Produktionstechnik

Wie Keller & Kalmbach in Corona-Zeiten neue Wege geht

Unternehmen müssen sich aktuell ganz neuen Herausforderungen stellen, was den Schutz der Arbeitnehmer betrifft, um ihren Betrieb aufrecht zu erhalten. So sind unter anderem Mindestabstände einzuhalten und Mitarbeiter mit entsprechender Sicherheitsausrüstung auszustatten. Letzteres ist für Keller & Kalmbach, C-Teile-Spezialist und Experte, wenn es um effiziente C-Teile-Logistik geht, seit den vergangenen Monaten ein großes Schwerpunktthema. So wurde im Unternehmen ein erheblicher Aufwand betrieben, um Kunden mit Mund-Nasen-Masken beliefern zu können, die den geforderten Qualitätsanforderungen entsprechen. Aber wie kam es zu dem Sortiment und Qualitätsniveau, dass das mittelständische Familienunternehmen heute liefern kann? Im Interview mit Werner Hochreiner lässt Keller & Kalmbach hinter die Kulissen des Produktmanagements blicken und betrachtet eine Zeit, in der vieles auf den Kopf gestellt wurde. Zudem beleuchtet das Unternehmen das Thema Zertifikate, das bei der Beschaffung von Mund-Nasen-Masken eine entscheidende Rolle einnimmt.

Arbeitsschutzartikel und Desinfektionsmittel waren bereits vor Corona ein fester Bestandteil des Produktportfolios. Wann haben Sie im Produktmanagement realisiert, dass das Angebot zügig um spezielle Artikel erweitert werden muss?
Mitte Januar verzeichneten wir eine hohe Nachfrage nach FFP2 bzw. FFP3 Masken von unseren Kunden für ihre Werke in China. Obwohl der Markt plötzlich leergefegt war, waren wir aber zunächst weiterhin lieferfähig, da wir und unsere Stammlieferanten über einen entsprechenden Lagerbestand verfügten. Nachdem in China die dort produzierten Masken im eigenen Land benötigt wurden, beschafften wir unsere Artikel in Europa und lieferten diese nach China.

Wie gestaltete sich die neue Produktauswahl rund um Atemschutzmasken?
Bis Mitte Februar konnten wir unsere Kunden mit FFP-Masken beliefern. Danach war unser Lager ausverkauft und sowohl in der EU als auch in China gab es keine Warenangebote mehr. Zusätzlich gab es immer mehr Handelsbeschränkungen, die teilweise bis heute Bestand haben. Am 16. März eröffneten sich für uns mit der Empfehlung 2020/403 der EU-Kommission wieder neue Beschaffungswege, denn nun war es möglich, auch nicht CE-zertifizierte Ware einzuführen. Die Empfehlung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) am 30. März ordnete schließlich die verschiedenen Maskenausprägungen dem jeweiligen Anwendungsbereich zu. Für die meisten Industriebetriebe waren ab diesem Zeitpunkt auch offiziell die nichtmedizinischen Mund-Nasen-Masken (MNM) bzw. Textilmasken ausreichend, was sich auch in geänderten Anfragen unserer Kunden widerspiegelte. Dadurch wurden wieder FFP-Masken frei, die für Medizin und Pflege dringend benötigt wurden.
Zusammen mit unseren chinesischen Kollegen bildete das Produktmanagement eine interne Corona-Task Force, die sich intensiv mit Mund-Nasen-Masken beschäftigte und in kurzer Zeit ein großes Wissen hierzu aufbaute, das uns bei der weiteren Produktauswahl helfen sollte. Jeder wurde ein Experte auf seinem Gebiet – sei es für Zertifikate, die Auditierung der Lieferanten, die Qualität der Produkte, die Abwicklung der Lieferungen aus China oder für die wechselnden Bestimmungen und Empfehlungen von Bund und Ländern. Innerhalb dieser Task Force konnten wir nun Lieferanten definieren, die uns langfristig mit Mund-Nasen-Masken beliefern können, die nach chinesischer Norm zertifiziert sind und den Empfehlungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) entsprechen. Außergewöhnlich war im Übrigen die Abwicklung unserer ersten Maskenbestellung. Um einen Produktionsslot für drei Millionen Mund-Nasen-Masken zu erhalten, musste unsere Niederlassung in Taicang vor Ort per Vorkasse zahlen, was für uns auch in China unüblich ist.

