Familie & Kind

Bundesregierung muss gegen soziale Ungleichheit vorgehen – in Europa und weltweit

Um eine dauerhafte Spaltung Europas infolge der Corona-Pandemie zu verhindern, muss die Bundesregierung während ihrer EU-Ratspräsidentschaft gegen die Ursachen sozialer Ungleichheit vorgehen. Hierfür braucht es eine sozial-ökologische Kehrtwende auf zentralen Politikfeldern. Das fordert die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam im Vorfeld der morgigen Sitzung des Bundeskabinettes, auf der diese ihr EU-Programm beschließen will. In einem aktuellen Positionspapier beschreibt Oxfam, was die Bundesregierung tun muss, um Europa und die Welt gerechter und solidarischer zu machen.

Die Corona-Krise zeigt wie unter einem Brennglas die dramatischen Folgen sozialer Ungleichheit, innerhalb von Gesellschaften wie auch zwischen Ländern. In ihrer Regierungserklärung hatte Bundeskanzlerin Merkel vergangene Woche vor einer dauerhaften wirtschaftlichen Spaltung Europas gewarnt. Tatsächlich gibt es diese Spaltung seit Jahren. In Europa offenbart die Pandemie die katastrophalen Folgen der Sparpolitik, die viele Länder im Nachgang der Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren zu erleiden hatten. Diese untergrub die Finanzierung öffentlicher Gesundheitssysteme und machte viele Fortschritte bei der sozialen Sicherheit zunichte. Deshalb braucht es jetzt eine politische Kehrtwende.

Solidarisch finanzieren, gerecht gestalten

Für den Wiederaufbau Europas hat die EU das 750 Milliarden Euro schwere Programm „Next Generation EU“ aufgelegt. Die Bundesregierung muss während ihrer Ratspräsidentschaft dafür sorgen, dass dieses nicht durch Sparmaßnahmen oder höhere Umsatzsteuern finanziert wird, die vor allem arme Menschen belasten, sondern durch eine gerechtere Besteuerung reicher Einzelpersonen und der profitabelsten Unternehmen. Zudem muss Europa die Milliarden nutzen, um öffentliche Systeme für Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit zu stärken und die Wirtschaft sozial und ökologisch umzubauen.

„Unternehmen, die Europa mit Steuergeld unterstützt, müssen ihre Geschäfte klimafreundlich gestalten, ihren Beschäftigten existenzsichernde Löhne zahlen und dürfen ihre Gewinne nicht in Steueroasen verschieben. Außerdem müssen sie dafür sorgen, dass auch in ihren oft globalen Lieferketten soziale und ökologische Standards eingehalten werden“, fordert Tobias Hauschild, Teamleiter Soziale Gerechtigkeit bei Oxfam Deutschland.  

40 Milliarden aus Finanztransaktionssteuer, um weltweit alle Kinder zur Schule zu schicken

Die EU darf sich zudem nicht darauf beschränken, die Folgen der Pandemie in Europa zu bekämpfen, denn die Auswirkungen im Globalen Süden sind dramatisch. Die UN beziffern den Finanzbedarf auf 2,5 Billionen US-Dollar. 500 Milliarden davon sollen reiche Länder wie Deutschland durch eine Erhöhung ihrer Entwicklungsetats bereitstellen. Gemessen an ihrem Anteil am weltweiten Bruttonationaleinkommen (BNE), müssten die Staaten der EU Oxfam-Berechnungen zufolge rund 111 Milliarden US-Dollar beitragen, Deutschland alleine 27 Milliarden Dollar. Die nun im Mehrjährigen Finanzrahmen auf EU-Ebene zusätzlich bereitgestellten Finanzmittel in Höhe von 15 Milliarden Euro können daher nur ein Anfang sein.

Die Mittel müssen vor allem in die ärmsten und die am stärksten von der Corona-Krise betroffenen Länder fließen, damit diese ihre öffentlichen Bildungs-, Gesundheits- und sozialen Sicherungssysteme stärken, Ernährungssouveränität schaffen, betroffenen Menschen Bargeldzuschüsse gewähren und gefährdete Kleinunternehmen retten können. Eine Finanzierungsquelle könnte eine umfassende Finanztransaktionssteuer sein. Mit den zu erwartenden Einnahmen von 40 Milliarden Euro ließe sich allen Kindern weltweit eine Grund- und Sekundarbildung ermöglichen.

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