Finanzen / Bilanzen

Schwellenländeraktien: „Gründe für gedämpften Optimismus“

Trotz hoher Risiken und anhaltender Volatilität ist James Donald, Leiter der Emerging Markets-Plattform bei Lazard Asset Management, vorsichtig optimistisch mit Blick auf die weitere Entwicklung von Schwellenländeraktien. Der Experte setzt auf hochwertige Unternehmen mit gesunden Bilanzen.

„Mit Blick auf die Zukunft sehen sich die Schwellenländer mit mehreren großen Risiken konfrontiert, von denen jedes einzelne zu noch mehr Volatilität in der Anlageklasse führen könnte:

  • Investoren könnten sich fluchtartig zurückziehen und die 310 Milliarden Dollar an Investitionen abziehen, die 2018 in die Anlageklasse geflossen sind.
  • Globale Lieferketten könnten zusammenbrechen, was zu einer anhaltenden Handelsunsicherheit führen könnte, die noch weitreichender als der Handelskonflikt zwischen den USA und China selbst sein könnte.
  • Der Ölschock könnte über einen längeren Zeitraum anhalten und rohstoffexportierende Schwellenländer finanziell stark belasten.
  • Eine starke Abwertung von Lokalwährungen könnte jene Länder belasten, die hoch in US-Dollar verschuldet sind.
  • Es könnte sich als schwierig erweisen, das Coronavirus zu kontrollieren, was die Gesundheitssysteme in einigen oder allen Schwellenländern strapazieren würde. Dies wiederum könnte politische Konsequenzen für die amtierenden Regierungen haben.

Es gibt aktuell jedoch auch Gründe für einen gedämpften Optimismus. So ist der Verlauf der Krise zwar von Land zu Land unterschiedlich. Dennoch liefert China, das bislang am längsten mit dem Coronavirus zu tun hat, einige Anhaltspunkte dafür, wie die weitere Entwicklung aussehen könnte. Falls dort die Arbeit wieder aufgenommen werden kann, ohne dass die Verbreitung des Virus neu entfacht wird, ist dies ein gutes Zeichen für den Zustand der restlichen Welt in einigen Monaten und dürfte sich positiv auf Schwellenländeraktien auswirken. Investoren sollten sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die wirtschaftliche Erholung erst nach und nach einsetzen dürfte. Denn, auch wenn in China der wirtschaftliche Motor wieder anläuft, was in der restlichen Welt noch nicht der Fall ist, dürfte die Nachfrage nach chinesischen Waren nicht sofort wieder anziehen. 

Unter den Schwellenländern gibt es sowohl Gewinner (Importeure) als auch Verlierer (Exporteure) eines Ölpreiskrieges. Ein sinkender Ölpreis wäre eine Herausforderung für Russland, Kolumbien, Mexiko und Brasilien. Brasiliens Haushalt rechnete für das Jahr 2020 bislang mit einem Ölpreis von 60 Dollar pro Barrel. Mexiko ging von 49 Dollar aus. Beide Länder werden sehr wahrscheinlich Einnahmeausfälle verzeichnen. Während niedrigere Ölpreise für Ölimporteure wie Indien, Indonesien, die Philippinen, Südkorea, die Türkei sowie Mittel- und Osteuropa vorteilhafter sein könnten, sollten Investoren genau im Blick behalten, wo Mittelzuflüsse zum Ausgleich von Leistungsbilanzdefiziten genutzt werden. Kolumbien, Südafrika, Chile und Indonesien scheinen aus unserer Sicht die am wenigsten soliden Bilanzen aufzuweisen. Sie sind am stärksten auf Investitionszuflüsse angewiesen, um sich selbst zu finanzieren. Sollte der US-Dollar weiter an Wert gewinnen, muss daher genau beobachtet werden, ob ein Land, seine Schulden weiterhin bedienen kann.

Wir erwarten, dass der Welthandel auch in den kommenden Quartalen ein Problemfeld sein wird. Die Coronapandemie machte auf schmerzliche Weise deutlich, wie abhängig die globalen Lieferketten bei kritischen Artikeln wie Medikamenten und Gesichtsmasken von China sind. Dies könnte die Anti-Globalisierungsstimmung sowohl in Europa als auch in den USA verschärfen und erneut Forderungen nach einer Verlagerung der Produktion in heimische Fabriken und der Rückführung von Lieferketten ins eigene Land laut werden lassen.

Inmitten der unglaublich hohen Volatilität, die wir aktuell an den Märkten sehen, ist es wichtiger denn je, sich auf gesunde, qualitativ hochwertige Unternehmen mit starken Bilanzen zu konzentrieren. Unternehmen mit schwachen Bilanzen – und insbesondere solche mit einem unmittelbaren Finanzierungsbedarf – dürften sich im gegenwärtigen Umfeld, das unserer Einschätzung nach noch einige Zeit unsicher bleiben wird, nicht gut entwickeln.“

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