Dieselgate 2.0: Dr. Stoll & Sauer erstreitet erstes Urteil zum Motor EA 288
Chancen gegen VW vor Gericht zu gewinnen sind enorm gestiegen
Die Rechtsprechung hat sich im Fall Volkswagen seit Beginn des Diesel-Abgasskandals 2015 erheblich zugunsten der Verbraucher gedreht. Am 25. Mai 2020 verurteilte der Bundesgerichtshof VW erstmals in letzter Instanz wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung (Az.: VI ZR 252/19). Die Chancen, sich gegen den VW-Konzern vor Gericht durchzusetzen, steigen auch im Hinblick auf die neue Motorengeneration – beispielsweise den EA 288. Am Europäischen Gerichtshof EuGH in Luxemburg sind am 30. April 2020 in einem Gutachten temperaturabhängige Abschalteinrichtungen als unzulässig eingestuft worden. Und im EA 288 ist unter anderem ein sogenanntes Thermofenster verbaut. Das hat VW bereits am Landgericht Duisburg zugegeben. Daher geht die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer davon aus, dass betroffene Verbraucher erneut geschädigt worden sind und rät zur anwaltlichen Beratung. Im kostenfreien Online-Check der Kanzlei lässt sich der richtige Weg aus dem Diesel-Abgasskandal herausfinden.
Kanzlei Dr. Stoll & Sauer erstreitet Urteil am Landgericht Offenburg
Im vorliegenden Fall sah das Landgericht Offenburg die vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung des Verbrauchers als erwiesen an. Der streitgegenständliche Audi A3 2.0 TDI Quattro Euro muss zurückgenommen und im Gegenzug müssen 40.259,22 Euro nebst Zinsen bezahlt werden. Eine Nutzungsentschädigung von 12.229,78 Euro wird angerechnet, da durch die Benutzung des Fahrzeugs ein Vorteil entstanden ist. Das von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer erstrittene Urteil hat folgende wichtige Eckpunkte:
– Der Kläger leaste am 8. Dezember 2015 von der Volkswagen Leasing GmbH einen Audi A3 2.0 TDI Quattro. Der Kläger erklärte mit anwaltlichem Schreiben vom 26. September 2017 aufgrund arglistiger Täuschung den Rücktritt vom Vertrag. Er vermutete mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen in dem Fahrzeug, die das Abgaskontrollsystem manipulieren.
– Das Gericht verurteilte Audi wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB. Für das Gericht galt als sicher, dass das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Im normalen Verkehr unterbleibt damit die Schadstoffminderung. Ein Fahrzeug ist nicht frei von Sachmängeln, wenn es eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG enthält.
– Das Gericht kritisiert das Prozessverhalten von Audi als "Leugnen". Die sogenannte Teststandserkennung oder Prüfstandserkennung in dem Audi, in der die EU-Grenzwerte für Stickoxide eingehalten werden, hat Audi am Anfang des Verfahrens nicht eingeräumt, sondern den Vorwurf nur als "unzutreffend" bezeichnet. Daraufhin wollte das Gericht Beweise erheben. In neuer Gerichtsbesetzung und nach schriftlichem Nachfragen wurde der Einbau einer als "Umschaltlogik" bezeichnete Abschalteinrichtung verneint. Eine Teststandserkennung räumte Audi dann nach erneutem Nachfragen mit dem Hinweis ein, dass zum Normalbetrieb auf der Straße jedoch kein Unterschied bestehe. Beim nächsten schriftlichen Nachfassen und der Frage des Gerichts, wozu es dann eine solche Erkennung gebe, tat Audi dann so, als ob es selbstverständlich sei, dass der Teststandsbetrieb auch Auswirkungen auf den Katalysator und somit die Abgaskontrolle habe.
– Das Gericht bezog sich in seinem Urteil explizit auf das Gutachten der Generalanwältin am EuGH, Eleanor Sharpston. Die hatte am 30. April 2020 in einem VW-Verfahren temperaturabhängige Abgaskontrollsysteme, wie ein Thermofenster eines darstellt, als unzulässig bezeichnet (Az. C 693/18). Die Vorschriften, so Sharpston, seien sehr eng auszulegen. Auch der Offenburger Richter schloss sich dieser Ansicht an.
