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Die nicht wirklichen Eltern, die Träume der Annasibyll und eine Zeitreise ins Land der Pharaonen – 5 E-Books zum Sonderpreis

Mitunter gibt es im Leben Momente, in denen scheinbar unumstößliche Gewissheiten nicht mehr gültig sind. Was bedeutet das für diejenigen, die sich auf neue, völlig andere Umstände einstellen müssen? Und wie verkraften vor allem Kinder diese für sie neue Situation? Das ist das Thema des zweiten der insgesamt fünf Angebote, die wie immer eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 03.07.20 – Freitag, 10.07.20) zu haben sind. In „Eine Mutter im Himmel und eine auf der Erde“ erzählt Ingrid Möller von einem Mädchen, dass erfährt, dass es adoptiert wurde und dass seine vermeintlichen Eltern nicht seine wirklichen Eltern sind. Wie nimmt Doris diese Nachricht auf? Und was macht sie mit ihr?

Die gläserne Stadt“ lautet der Titel einer Reihe von Fantastischen Erzählungen von Klaus Möckel, die mehr mit der Gegenwart zu tun haben, als man vielleicht auf den ersten Blick ahnt.

Seine Geschichten von Mäxchen und Pauline, die in einer Patchwork-Familie leben, setzt Siegfried Maaß mit dem dritten Band „Im Glashaus“ fort.

In „Das Grab des Pharaos“ schickt Jan Flieger die Haifisch-Bande zum zweiten Mal auf eine Zeitreise. Ziel ist diesmal das Alte Ägypten.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Und da hat die Literatur schon immer ein gewichtiges Wort mitzureden und heute erst recht. In dieser Woche geht es um ein scheinbar weit entferntes Thema, das man aber auch sehr gegenwärtig lesen kann: Wie viel Risiko darf die Menschheit wagen, ohne ihr eigenes Überleben in Frage zu stellen? Welche Experimente sind erlaubt und welche nicht? Und wer entscheidet am Ende, was geschieht? Noch komplizierter als sie ohnehin schon ist, wird die Frage in dem heute zur Debatte stehenden Buch noch dadurch, dass niemand mit letzter Gewissheit sagen kann, wie der brisante Versuch ausgeht. Wie sollen sich die Menschen der Zukunft entscheiden? Und was können die Menschen der Gegenwart von den Ängsten und Hoffnungen ihrer Nachfahren lernen?

Erstmals 1990 veröffentlichte Alexander Kröger im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig seinen Utopischen Roman „Andere“. Dem E-Book liegt die Originalausgabe von 1990 zugrunde: Nahezu unversöhnlich stehen sich Maren Call und Ray Mentzig auf dem internationalen Kongress gegenüber. Sollen aus der Phiole mit den Zellkernen, die Wally 327 Esch aus dem Weltraum mitgebracht hat (siehe dazu „Souvenir vom Atair“ desselben Autors), eine neue Wesenheit, eine neue Population, also Andere entstehen oder nicht? Maren ist dagegen. Sie fürchtet, der Lebensraum Erde reiche nicht aus, eine Vermischung der Menschen mit den Anderen sei nicht auszuschließen und könne irreversible genetische Schäden bringen und womöglich die Menschheit dezimieren. Ray ist für die Entwicklung der Anderen auf dem Erdball mit Hilfe von Leihmüttern und dafür, sie später auf einem anderen Planeten anzusiedeln. Das ist der Ausgangspunkt dieses utopischen Romans von Alexander Kröger aus dem Jahr 1990. Er möchte damit auf die Verantwortung der Menschen für sich selbst aufmerksam machen, im weitesten Sinn davor warnen, sich durch Krieg, Umweltverschmutzung oder biologische Experimente zu schädigen oder gar zu vernichten. Schalten wir uns zunächst in eine der entscheidenden Diskussionen ein, in der jetzt die bereits erwähnte Maren Call an der Reihe ist:

„Der Schluss des Vorgelesenen ging dann auch in einem allgemeinen Gemurmel unter, der Tagungsleiter klappte das letzte Manuskriptblatt betont um, blickte über die Brille hinweg in den Saal und sagte mit erhobener Stimme, mit einer gewissen Schärfe auch im Ton: „Meine Damen und Herren, ich erteile nunmehr Maren nulleinundzwanzig Call, Vorsitzende der Ständigen Kommission Ökologie und Bioschutz, das Wort!“

Das Gebrummle im Raum flaute jäh ab, viele der Anwesenden veränderten ihre Sitzhaltung, deutliche Erwartung stand in den meisten Gesichtern.

