 1931 geborenen schwedischen Bürgern und ihren Eltern ausgewertet. "Unser Ziel war es, durch die Analyse dieser weltweit größten Datengrundlage risikoadaptierte und personalisierte Empfehlungen für das Anfangsalter zur Darmkrebsvorsorge bei unterschiedlicher Familiengeschichte zu geben", erklärt Elham Kharazmi, Ko-Leiterin der Studie und Wissenschaftlerin des DKFZ und am NCT Heidelberg.

Während des Studienzeitraums von 1958 bis 2015 waren insgesamt 173.796 Personen von Darmkrebs betroffen. Die Durchschnittspopulation hatte dabei im Alter von 50 Jahren, dem aktuell empfohlenen Alter für die Früherkennung, ein Risiko von 0,44 Prozent, in den nächsten zehn Jahren an Darmkrebs zu erkranken. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler hatten Personen mit familiärer Vorbelastung dasselbe Darmkrebsrisiko drei bis 29 Jahre früher als ihre Altersgenossen ohne Darmkrebs in der Familie. Beispielsweise erreichten Personen mit einem betroffenen Verwandten ersten Grades, der vor dem Alter von 45 Jahren diagnostiziert wurde, das entsprechende Risikoniveau für eine Darmkrebserkrankung bereits 16 Jahre früher als Gleichaltrige.

Für familiär belastete Personen geben die Erkenntnisse Ärzten in ihrer praktischen Arbeit zusätzliche Hinweise, um das Anfangsalter für die Darmkrebsfrüherkennung risikoangepasst festzulegen. Darüber hinaus empfehlen die Autoren die Aufnahme der Erkenntnisse in die Leitlinien zur Darmkrebsfrüherkennung und die Anpassung der Krankenkassenleistungen für eine frühere Vorsorge bei Angehörigen von Darmkrebspatienten.

Originalpublikation:
Y. Tian, E. Kharazmi, H. Brenner, X. Xu, K. Sundquist, J. Sundquist, M. Fallah: Calculating Starting Age for Screening in Relatives of Patients With Colorectal Cancer Based on Data From Large Nationwide Datasets. Gastroenterology 2020; https://doi.org/10.1053/j.gastro.2020.03.063

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD)
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich rund 80.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000-mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.700 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.

 

Über Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Ziel des NCT ist es, vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung möglichst schnell in die Klinik zu übertragen und damit den Patienten zugutekommen zu lassen. Dies gilt sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung, in der Nachsorge oder der Prävention. Die Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik. Das NCT kooperiert mit Selbsthilfegruppen und unterstützt diese in ihrer Arbeit. Seit 2015 hat das NCT Heidelberg in Dresden einen Partnerstandort. In Heidelberg wurde 2017 das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) gegründet. Die Kinderonkologen am KiTZ arbeiten in gemeinsamen Strukturen mit dem NCT Heidelberg zusammen.

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