Kinder, die Bescheid wissen, haben weniger Angst
Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen beim Bayerischen Rundfunk und die Stiftung PRIX JEUNESSE befragten in Zusammenarbeit mit internationalen Wissenschaftler*innen n=4.322 Kinder zwischen 9 und 13 Jahren in 42 Ländern, 100 davon in Deutschland. Neben Emotionen und dem Wissen zum Coronavirus wurden in der Studie „Kinder, Medien und COVID-19“ die Mediennutzung und Strategien zur Stressreduzierung sowie zur Regulierung des eigenen Medienkonsums abgefragt. Feldzeit war 31. März bis 26. April 2020, also die Hochzeit des Lockdown in den meisten Ländern.
Die Kinder in Deutschland sind vergleichsweise wenig beunruhigt, nehmen aber z.T. ihre Eltern als besorgt wahr
Das Leben fast aller weltweit befragten Kinder hat sich grundlegend geändert. Sie gehen meist nicht mehr zur Schule, die Eltern arbeiten zum Teil im Homeoffice, Sport und Freizeitaktivitäten sind nicht mehr möglich. Gut jede/r Zweite weltweit fühlt sich aufgrund des Coronavirus beunruhigt. Bei den in Deutschland befragten Kindern ist es nicht einmal ein Drittel der Kinder (28%). Der Anteil der „sehr besorgten“ Kinder ist mit 3 % zusammen mit Österreich (2 %) der im weltweiten Vergleich niedrigste Wert. Anders sieht es z. B. in Tansania aus, wo rund drei Viertel der befragten Kinder „sehr besorgt“ sind. Jedes fünfte in Deutschland befragte Kind nimmt aber seine Eltern als „sehr besorgt” wahr, anders als z. B. in Dänemark und Österreich, wo nicht mal eines von zehn Kindern eine große Besorgnis bei den Eltern sieht.
Die häufigste Angst: dass die Familie krank wird
Die größten Ängste haben die in Deutschland befragten Kinder davor, dass ein Familienmitglied krank wird, sie für lange Zeit ihre Großeltern nicht mehr besuchen können und Urlaubspläne abgesagt werden oder sie sich zu langweilen beginnen. Dies sind Ängste, die sich in ganz ähnlichem Ausmaß weltweit finden. Im weltweiten Vergleich deutlich geringer ist die Angst der in Deutschland befragten Kinder, dass sie selber oder ihre Haustiere erkranken. Auch die Sorge, zu viel Schulstoff zu verpassen, ist bei den befragten Kindern in Deutschland deutlich geringer.
Wer viel weiß, hat weniger starke Befürchtungen
Sehr deutlich wird in dieser Studie der Zusammenhang von Befürchtungen und Wissen. Je weniger Fakten die Kinder zu dem Virus und wie man sich davor schützt kennen, desto höher ist der Anteil der Kinder, die „sehr beunruhigt“ sind.
Insbesondere wenn Kinder auf kursierende Fake News hereinfallen, z. B. „das Coronavirus wurde von einer ausländischen Regierung als Waffe benutzt“ oder „Knoblauch verhindert, sich mit dem Coronavirus anzustecken“, sind sie häufiger „sehr beunruhigt“. Mit Wissen, so die Schlussfolgerung, geht eine Verringerung der Angst einher. Die meisten der befragten Kinder in Deutschland konnten die Fake News entlarven und wussten im weltweiten Vergleich viel zum Thema Coronavirus.
Strategien zur Stressreduktion auf ein niedriges Niveau
Im weltweiten Vergleich haben die befragten Kinder in Deutschland weniger Strategien im Umgang mit Stress und im Umgang mit dieser besonderen Situation. Die Hälfte der befragten Kinder in Deutschland (49 %) hat z. B. bisher keine Erfahrungen damit, in der Familie gemeinsam einen Zeitplan für Aktivitäten zu entwickeln. 80 % der befragten 9- bis 13-Jährigen in Deutschland haben keine Erfahrung zur Stressregulation mittels Meditation oder Yoga und liegen damit deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt von 59 %.
Was die befragten Kinder in Deutschland beschreiben, ist die vermehrte Nutzung von Handy, Tablet und YouTube seit dem Shutdown. Die Medien dienen dabei vor allem dem Vertreiben der Langeweile, die Kinder gehen aber auch fest davon aus, mit ihnen Stress reduzieren zu können. Dass die Computer- und Onlinespiele sie entspanne, meinen die Jungen (mit 77 %) doppelt so häufig wie die Mädchen (37 %). Dieselbe positive Wirkung nehmen Kinder vom Fernsehen und von YouTube-Videos an.
„Hier ist es wichtig, Kindern mehr Kompetenzen zum Umgang mit Stress und der besonderen Situation an die Hand zu geben“, so Studienleiterin Dr. Maya Götz. Während in vielen Bereichen, wie z. B. beim Wissen über das Coronavirus, die in Deutschland befragten Kinder weltweit vorneliegen, mangelt es bei vielen an Kompetenzen, um mit der emotionalen Belastung der Situation umzugehen. Hier fehlt das Handwerkzeug für einen achtsamen Umgang mit sich und anderen, so etwas wie das „Schulfach Glück“, um kompetenter mit den eigenen Emotionen und dem sozialen Miteinander umgehen zu können.
Diese Studie sowie weitere qualitative Studien mit Kindern aus u. a. Syrien, dem Iran, Sierra Leone oder aus Flüchtlingsheimen in Luxemburg werden am 7. Juni 2020 auf der internationalen Info Night im Rahmen des PRIX JEUNESSE INTERNATIONAL per Livestream vorgestellt.
Internationales Zentralinstitut für das Bildungs- und Jugendfernsehen (IZI)
Rundfunkplatz 1
80335 München
Telefon: +49 (89) 590029-91
Telefax: +49 (89) 590023-79
http://www.izi.de
Telefon: +49 (89) 59002264
E-Mail: Maya.Goetz@brnet.de