Pandemie trifft Unternehmen im Norden von Sachsen-Anhalt mit voller Wucht
Aktuelle Lage der Unternehmen
Die Rückmeldungen der Unternehmen spiegeln wider, was wir alle derzeit jeden Tag sehen, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang März gestern auf der Konjunkturpressekonferenz in Magdeburg. Unsere Unternehmen wurden von der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen durch den Lockdown Deutschlands am 22. März mit voller Wucht getroffen. Ende März berichteten in der ersten Blitzumfrage 91 Prozent der Befragten, die Auswirkungen der Krise bereits negativ zu spüren. Am häufigsten genannt wurden eine geringere Nachfrage, die Stornierung von Aufträgen sowie entstehende Liquiditätsengpässe und die Ausfälle durch fehlende Mitarbeiter. Für das Gesamtjahr gingen ein Fünftel der Befragten von einem coronabedingten Umsatzrückgang von mehr als 50 Prozent aus, weitere 28 Prozent rechneten mit Verlusten von mindestens einem Viertel. Neben dem Gastgewerbe und dem Einzelhandel, die in erster Linie von den Eindämmungsverordnungen betroffen sind, stützen die Berichte aus allen Branchen dieses Lagebild.
Ende April hat sich dieses Bild erwartungsgemäß nicht geändert. In den aktuellen Umfrageergebnissen beurteilen 50 Prozent der Unternehmen ihre aktuelle Lage als schlecht, 65 Prozent geben geringere Umsätze im Vergleich zum Vorjahresquartal an. Der Blick auf den weiteren Jahresverlauf ist ebenfalls eingetrübt. Sechs von zehn Unternehmen gehen von einer eher ungünstigeren Entwicklung der Geschäftslage aus. Erneut zu den Umsatzerwartungen für das Gesamtjahr befragt, verschieben sich die Zahlen nur leicht. 17 Prozent gehen von einem Rückgang um mehr als die Hälfte aus, 26 Prozent von einem Rückgang von 25 – 50 Prozent.
Beschäftigung und Investition
Eine Prognose für die zukünftige Beschäftigtenzahl sowie die geplanten Investitionen der Wirtschaft im Kammerbezirk lässt sich nur schwer machen und wird maßgeblich von den weiteren Lockerungsschritten abhängig sein. Im März plante der überwiegende Teil der befragten Unternehmen den Erhalt der aktuellen Belegschaftsgrößen.
Zum zukünftigen Exportgeschäft kann derzeit gesagt werden, dass die aktuelle Lage die bereits bestehende Tendenz zum Protektionismus weiter befeuern könnte. Schon vor der Pandemie klagten 50 Prozent der deutschen Betriebe im Ausland über Handelshemmnisse durch Zölle, Sanktionen oder andere Barrieren. Aus unserer Sicht ist es daher angezeigt, dass die Politik auf diese Negativentwicklung reagiert und die EU nun an gemeinschaftlichen Lösungen und Wegen aus der Krise arbeitet.
Um die Wirtschaft in dieser Krise zu unterstützen, haben sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierung Sachsen-Anhalts eine Vielzahl an Unterstützungsmaßnahmen mit unterschiedlicher Wirksamkeit ins Leben gerufen. Befragt, welche davon weitergeführt werden sollten, gaben die Unternehmen vor allem das Kurzarbeitergeld, die Soforthilfe in Form von Zuschüssen, die Möglichkeit der Steuerstundungen und die Herabsetzung von Vorauszahlungen als notwendig an. Weitere und bisher noch nicht eingeführte Maßnahmen wie Unternehmenssteuersenkungen und ein generelles Konjunkturprogramm finden ebenfalls mehrheitlich positiven Widerhall bei den Befragten.
Soforthilfe in Sachsen-Anhalt
In unserer Umfrage Ende April berichtete uns die Hälfte derjenigen, die Soforthilfe beantragt hatten, dass sie bisher immer noch auf eine Auszahlung zu warten. Dies ist auch das überwiegende Feedback der rund 160 Anrufe, die uns täglich seit dem 16. März über die Corona-Hotline der IHK Magdeburg erreichen.
Bei allem Lob, dass das Land Sachsen-Anhalt trotz klammer Kassen zusätzlich zu den Bundesmitteln Hilfen für die Unternehmen bereitgestellt hat, muss an dieser Stelle auch gesagt werden, dass eine lange Wartezeit bis zur Auszahlung der Hilfen für manche Unternehmen das Aus bedeuten kann. Gerade unsere Soloselbstständigen und Kleinstunternehmen sind davon betroffen. Wir appellieren daher an die Landesregierung, dass in der Antragsbearbeitung weitere Kapazitäten geschaffen werden, um die über 20.000 Anträge, die sich noch in Bearbeitung befinden, schnellstmöglich abzubauen.