Mit welchen Problemen sahen Sie sich bei der Zollabwicklung bzw. Lieferung konfrontiert?
Die Zollabwicklung stellte durch die Unterstützung unserer chinesischen Kollegen, des Engagements der Einkaufsabteilung und unseres Export- und Zollbeauftragten kein großes Problem dar. Trotzdem musste ab und zu auch improvisiert werden. Geänderte Zollkontrollen führten beispielsweise dazu, dass wir Ware umpacken bzw. nachetikettieren mussten. Teilweise wurden Warenlieferungen sogar geteilt, um sie schneller versenden zu können. Ebenso mussten Aufträge priorisiert werden. Improvisation war ohnehin in vielen Situationen gefragt und eine gute Zusammenarbeit im Team sowie interdisziplinär mit Dienstleistern und Lieferanten war und ist wichtiger denn je, um agil zu bleiben. Eine Mammutaufgabe lag etwa darin, die Ware von China nach Deutschland zu verfrachten. Zum einen waren viele Flughäfen in China nicht mehr aktiv, zum anderen explodierten die Flugkosten – sie haben sich in kürzester Zeit vervierfacht. Mittelfristig visieren wir die Lieferung per Schiff bzw. Bahn an.

Auch der Vertrieb musste sich ja plötzlich mit einem neuen Produktportfolio beschäftigen, um die Beratungsqualität aufrecht zu erhalten. Wie bereiteten Sie die Mitarbeiter darauf vor?
Schulungen fanden ausschließlich per Videokonferenz statt. Zudem informieren wir in einem wöchentlichen Newsletter über unsere Produkte und den aktuellen Stand der Verfügbarkeiten. Trotz der anfangs ungeklärten Liefersituation war unser Vertrieb immer aktiv und erfasste entsprechend viele Aufträge. Mit Eintreffen der ersten Lieferung waren prompt alle Artikel ausverkauft. Liefermengen mussten deshalb kurzfristig zugeteilt werden und nicht alle Kunden erhielten eine komplette Warenlieferung. Zudem zeigte unser Vertrieb große Initiative, als der Fokus nicht nur auf Industriebetriebe gerichtet wurde, sondern auch unsere Lieferanten angesprochen wurden, um dort die Ausstattung mit Mund-Nasen-Masken und Desinfektionsmittel sicherzustellen. Das war eine Win-win-Situation, denn, konnten unsere Lieferanten unter entsprechenden Schutzvorkehrungen weiter produzieren, war auch unsere Warenbeschaffung gesichert. Mittlerweile können wir konstant alle Aufträge bedienen.

Lassen Sie uns von Ihren Erfahrungen in den letzten Monaten profitieren: Worauf sollten Unternehmen bei der Beschaffung von Masken achten und welche Produkte bietet Keller & Kalmbach in diesem Zusammenhang an?
Grundsätzlich sollten Unternehmen der Empfehlung von Bund und Ländern auf den Verzicht von medizinischen Produkten Folge leisten, denn eine persönliche Schutzausrüstung wird vor allem im medizinischen Bereich benötigt. Für alle weiteren Bedarfe reichen Mund-Nasen-Masken und Textilmasken aus. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Beurteilung von Zertifizierungen schwierig ist. Produkte werden oftmals mit falschen Bezeichnungen gekennzeichnet und enthalten vermeintliche Zertifikate, die wertlos sind. Halbmasken, wie beispielweise eine KN95, sollten immer über eine Stempelung mit Angabe zu Hersteller, Typ und Norm versehen sein. Einer Stempelung mit Angabe von zwei Typen bzw. zwei Normen sollte man grundsätzlich mit Vorsicht begegnen. Zu diesem Thema gibt es ja inzwischen eine
Menge Berichte in den Medien. Selbst staatliche Stellen mussten feststellen, dass die gelieferte Ware nicht den Anforderungen entsprach. Mittlerweile gibt es bei den zuständigen Behörden Übersichten über bedenkliche Prüfinstitute und deren Zertifikate. Allgemein gilt: Zertifikate bzw. Prüfberichte müssen von berechtigten Prüfstellen ausgestellt und einem Artikel bzw. Hersteller klar zugeordnet werden können. Außerdem muss eine ausreichende Kennzeichnung des Produkts vorhanden sein. Wenn dies beachtet wird, ist es auch möglich nach ausländischen Normen einzukaufen, da beispielsweise in China vergleichbare Standards wie in Europa etabliert sind. Eine Übersicht der berechtigten Prüfstellen in China und Europa liegt uns vor. Gerne beraten wir unsere Kunden bei Fragen hierzu, denn eine Produktqualität lässt sich nur anhand von Prüfberichten festmachen. Dementsprechend bieten wir zwei zertifizierte und geprüfte Mund-Nasen-Masken nach chinesischer Norm GB/T 32610-2016 (Mund-Nasen-Maske/OP-Maske) und GB 2626-2006 (filtrierende Halbmaske KN95) an. Mein Tipp: Wenn ein Produkt zweimal zertifiziert ist, sollten Sie wachsam sein.

