Ohne Thermokammer: Fraunhofer LBF prüft Kunststoffe dynamisch auch bei tiefen Temperaturen
Mit der neuen Vorrichtung können die Forschenden des Fraunhofer LBF an der dynamischen Prüfmaschine, dem Schnellzerreißer, Kunststoffe auch bei Temperaturen unterhalb Raumtemperatur prüfen. Darüber hinaus messen sie die Dehnung optisch mit DIC/GSC (Digital Image Correlation/Greyscale Correlation) und ermitteln somit auf der Probe ein 2D-Dehnungsfeld, aus dem die Längs- und Querdehnungen abgeleitet werden. Die tiefen Temperaturen erzeugt das Forscherteam mit durch flüssigen Stickstoff gekühlter Druckluft, wobei die Probe im Strom dieser Luft steht. Eine Thermokamera überwacht die Temperatur flächig, und die Messung startet das Team, sobald die gewünschte Temperatur erreicht ist. Vorteil der Mischung aus Druckluft und Stickstoff ist, dass die Druckluft trocken ist und sich nur wenige Eiskristalle auf der Probenoberfläche bilden. Zudem sorgt die Gasmischung aus dem Kältespeicher für eine konstantere Temperatur des Luftstroms als bei einer direkten Stickstoffbeaufschlagung.
Vom Granulatsack bis zur Materialkarte alles in einer Hand
Die am Fraunhofer LBF entwickelte Kühlvorrichtung besteht aus einem Regler- und Schaltelement, einem Kältespeicher, einem Stickstofftank und einer Zuleitung zur Probe. Der Verzicht auf eine Thermokammer bietet den Vorteil, dass sich zwischen Kamera und Probe keine Scheibe befindet, die anlaufen oder einfrieren kann oder bei einer Scheibenheizung Luftwirbel bildet. Dies kommt nicht nur der DIC und somit den Ergebnissen zugute, sondern ermöglicht auch eine flexible Prüfung von unterschiedlichen Bauteilgrößen und verschiedenen Lastarten. Die Kühleinheit haben die Forschenden erfolgreich in Betrieb genommen.
Mit der neuen Kühlvorrichtung komplettiert das Fraunhofer LBF sein Angebot an Prüfungen im anwendungsrelevanten Temperaturbereich. In diesem Spektrum können nicht nur die Prüfungen selbst durchgeführt werden, es ist auch möglich, die am Institut vorhandene Erfahrung zu nutzen, um den gesamten Prozess von der Anlieferung eines Granulatsackes bis zur validierten Materialkarte aus einer Hand zu realisieren. Somit sind die Verarbeitungs- und Prüfbedingungen genauestens bekannt. Vorzugsweise stellt das LBF-Wissenschaftlerteam aus dem gelieferten Granulat Platten her, aus denen sie anschließend verschiedene Probekörper unter beliebigen Winkeln fräsen. Aus den gewonnenen Daten werden Materialkarten erstellt. Zur Validierung und Untersuchung von Morphologieeinflüssen steht ein Mikrocomputertomograph zur Verfügung, um Faserorientierungen zu ermitteln.
Mit diesen Untersuchungen unterstützt das Darmstädter Institut zahlreiche Branchen bei der Auslegung anwendungssicherer Bauteile aus Kunststoff. Dazu zählen beispielsweise die Automobilindustrie, Automobilzulieferer, Luft- und Raumfahrtindustrie sowie Rohstoffhersteller bis zu Consumerprodukten wie Sportartikel, Gartengeräte oder elektrische Handwerkzeuge für den Profi oder den Hobbyanwender.
Das Fraunhofer LBF in Darmstadt steht seit über 80 Jahren für Sicherheit und Zuverlässigkeit von Leichtbaustrukturen. Mit seinen Kompetenzen auf den Gebieten Betriebsfestigkeit, Systemzuverlässigkeit, Schwingungstechnik und Polymertechnik bietet das Institut heute Lösungen für drei der wichtigsten Querschnittsthemen der Zukunft: Systemleichtbau, Funktionsintegration und cyberphysische maschinenbauliche Systeme. Im Fokus stehen dabei Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen wie Ressourceneffizienz und Emissionsreduktion sowie Future Mobility, wie die Elektromobilität und das autonome, vernetzte Fahren. Umfassende Kompetenzen von der Datenerfassung realen betrieblichen Feldeinsatz über die Datenanalyse und die Dateninterpretation bis hin zur Ableitung von konkreten Maßnahmen zur Auslegung und Verbesserung von Material-, Bauteil- und Systemeigenschaften bilden dafür die Grundlage. Die Auftraggeber kommen u.a. aus dem Automobil- und Nutzfahrzeugbau, der Schienenverkehrstechnik, dem Schiffbau, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik, der Elektrotechnik, der Medizintechnik sowie der chemischen Industrie. Sie profitieren von ausgewiesener Expertise der gut 400 Mitarbeiter und modernster Technologie auf mehr als 17 900 Quadratmetern Labor- und Versuchsfläche.
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