Neben den zahlreichen Anfragen zur Beantragung und Bewilligung der Soforthilfen und des Kurzarbeitergeldes, aber auch zu Krediten der KfW und der Investitionsbank, erreichen uns in der Corona-Hotline jedoch hauptsächlich Anrufe, die sich auf Unsicherheiten, die aus Verordnungen resultieren, beziehen. Viele Detailfragen mussten und müssen nachträglich mit den zuständigen Stellen in den Ministerien geklärt werden. Aktuell nehmen die Anfragen der Unternehmerinnen und Unternehmer zu möglichen Entschädigungszahlungen ebenfalls deutlich zu.
Problematisch sind häufig die nicht final geklärte Rechtslage und die unterschiedlichen Regelungen in den verschiedenen Bundesländern. Beispielsweise durften in einigen Bundesländern Geschäfte über 800m² öffnen, mussten aber absperren, in anderen (so auch in Sachsen-Anhalt) waren alle Geschäfte über 800 m² zu schließen. Es durften Baumärkte mal öffnen (Sachsen-Anhalt), mal nicht (so Mecklenburg-Vorpommern). Hinzu kommen juristisch sehr unterschiedliche Auffassungen zum Thema Rechtmäßigkeit der Maßnahmen der Eindämmungsverordnungen (unterschiedliche Beurteilungen der Schließungsanordnungen für Geschäfte über 800 m² in unterschiedlichen Bundesländern – in Sachsen-Anhalt war es rechtmäßig, in Hamburg und weiteren war es unrechtmäßig) sowie die damit verbundenen Möglichkeiten zur Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen gemäß §§ 56 und 61 Infektionsschutzgesetz.
Auch hinsichtlich der Soforthilfen gibt es unterschiedliche Betrachtungsweisen. So gibt beispielsweise der Bund vor, dass auch bestimmte Tilgungsraten bei Betriebskrediten bei der Soforthilfe Berücksichtigung finden, die Investitionsbank Sachsen-Anhalt sieht dies anders. Zudem sind auch innerhalb Sachsen-Anhalts unterschiedliche Auslegungen der Rechtsnormen, Sonderregelungen einzelner
Kommunen und Gemeinden und Unterschiede beim Vollzug und den Kontrollen zu verzeichnen. Trotz der generellen Schließungsverfügung aller Geschäfte über 800 m² durften in Halle und Salzwedel Geschäfte öffnen und die über 800 m² hinausgehenden Flächen absperren. Trotz genereller Schließungsverfügung von Möbelgeschäften durften auch diese teilweise öffnen. Dies sorgte für eine Ungleichbehandlung. Die föderalistische Struktur hat in den letzten Wochen immer wieder zu Verwirrung und Falschinformation geführt und deutlichen Unfrieden in der Wirtschaft hervorgerufen.
Dass regional in Deutschland so unterschiedlich Wirtschaftspolitik betrieben wird, ist nicht vermittelbar und wird seitens der Unternehmerschaft heftig kritisiert.
Die Kommunikation zwischen Wirtschaft und Politik muss gerade in Krisenzeiten reibungslos und transparent sein und keine Einbahnstraße darstellen. Einheitliche Ansprechpartner in den Ministerien helfen uns, Verordnungen und Maßnahmen zeitnah zu erhalten und daraus verlässliche Informationen für unsere Unternehmen aufzubereiten. In der Aufarbeitung der Krise sollte analysiert werden, wie zukünftig Informationsketten verlässlich erstellt werden können – dort liegt noch ein großes Optimierungspotenzial für Sachsen-Anhalt.
Neben sorgenvollen gibt es aber auch positive Nachrichten
Die Industrie- und Handelskammer Magdeburg bietet seit dem 4. Mai 2020 wieder Prüfungen der dualen Berufsausbildung, der Höheren Berufsbildung (Weiterbildung) sowie Sach- und Fachkundeprüfungen und Unterrichtungen an. Wir beginnen nun mit den praktischen Prüfungen der gewerblich-technischen Ausbildungsberufe sowie mit Unterrichtungen und Sach- und Fachkundeprüfungen. Während der Prüfung werden selbstverständlich alle geltenden Abstands- und Hygieneregeln zum Gesundheitsschutz der Prüflinge eingehalten.
