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Am Puls der Wählerinnen und Wähler

Umfragen haben direkten Einfluss auf die Rhetorik der Bundesregierung. Anselm Hager und Hanno Hilbig, Gastwissenschaftler am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), zeigen in einer jetzt im American Journal of Political Science veröffentlichten Studie, dass sich die Kommunikation der Bundesregierung der öffentlichen Meinung anpasst.

Um das nachzuweisen, haben die beiden Forscher auf ca. 150 Umfragen des Bundespresseamts (BPA) in der Legislaturperiode von 2009 bis 2013 zurückgegriffen. In diesen Umfragen großer Meinungsforschungsinstitute für die Bundesregierung wird die Bevölkerung regelmäßig zu verschiedenen Themen befragt. Die Forscher setzten die Umfrageberichte in Bezug zu über 20.000 veröffentlichten Regierungsreden. Dabei wurden mit Hilfe neuer statistischer Verfahren sprachliche Ähnlichkeiten zwischen den BPA-Berichten und den Reden festgestellt.

Die Ergebnisse von Anselm Hager und Hanno Hilbig zeigen: Sobald das Bundespresseamt repräsentative Umfragen an das Bundeskabinett und die Bundeskanzlerin weitergeleitet hat, modifiziert sich die Rhetorik der Bundesregierung. Die Kabinettsmitglieder ändern dabei nicht nur die Themen ihrer Reden (Agenda Setting), sondern übernehmen auch inhaltliche Positionen der Umfragen.

Die Forscher folgern daraus, dass die Bundesregierung nicht nur den jeweiligen Parteibasen folgt, sondern die gesellschaftliche Mitte im Blick hat, die in den Umfragen abgebildet wird. „Angesichts der bewegten Diskussion zu Covid-19 ist es aufschlussreich zu sehen, dass die Bundesregierung die Meinung der Bevölkerung genau registriert und sprachlich reflektiert“, sagt Anselm Hager.

Diese „rhetorische Repräsentation“ ist bei gesellschaftlich wichtigen Themen besonders stark ausgeprägt. Bei Themen, die weniger zentral sind, ist der rhetorische Repräsentationseffekt deutlich schwächer. Das legt nahe, dass die Regierung potenzielle Wählerinnen und Wähler genau im Blick hat. Es geht also nicht nur um Repräsentation, sondern auch um Wählerstimmen.

Das sieht man auch daran, dass der Repräsentationseffekt bei direkt gewählten Abgeordneten besonders ausgeprägt ist, was die Forscher in einer weiteren Analyse von Bundestagsreden herausgefunden haben. Bundestagsabgeordnete, die über Landeslisten einziehen – also ihren Wahlkreis nicht direkt gewonnen haben –, orientieren sich deutlich weniger entlang der öffentlichen Meinung.

Die Studie „Does Public Opinion Affect Political Speech?“ von Anselm Hager und Hanno Hilbig wurde im American Journal of Political Science veröffentlicht. Sie ist frei zugänglich unter diesem Link.

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