Es erhob sich eine mittelgroße, nicht übermäßig schlanke und kaum sehr attraktiv erscheinende junge Frau und schritt selbstbewusst, mit tackenden Absätzen, verfolgt von zahlreichen Blicken, zum Rednerpult.

Ganz sicher hatte die Tagungsleitung den Beitrag der Call absichtlich auf diesen Zeitpunkt gelegt, gewiss, dass es ihr gelingen werde, die Aufmerksamkeit aller wiederzuerwecken, einen Höhepunkt zu setzen, wie schon oft.

Trotz ihrer erst dreißigjährigen Lebenserfahrung hatte Maren 021 Call ihren guten Stand und Namen im Gremium. Und wenn sie auch ab und an übers Ziel schoss, niemals argumentierte sie leichtfertig. Ihre Beiträge zeugten von hoher Verantwortung, und sie löste sich nie von der in ihrer Kommission erstrittenen Disposition. Allerdings verstand sie, diese dann mit Vehemenz, Spott manchmal und viel Emotionalität überzeugend vorzutragen. Ein Blatt vor den Mund nahm sie nicht, und das erwartete man auch heute bei dieser brisanten Thematik, zumal die konträre Ansicht der Ständigen Kommission zur allgemeinen, durch das Präsidium stimulierten Erwartungshaltung bekannt war.

Maren 021 Call nahm den Platz hinter dem Pult ein, sah einmal über die Köpfe hinweg und begann: „Freunde! Nach dem engagierten Plädoyer unseres verehrten Freundes Ray dreihundertdreiundvierzig Mentzig, das er im Namen des Zentralrates der Vereinten Fortschrittsbünde hier vorgetragen hat, fällt es mir natürlich nicht leicht, den Standpunkt meiner Kommission zu vertreten. Noch schwerer wird es sein zu überzeugen. Aber ich muss es, wir müssen es, wenn von diesem Planeten Erde — ja, so groß muss ich das sagen — Unheil abgehalten werden soll. Und ich behaupte gleich: Was die Bünde vorschlagen und durchsetzen wollen, ist in diesem Falle alles andere als Fortschritt!“

Im Saal erhoben sich Gemurmel und vereinzelt Beifall.

„Aber ich weiß natürlich …“, Maren Call ging mit der Stimme zurück, „… die Bünde können eine andere Meinung nicht vertreten, um so mehr sollten durch euch, werte Mitglieder des Rates, unsere Argumente geprüft und schließlich akzeptiert werden!

Kein wissender Mensch auf dieser Erde bleibt von dem Ereignis, Kontakt mit anderen vernünftigen Wesen dieses Kosmos zu haben, unberührt. Ja, ich stimme dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, ich stimme auch Ray Mentzig zu, ein Traum der Menschheit ist in Erfüllung gegangen!“

„Na also!“, rief jemand.

Maren Call ließ sich nicht beirren. „Generationen von Autoren wissenschaftlich-fantastischer Romane haben solche Ereignisse beschrieben, und die meisten haben wohl recht in ihrer Ansicht, dass ein solches Zusammentreffen zum gegenseitigen Nutzen gereicht. Ja, natürlich muss man auch davon ausgehen, dass eine Zivilisation, die interstellaren Entfernungen zu überbrücken, über Jahrtausende lebensfähige Keimzellen zu überliefern imstande ist, uns unschätzbare Entwicklungsimpulse verleihen könnte, in jeder Hinsicht vielleicht. Wir gehen davon aus, dass eine solche Begegnung nur freundlich verlaufen kann. Und die zwei Vertreter einer anderen Zivilisation, die gegenwärtig auf der Erde leben, stellen darin keine Ausnahme dar, nach allem, was wir von ihnen wissen.