– Zum Schutz des Motors ist laut Sharpston zwar eine Abschalteinrichtung durchaus zulässig. Dabei erfasst diese Ausnahme nach Ansicht der Generalanwältin nur den Schutz des Motors vor dem Eintreten von unmittelbaren und plötzlichen Schäden (und nicht vor langfristigeren Auswirkungen wie Abnutzung oder Wertverlust). Die Generalanwältin ist der Ansicht, "dass nur unmittelbare Beschädigungsrisiken, die die Zuverlässigkeit des Motors beeinträchtigen und eine konkrete Gefahr bei der Lenkung des Fahrzeugs darstellen, das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung rechtfertigen können." Aus Sicht der Generalanwältin rechtfertigt das Ziel, den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verzögern, nicht den Einsatz einer Abschalteinrichtung. Gerade damit haben die meisten Hersteller bisher vor Gericht argumentiert. Dieser Begründung dürfte nun ein Riegel vorgeschoben werden. In Offenburg folgte der Richter den Argumenten aus Luxemburg.
– Dass kein Rückruf vom Kraftfahrt-Bundesamt bisher gegen den EA 288 vorliegt, war für den Richter unmaßgeblich. Dafür könne es viele Gründe geben – wie etwa "politischen Einfluss".
– Für das Landgericht Offenburg ist der Schaden für den Kläger durch das Zustandekommen des Leasingvertrags eingetreten. Zum einen wollte er ein solches mangelhaftes Fahrzeug nicht. Zum anderen besteht durch die Abschalteinrichtung für den Halter immer die Gefahr, dass eine Behörde das Fahrzeug stilllegen lässt.
– Das Gericht entschied sich für eine Nutzungsentschädigung und gegen Zinszahlungen ab dem Kaufdatum. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Was bisher alles rund um den EA 288 geschah
1. Der EA 288 (EA steht übrigens für Entwicklungsauftrag) ist ein Dieselmotor von VW mit drei oder vier Zylindern. Es ist der Nachfolger des EA 189, der den Diesel-Abgasskandal ins Rollen brachte. Er wird mit einem Hubraum von 1422, 1598 und 1968 ccm sowie einer Leistung zwischen 55 und 176 kW verbaut. Seit 2012 wird er in Diesel-Fahrzeugen des VW-Konzerns verwendet.
2. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig durchsuchte am 3. Dezember 2019 bei einer Razzia Geschäftsräume der Volkswagen AG in Wolfsburg. Hintergrund waren Ermittlungen, die sich auf Dieselfahrzeuge mit Motoren des Typs EA 288 Ermittlungsergebnisse sind bis heute der Öffentlichkeit nicht bekannt gegeben worden.
3. Die Anschuldigungen gegen die neue Motorengeneration von VW sind nicht neu. Bereits 2015 wurde bekannt, dass VW in den USA den EA 288 mit einer Abschalteinrichtung ähnlich dem des Vorgänger-Diesels EA 189 in den Verkauf gebracht haben soll. Am 15. Oktober 2015 bestritt VW, dass noch andere Motoren als die Baureihen EA 189 manipuliert worden waren. Sieben Tage später dann das Eingeständnis, dass in den USA auch die Baureihe EA 288 betroffen war. Die Abschalteinrichtungen sollen nach VW-Angaben nach der Umstellung der Motorengeneration auf Euro 6 in den USA und auch in Europa entfernt worden sein.
