Wo steht die Weltwirtschaft Ende 2021? NN IP entwickelt zwei Szenarien
- Der jüngste Anstieg der Corona-Fälle führt den Märkten vor Augen, dass die Pandemie längst nicht überwunden ist
- Zwei NN IP-Konjunkturszenarien beschreiben die positiven und negativen Grenzbereiche der globalen ökonomischen Tendenzen bis Ende 2021
- Sieben unbekannte Faktoren könnten das Ergebnis in die eine oder die andere Richtung beeinflussen
Die neue Welle von Corona-Fällen in den USA und China führte zu Korrekturen an den weltweiten Aktienmärkten und belastete das positive Umfeld der vergangenen zwei Monate. Der konjunkturelle Rückenwind ist zwar noch nicht gänzlich abgeflaut, doch das Gesamtbild ist uneinheitlich. NN Investment Partners (NN IP) hat zwei Konjunkturszenarien entwickelt, die die möglichen positiven und negativen Grenzbereiche der kommenden 18 Monate beschreiben.
Laut Marco Willner, Head of Investment Strategy bei NN Investment Partners, sollte sich die Zukunft irgendwo in der Mitte beider Szenarien abspielen. Sieben unbekannte Faktoren – zwei positive und fünf negative – könnten das Ergebnis beeinflussen.
„Diese Grenzszenarien gehen über die reine Vermutung hinaus, dass ‚alles gut‘ und ‚alles schlecht‘ endet“, so Willner. „Sie berücksichtigen die Abhängigkeiten zwischen den sieben unbekannten Faktoren, die möglicherweise die positiven und negativen Folgen hervorrufen, und helfen uns zu bewerten, welche Zusammenhänge tatsächlich plausibel sind. Daraus entstehen zwei Zukunftsprognosen.“
Im Positivszenario einer schnellen Erholung erweisen sich die jüngsten Konjunkturerholungen der Weltwirtschaft als nachhaltig. Entlassene Arbeitnehmer kehren früher als erwartet auf den Arbeitsmarkt zurück. Die Weltwirtschaft erlebt 2021 einen schnellen Aufschwung nach einer beispiellosen Schrumpfung im Jahr 2020. Im Herbst der Nordhalbkugel kommt es weltweit zu einer zweiten Welle der Pandemie, was aber nicht zu größeren Lockdowns führt. In den USA werden die Hilfsprogramme verlängert, und die Regierung setzt die Konjunkturprogramme nach Bedarf fort. In Europa schafft die Einrichtung des Wiederaufbaufonds Vertrauen, dass im Notfall Gelder bereitgestellt werden. Insgesamt sind die Renditen überall niedrig und die Aktienmärkte steigen trotz gelegentlicher Korrekturen.
Die beiden unbekannten Faktoren, die das Endergebnis zum Positiven wenden könnten, sind zum einen die geldpolitischen Anreize der Zentralbanken und zum anderen die Politik der Regierungen bezüglich Konjunktur- und Lockdown-Maßnahmen. Die Maßnahmen müssen jeweils nach Umfang, Zeitpunkt und Wirksamkeit bewertet werden.
Im Negativszenario eines weitgehenden Stillstands ist die Stabilisierung des Arbeitsmarkts enttäuschend, was zu frustrierten Verbrauchern und Kaufzurückhaltung führt. Branchen, die am stärksten von der Pandemie betroffen waren, gehen die Barmittel aus, und viele Unternehmen melden entweder Insolvenz an oder reduzieren ihre Aktivitäten deutlich. Es wird an der Effektivität der geld- und haushaltspolitischen Konjunkturprogramme ebenso gezweifelt wie auch daran, ob sie ihr Geld wert sind. Neue Hilfsprogramme bleiben hinter den Erwartungen zurück, was die Erholung noch schleppender und holpriger macht. In diesem Szenario bleiben die Zinsen für erstklassig bewertete Staatsanleihen niedrig, während die Spreads risikoreicherer Segmente steigen. Die Aktienmärkte erleben insgesamt eine Achterbahnfahrt und enden auf niedrigeren Niveaus.
Fünf negative Ereignisse könnten das Ergebnis in Richtung eines weitgehenden Stillstands lenken:
Erstens könnte die Pandemie in Form einer zweiten Welle zurückkehren. Aus Investorensicht wird ein Schlüsselfaktor sein, ob es in den führenden Wirtschaftsnationen wieder zu Lockdowns kommt.
Zweitens erhöht der Anstieg der Staats- und Unternehmensverschuldung die Wahrscheinlichkeit einer Schuldenkrise. Länder sind am anfälligsten, wenn sie die Kontrolle über ihre Geldpolitik verlieren und sie stark von ausländischen Investoren abhängig sind. Vorerst haben der geplante EU-Konjunkturfonds und die hohe Liquidität an den globalen Märkten die Investoren an beiden Fronten beruhigt.
Drittens könnte eine neue geopolitische Ordnung zu einer De-Globalisierung führen. Die Pandemie führte zu Grenzschließungen, einem Einbruch des internationalen Reiseverkehrs, einer Unterbrechung der globalen Lieferketten und zur Eskalation des amerikanisch-chinesischen Handelskonflikts. Es besteht das Risiko, dass der Handel sowie die Bewegungsfreiheit am Ende dieser Krise immer noch beeinträchtigt sein könnten.
Viertens geht es um die Frage, ob die Weltwirtschaft durch die gegenwärtige Erholung wieder zu dem Wachstumskurs der Vor-Corona-Zeit zurückkehrt oder ob es zu einem dauerhaften Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität kommt. Mögliche Wegbereiter dafür sind Konkurse, Langzeitarbeitslosigkeit und nachteilige Veränderungen im Verbraucherverhalten.
Das fünfte Risiko besteht darin, dass die Finanzmärkte wieder in den Krisenmodus von Mitte März fallen. Die damaligen Umstände zeigten, dass die Zentralbanken ausreichend Liquidität bereitstellen müssen, um jeden Zweifel der Investoren zu beseitigen. Sie müssen weiterhin bereit sein, dem Bankensektor zu helfen, sollte es zu mehr notleidenden Kredite kommen.
Die jüngsten Corona-Wellen in den USA und China zwangen die Märkte in einen „Risk-Off-Modus“. Die Marktstimmung in den kommenden Wochen wird wahrscheinlich von der Eindämmung der Pandemie und dem künftigen Verlauf der Wirtschaftserholung abhängen. Die Fiskal- und Geldpolitik wird weiterhin unterstützend wirken, auch wenn der Umfang neuer Impulse begrenzt ist.
„Das positive Umfeld der vergangenen zwei Monate ist nicht verschwunden, doch es ist komplexer geworden“, sagt Willner. „Wir beobachten die unbekannten Faktoren ständig und passen unseren Ausblick entsprechend an.“
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