Aber Freunde, die Konstellation ist doch eine völlig andere, als in der Fantasie vorausgeträumt! Es ist und es wird — nehmen wir den Vorschlag der Bünde an — doch niemals ein Kontakt, der von gleichwertigen, souveränen Basen ausgeht, der jederzeit gelöst, falls er nicht wie gewünscht verläuft, der auf gute Nachbarschaft oder Bekanntschaft begrenzt werden könnte, wenn die Seiten es wollten. Was hier vorgeschlagen wird und realisiert werden soll, wäre irreparabel! Wir müssten, sicher ein scheinbar verschmerzbarer Fakt, teilen — aber nicht im Sinne des stückweise Gebens — das vielleicht am Anfang —, sondern wir müssten überlassen zur souveränen Nutzung: Rohstoffe, Lebensräume und selbstverständlich Know-how. Und wir — die Menschen — müssten sich hüten, jemals wieder so etwas wie Teilung, Zuordnung, aus welchen Gründen auch immer, aufkommen zu lassen …“

„… schon etwas von Solidarität gehört?“ Ein Zwischenruf.

Maren ging darauf ein. „Das habe ich, mein Freund Kars! Und darauf komme ich noch zu sprechen. Was ich bisher an Bedenklichem, an Problembehaftetem vorgebracht habe, ist — vielleicht da und dort unter Schmerzen — lösbar. Niemand“, die Rednerin blickte herausfordernd in die Runde, „wird mir den Vorwurf machen wollen, ich sei krämerisch, egoistisch. Wir haben das Sonnensystem kaum erschlossen, die Ozeane liegen so gut wie brach, bieten unermessliche Reserven. Wir praktizieren noch längst nicht sparsamste Energie- und Materialkreisläufe. Es ließen sich gut und gern noch einige Milliarden Primaten auf dieser Erde oder in ihrem Umfeld ansiedeln …“

„Na also!“

„Das ist es also nicht. Es ließe sich auf diesem Gebiet das Miteinander-Auskommen vernünftig regeln, wenngleich unsere eigene Geschichte dem gründlich widerspricht.“

An dieser Stelle des Vortrags erinnerte die Sprecherin an Machtkämpfe der Menschen um Besitz an Territorien, Ressourcen und Profit, an Kriege, die erbarmungslos den Schwächeren vernichteten, unterjochten …

„Wir sehen die Gefahr in der Unterwanderung des Menschengeschlechts! Und wenn ich Unterwanderung sage, meine ich sie umfassend und aus mehreren Sichten: Erstens, eine intellektuelle Unterwanderung, eine Aggression des Geistes!

Die Expedition LUX hat ein Depot im Weltall aufgefunden, das nicht nur Dokumente der Exterraner enthielt, sondern deren Erbsubstanz in jener verhängnisvollen Phiole — ja, ich sage verhängnisvoll —, die der Kosmonaut Dirk zweihundertzwölf Sonen entfernt und mitgebracht hatte, die seine Gefährtin, Wally dreihundertsiebenundzwanzig Esch, am Ort der Raumschiffkatastrophe auf der Venus unrechtmäßigerweise an sich genommen und schließlich verantwortungslos — sieht man es nüchtern, bleibt dieser Fakt — daraus zwei Exterraner entstehen ließ. Zwei durchaus willkommene Gäste. Mehr sollten sie jedoch nicht sein …

Sie sind uns sehr ähnlich. Sie sind – wie wir es bislang wissen – liebenswürdig. Und gäben wir, wie vorgeschlagen, die Substanz frei, Tausende, Millionen Frauen fänden sich, der Wally Esch nachzueifern. Das hieße aber, die neue Art entstünde nicht allmählich, sondern spontan, explosionsartig in uns, in der Menschheit. Sind wir darauf vorbereitet? …“ Und damit zu den ausführlicheren Vorstellungen der anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters:

Erstmals 2015 veröffentlichte Ingrid Möller das E-Book „Eine Mutter im Himmel und eine auf der Erde“: Gar nicht so selten kommt es vor, dass ein Kind plötzlich erfährt, dass seine vermeintlichen Eltern nicht die wirklichen Eltern sind, sondern dass das Kind adoptiert wurde. Erwachsene mögen glauben, es sei nicht so wichtig, es rechtzeitig zu sagen, für das Kind aber kann diese Nachricht zu einem ernsten Problem werden. Nichts scheint mehr zu stimmen. Wahrheit und Unwahrheit sind in Frage gestellt. Wenn zu den inneren Kämpfen dann auch noch widrige äußere Umstände kommen – wie in Kriegs- und Nachkriegszeiten – fühlt sich ein Kind doppelt allein gelassen. Eine solche Situation schildert dieses Buch für Kinder ab 12 Jahre und für Erwachsene. Hier der Beginn des Buches, in dem noch alles in Ordnung zu sein scheint – vor allem für das Kind und seinen unerschütterlichen Glauben an seine Mutter:

„I. Das Spiel

Endlich ist Frühling, richtiger Frühling. Nicht dieses graue nieselige Schmuddelwetter. Wenn doch erst die Schule vorbei wäre! Doris – Bankreihe eins links vorn – schickt einen Zettel zu Ruth – mittlere Bankreihe hinten. Die Beförderung klappt. Wie immer. Doch unterwegs schulen neugierige Blicke unter die Knickstelle. Und so kommt es, dass nachmittags außer Doris und Ruth auch noch Beate und Irene zum Ballspielen an der verabredeten Stelle sind. In der kleinen Seitenstraße an dem einzigen Haus, das nach dieser Seite keine Fenster hat.

Gegen Beate ist nichts einzuwenden, aber gegen Irene eigentlich schon. Sie sucht oft Streit.

Sie fangen an mit Zweiball. Alle zählen mit. Doris ist dran. „Dreiundvierzig, vierundvierzig – Mist!“

Nur die blöde Taube ist schuld. Warum musste sie auch so plötzlich vom Dach fliegen und sie ablenken! Dabei hatte Doris es gerade heute Irene zeigen wollen. Bis hundert wollte sie kommen. Neulich war sie schon dicht dran. Ärgerlich wirft sie auch den zweiten Ball auf das harte Basaltpflaster.

Ruth hebt die Bälle auf. Das Spiel beginnt von Neuem. Auch sie kommt nur bis dreißig. Nun Beate. Sie patzt schon bei dreiundzwanzig. Sie hat keine Übung. Nun Irene. Wie gespreizt sie sich hinstellt! Als sei ihr der Sieg sicher. Eine Katze läuft auf sie zu, springt nach den Bällen. Bautz. Das zählt nicht. Noch einmal von vorn. Doris wünscht, sie möge ihre Vierundvierzig nicht überbieten. Es wird brenzlich: „zweiundvierzig, dreiundvierzig – aus!“ Knapp darunter ist auch verloren.

Irene kann ihre Wut kaum verbergen. Sie greift ihren größeren bunten Springeball und wirft ihn an der Hauswand hoch. „Mal sehn, wessen Ball am höchsten kommt!“ Sie wirft über das Ziel hinaus.

Der Ball trudelt an der Dachschräge herunter, springt über die Dachrinne herab.

„Das war ja wohl nichts.“

Doris wirft ihren handlichen grauen Ball. Er landet einen halben Meter unter der Dachrinne. Auch das haute nicht hin. Der Wettbewerb geht weiter. Das ausgemachte Ziel ist schwer zu erreichen. Immer hitziger wird das Spiel. Immer öfter trudelt ein Ball vom Dach herab. Doch auf einmal kommt ein Ball nicht zurück. Der graue von Doris.

Gespannt warten die Mädchen. Nichts rührt sich. Er muss in der Dachrinne liegen. So ein Pech aber auch! Gerade auf diesen Ball kann sie am wenigsten verzichten. Keiner springt so hoch wie er. Die Aufregung steigt.

„Spielt weiter! Ich komm gleich wieder.“ Doris rennt nach Haus. Ohne Umweg die Ladenstufen hoch. Die Mutter bedient eine Kundin. Die Kundin kann sich schwer entscheiden, welches Parfüm sie möchte. Doris kennt das. Sie beißt sich auf die Lippe, zu gern würde sie dazwischenreden, aber das darf sie ja nicht. Warten also. Bis die Kundin aus der Tür ist.

Dann sieht die Mutter gleich, dass was nicht stimmt. „Nanu Kind, was ist denn los?“

Doris beichtet ihr Missgeschick. Eine Träne rinnt. Sie beteuert, dass sie nie und nimmer auf diesen Ball verzichten kann und sieht die Mutter mit bettelnder Leidensmiene an.