– Derzeit versucht VW, Kunden zu einem Software-Update zu bewegen. Betroffen sind Fahrzeuge wie der Golf VII, der mit dem Motor-Typ EA 288 ausgerüstet ist. VW schreibt die Verbraucher an und erklärt ihnen im Rückruf mit der Aktionsnummer 23×4, dass es "infolge eines thermischen Alterungsprozesses des NOx-Speicherkatalysators zu einer verminderten Katalysator-Aktivität" kommen kann und dadurch die Abgaswerte ansteigen. Nach dem Update verspricht VW einen reduzierten Schadstoffausstoß. Das Kraftfahrt-Bundesamt KBA hat das Update genehmigt – mehr dazu hier. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer rät Verbrauchern davon ab, das Update aufspielen zu lassen. Schon beim EA 189 hatte das Update unliebsame Auswirkungen auf das Fahrzeug wie einen höheren Spritverbrauch.
– Das Landgericht Wuppertal ( 2 O 273/18) erklärte im Frühjahr 2019 in einem Fall, in dem der Besitzer eines VW Golf VII mit einem Dieselmotor EA 288 geklagt hatte, diesen Motorentyp zum Prüffall. Das Gericht erließ einen Beweisbeschluss. Gutachter schauen sich jetzt den Motor und sein Abgaskontrollsystem genauer an.
– Das Landgericht Duisburg hat in einem bisher unveröffentlichten Urteil die Abschalteinrichtung in einem VW Golf 7 als illegal eingestuft. Und der Autobauer hat den Einbau nach einem Bericht des Südwestrundfunks SWR in der Verhandlung bereits Ende 2018 zugegeben, hält ihn aber für legal. Zudem räumte VW ein, dass das Fahrzeug erkennen könne, ob es sich gerade auf einem Prüfstand befindet. Dass die Chancen für die Verbraucher gutstehen, ihr Recht gegen VW auch beim EA 288 durchzusetzen, zeigt das Beispiel Daimler AG. Die Autobauer aus Stuttgart verbauen – ähnlich wie auch VW beim EA 288 – unter anderem Thermofenster in ihren Motoren. Die funktionieren als Abschalteinrichtung. Die Gerichte verurteilen derzeit Daimler zur Zahlung von Schadensersatz an die Verbraucher – mehr dazu hier.
Betroffene Fahrzeuge mit EA288-Motoren
In welchen Fahrzeugen verbaute die Volkswagen AG und ihre Töchterunternehmen den umstrittenen EA 288-Motor? Hier ein Überblick:
Audi-Modelle
- Audi A1 8X
- Audi A3 8V
- Audi A4 B8
- Audi A4 B9
- Audi A5 F5
- Audi A6 C7
- Audi Q2 GA
VW-Modelle
- VW Amarok
- VW Arteon
- VW Beetle
- VW Caddy
- VW CC
- VW Crafter
- VW Golf VII
- VW Golf Sportsvan
- VW Jetta VI
- VW Passat B8
- VW Polo V
- VW Polo VI
- VW Scirocco III
- VW Sharan II
- VW Tiguan
- VW Tiguan II
- VW Touran II
- VW T-Roc
- VW T6 (California)
Seat-Modelle
- Seat Alhambra II
- Seat Arona
- Seat Ateca
- Seat Ibiza
- Seat Leon III
- Seat Tarraco
- Seat Toledo IV
Skoda-Modelle
- Skoda Fabia III
- Skoda Karoq
- Skoda Kodiaq
- Skoda Kodiaq RS
- Skoda Octavia III
- Skoda Rapid
- Skoda Superb III
Für die Dr. Stoll & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH sind 14 Rechtsanwälte auf dem Gebiet des Bankrechts, des Kapitalmarkrechts und hiermit eng verknüpfter Rechtsgebiete tätig. Diese Spezialisierung wird auch durch Fachanwaltschaften dokumentiert. Kanzleigründer und Geschäftsführer Dr. Ralf Stoll sowie weitere Rechtsanwälte sind Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht. Geschäftsführer und Rechtsanwalt Ralph Sauer ist als Insolvenzverwalter sowie Treuhänder tätig und ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Die Kanzlei wird auch von Diplomvolkswirt und Steuerberater Alfred Himmelsbach beratend unterstützt, welcher über langjährige Erfahrung in der Beratung von mittelständischen Betrieben und Weltkonzernen verfügt.
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