Welches Resümee ziehen Sie aus der letzten Zeit – geprägt durch das Coronavirus?
Wir sind es als Familienunternehmen mit flachen Hierarchien gewohnt, kurze Wege zu gehen und schnelle Entscheidungen zu treffen. Aber die letzten Wochen und Monate haben uns gezwungen, wie ein Startup zu denken, und mit einer Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit zu agieren, die in unserer bisherigen Unternehmensgeschichte einzigartig ist. Gleichzeitig wollten wir aber unsere Prozesse einhalten und für unsere Kunden die gewohnte Qualität liefern. Hier zeigt sich, wie wertvoll die Erfahrung als Handelshaus ist. Es muss nicht jeder Prozess neu implementiert werden und wir können uns auf die Expertise unserer Mitarbeiter verlassen. Jeder, der sich in ein neues Wissensgebiet einarbeitet, weiß, dass Zeit ein wichtiger Faktor ist – die fehlte uns aber gänzlich. Da kam uns die interdisziplinäre und agile Aufstellung des Produktmanagements entgegen. Besonders vor dem Hintergrund der Kurzarbeit und sehr hohem Homeoffice-Anteil hat dies hervorragend funktioniert. Ich bin sehr stolz, dass wir gute Wege gefunden haben, um in dieser herausfordernden Zeit unsere Kunden optimal zu versorgen. Das konnten wir nur durch das enorme Engagement aller Beteiligten erreichen. Es hat sich zudem gelohnt, dass wir uns akribisch mit Normen und Zertifikaten beschäftigt haben. Wir haben in dieser Zeit also viel Erfahrung gesammelt, von der wir auch in Zukunft profitieren werden.

Was möchten Sie den Lesern dieses Interviews noch mit auf den Weg geben?
Nutzen Sie den großen Wissens- und Erfahrungsschatz, den wir uns aufgebaut haben. Wir helfen gerne dabei, die richtigen Produkte auszuwählen, um ihren Betrieb am Laufen zu halten. Und vertrauen Sie darauf, dass wir diese Krise alle gemeinsam meistern werden, wenn wir partnerschaftlich zusammenarbeiten und Resilienz beweisen. Bitte beachten Sie zudem, dass es essenziell ist, dass Mindestabstände und Hygienemaßnahmen weiterhin aufrechterhalten werden, um die Übertragung von Krankheitserregern zu reduzieren. Mund-Nasen-Masken und Desinfektionsmittel können nur unterstützend helfen. Ich empfehle bei der Produktauswahl aber unbedingt, sich Zeit dafür zu nehmen und sich gut mit dem Thema zu beschäftigen. Langfristig lohnt sich das enorm.

Über die Keller & Kalmbach GmbH

Keller & Kalmbach, 1878 in München gegründet, gehört zu den führenden Großhandelsunternehmen für Verbindungselemente und Befestigungstechnik, Sonder- und Zeichnungsteile, Hebetechnik sowie weitere C-Artikel für Produktion und Instandhaltung. Der Spezialist für C-Teile-Management sorgt mit seinen innovativen Logistikkonzepten und der Plattform eLogistics für maßgeschneiderte Lösungen bei Kunden aus der Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Bahnindustrie und der Land- und Baumaschinenindustrie. Das Familienunternehmen erzielte im Geschäftsjahr 2019 mit 900 Mitarbeitern einen Umsatz von 320 Mio. Euro und genießt in der Branche einen hervorragenden Ruf als kompetenter Lieferant, Dienstleister und Partner.

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