Zu Prüfungen gehören aber auch Prüfungsvorbereitungen, um den Auszubildenden und Teilnehmern der Weiterbildungsprüfungen eine faire Ausgangssituation zum Prüfungszeitpunkt zu ermöglichen. Daher hat sich die IHK Magdeburg dafür eingesetzt, dass Einrichtungen der beruflichen Aus- und Weiterbildung,
Verbundpartner der beruflichen Bildung sowie Träger der Erwachsenenbildung mit der 5. Eindämmungsverordnung den Geschäftsbetrieb für Angebote im Kontext der beruflichen Aus- und Weiterbildung wieder aufnehmen können. Wir begrüßen die Umsetzung dieser Forderung in §15 Absatz 7 der 5. Eindämmungsverordnung. Weiteren Handlungsbedarf sehen wir jedoch weiterhin bei den Ausbildungsunternehmen, die sich in Kurzarbeit befinden. Kurzarbeitergeld greift für Auszubildene erst nach 6 Wochen und ist darüber hinaus restriktiv zu handhaben. Dies ist vor allem für kleine Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb komplett oder zu großen Teilen einstellen mussten, in der derzeitigen Krise eine zusätzliche Belastung. Hier fordert die IHK Magdeburg vom Land eine Unterstützung für betroffene Ausbildungsunternehmen in Form eines Ausbildungszuschusses, wie ihn bereits auch andere Bundesländer bereitstellen.
Positionen der IHK Magdeburg
Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und die Interessen einer funktionierenden und leistungsfähigen Wirtschaft dürfen nicht gegeneinander abgewogen werden. Beides ist wichtig, damit Sachsen-Anhalt diese Krise so meistern kann, dass ein problemloses Wiederanlaufen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Alltags gegeben ist. Die IHK Magdeburg ist mit ihren Unternehmen in einem regen Austausch und konnte in über 6.000 telefonischen Beratungen in der Corona-Hotline die Probleme der Unternehmen sammeln. Vom Soloselbstständigen, dessen Einkommen von einen Tag auf den anderen weggebrochen ist, über den Einzelhändler und Gastronomen, die mit Soforthilfe und Kurzarbeitergeld versuchen, den Fortbestand ihrer Unternehmen trotz Geschäftsschließung zu retten. Aber auch die so oft als tragende Säule genannte Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen aus der Industrie und dem Dienstleistungsgewerbe, die mit gestörten Lieferketten und einbrechender Nachfrage zu kämpfen haben. Sie alle stehen dafür ein, dass ihre Mitarbeiter und Familien und die ihrer Geschäftspartner geschützt werden. Sie alle haben Verständnis, dass außergewöhnliche und unvorhergesehene Ereignisse auch entsprechende Maßnahmen begründen. Jedoch darf dies in der Wahrnehmung nicht uneingeschränkt zu ihren Lasten gehen.
Notwendige Lockerungen in der Tourismusbranche
Gestern wurde ein Drei-Stufen-Plan der Landesregierung vorgestellt. Damit haben zumindest Teile der Tourismuswirtschaft (Ferienhäuser und Ferienwohnungen, Campingplätze und Gastronomie) ein Perspektive für den Neustart. Hier soll ab dem 15.5. bzw. 22.5. wieder geöffnet werden.
Am 12. Mai soll es dazu einen Beschluss im Kabinett geben. Wir erwarten zu diesem Zeitpunkt eindeutige Vorgaben für ein stufenweises Wiederbeleben des Tourismus.
Wir begrüßen an dieser Stelle, dass Öffnungen der Betriebe ohne Restriktionen im Sinne von Kapazitätsbeschränkungen oder Wiederbelegungsfristen wie z.B. in Niedersachsen, möglich sein sollen. Dazu gehören auch Veranstaltungen. Hierin möchten wir unseren Wirtschaftsminister Prof. Dr. Willingmann bestärken und unterstützen.
Für die Hotellerie gibt es aktuell noch nichts Konkretes. Angedacht ist eventuell noch eine Öffnung im Mai, aber nur für Bewohner Sachsen-Anhalts. Wir fordern eine Öffnung der Beherbergungsbetriebe vor dem Pfingstwochenende. Die Hotellerie in Thüringen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern wird voraussichtlich bis zum 25.5.2020 wieder geöffnet. Das muss auch unser Maßstab sein.
In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass wir den Harz als eine Reiseregion verstehen und hinsichtlich der Lockerungen eine länderübergreifende Abstimmung erfolgen muss.
Die gesamte Tourismusbranche, das Gastgewerbe genauso wie Reisebüros und Reiseveranstalter bzw. Busunternehmen, benötigen zwingend ein passgenaues Nothilfe-/Rettungsprogramm in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen.
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