Erbschaften reduzieren Vermögensunterschiede
Die Deutschen vererben schätzungsweise jährlich bis zu 400 Milliarden Euro – Tendenz steigend. Dabei müssen Erbschaften und Schenkungen bis zu einem bestimmten Freibetrag nicht versteuert werden, sie tauchen in der amtlichen Statistik nicht auf. Der Staat will damit Fällen gerecht werden, in denen Verwandte auf Erbschaften finanziell angewiesen sind, etwa wenn ein Haus an den Ehepartner des Verstorbenen übergeht. Kritiker monieren allerdings, dass die steuerliche Begünstigung die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinanderklaffen lässt, weil allein Vermögende durch Erbschaften reicher werden. Das ist jedoch ein Trugschluss, zeigt eine neue IW-Studie: Demnach gleichen Erbschaften Vermögensunterschiede in der Gesellschaft an.
Vermögen wandert von wenigen zu vielen
Das liegt vor allem an der Demografie: Häufig vererben wenige alte Menschen ihr Vermögen an mehrere Jüngere. Stirbt beispielsweise ein Großvater, erbt – im einfachen Fall des Berliner Testaments – zunächst seine Frau sein Vermögen. Das können sowohl Bargeld, Bankguthaben und Aktien sein, aber auch Häuser, Autos und Grundstücke. Nach dem Tod der Großmutter fällt das Vermögen ihren Kindern und Enkeln zu, es verteilt sich also auf mehrere Haushalte. Obwohl die Deutschen in den vergangenen Jahren immer mehr geerbt haben, hat sich das Niveau der Vermögensungleichheit in Deutschland seit den 2000er Jahren nicht erhöht. Das zeigt der sogenannte Gini-Koeffizient, der beschreibt, wie gleich oder ungleich Vermögen verteilt sind. Ein Wert von 0 bedeutet, dass alle Deutschen gleich viel besitzen, ein höherer Wert steht für eine größere Ungleichheit. In Deutschland schwankt der Gini-Koeffizient der Nettovermögen der Haushalte, also der Vermögen abzüglich Schulden, in den Jahren 2010 bis 2017 zwischen 0,76 und 0,74 Punkten. Damit sind Vermögen im Vergleich zu Einkommen relativ ungleich verteilt. Das ist aber nicht ungewöhnlich, denn die Vermögensungleichheit fällt in anderen europäischen Ländern mit vergleichbaren wohlfahrtsstaatlichen Institutionen ähnlich aus.
Nicht nur Reiche erben
Auch wenn Erbschaften und Vermögen allein betrachtet hierzulande relativ ungleich verteilt sind, so ergeben beide Verteilungen zusammengenommen ein gleichmäßigeres Verhältnis. Der Gini-Koeffizient reduziert sich durch Erbschaften im Jahr 2014 von 0,78 auf 0,76 Punkte. Was nach wenig klingt, bewirkt tatsächlich eine spürbare Veränderung in der Gesellschaft – die Ungleichheit nimmt ab. Ein weiterer Grund: In Deutschland erben längst nicht nur Reiche, sondern auch Familien mit keinem oder nur geringen Vermögen. Insgesamt sorgen Erbschaften dafür, dass sich die Vermögenskonzentration angleicht. "Diesen Effekt beobachten wir nicht nur in Deutschland", sagt Studienautor Maximilian Stockhausen. "Auch in anderen europäischen Ländern wie Österreich, Portugal oder Frankreich sorgen Erbschaften für eine gleichmäßigere Verteilung der Vermögen."
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