„Na, so schön war der Ball doch gar nicht!“

Doris lässt sich nicht beruhigen. „Keiner springt so gut. Er würde mir ganz schrecklich fehlen.“ Zur Bekräftigung wieder eine Träne. „Na gut“, sagt die Mutter, „geh erst mal weiter spielen. Papa kann ich jetzt nicht stören, da sind zwei Buchprüfer vom Finanzamt, aber dann wird er schon Rat wissen. Ich schick ihn hin, wenn die Herren weg sind.“

Doris läuft zurück. Tränenlos jetzt. „Es kommt in Ordnung“, sagt sie kurz, „ihr werdet schon sehen.“

„Wie denn?“, fragt Irene. „Hast du vielleicht einen Riesen an der Hand, der eben mal in die Dachrinne reinlangt und den Ball wieder rausholt? – Da bin ich aber mächtig gespannt.“

Auch Ruth und Beate sehen sie ungläubig an. Doris tut geheimnisvoll. Eigentlich weiß sie ja selbst nicht, wie das klappen soll. Doch auf ihre Mutter ist Verlass. Was die verspricht, darauf kann man Gift nehmen. Hundertprozentig.“

Erstmals 1980 erschienen im Verlag Neues Leben Berlin Fantastische Erzählungen von Klaus Möckel unter dem Titel „Die gläserne Stadt“: Eine Stadt aus Glas gibt es im Land Xenturion, mit Häusern, in denen sich wieder und wieder die Sonnenstrahlen brechen, Bögen, Kuppeln, Flüsse, ganze Gebirge aus Licht schaffen. Die Menschen in dieser Stadt – eine Führungsschicht – sind stolz auf ihr Auserwähltsein und lassen nur den Verstand gelten. Aus gutem Grund, denn schon die kleinste Gefühlsregung kann Risse an ihren schönen, doch zugleich zerbrechlichen Gebäuden hervorrufen und sie letztlich zum Einsturz bringen. Diese Erzählung, 1980 zum ersten Mal veröffentlicht, wurde vom Leser schnell als Hinweis auf die Brüchigkeit des bestehenden Systems verstanden, aber auch die anderen im Band enthaltenen Geschichten setzen sich nachdrücklich mit verknöcherten Verhaltensweisen und erstarrten Anschauungen auseinander. Da schickt ein Erfinder einen Fürsten aus dem 18. Jahrhundert in die Gegenwart, um zu beobachten, wie er sich ohne seine Vorrechte bewährt, er erlebt eine Überraschung; da gerät ein ach so ernsthafter Mann in eine Zukunft voller Possen, seine festgefügten Ansichten bekommen Sprünge; da ersteht ein Literaturkritiker eine neue Brille, er lernt Kunst völlig anders einschätzen; da wird in einem Land das Träumen verboten, groteske Verrenkungen sind die Folge. Mit poetischem Gespür und humoriger Hinterlist geschrieben, haben diese Texte nichts von ihrer Sprengkraft verloren. Das beweist auch ihr großer Publikumserfolg, ihr Erscheinen in verschiedenen Anthologien des In- und Auslands. Hier ein Auszug aus der Erzählung „Das Märchen vom Träumen“:

„Das Land Praktika war, wie schon der Name sagt, durch und durch praktisch eingerichtet. Die Straßen waren alle glatt und gerade, die Wohnungen boten genau so viel Raum, wie die Bewohner brauchten, es gab das zu kaufen, was benötigt wurde. Nicht mehr, nicht weniger, wozu auch? Die Beförderungsmittel waren schnell und funktionierten ohne Pannen; Regen, Sonne, Wind, Schnee gab es in den richtigen Proportionen. Das große Gesetz, nach dem sich alles bewegte, hieß: zweckmäßig. Der Mann bekam eine Frau, wenn es zweckmäßig war, dass Kinder gezeugt wurden, die Frau einen Mann aus demselben Grund. Klar, dass im Land Praktika kein Platz für Fantasterei blieb. Die Maler gestalteten die Landschaft in großer Genauigkeit nach, die Schriftsteller schrieben nur Reportagen. Übrigens war das Fotoplastieren die am höchsten geschätzte Kunst. Die Technik war dagegen allgemein geachtet und sehr weit entwickelt. Alles, was zähl- oder berechenbar war, wurde nachdrücklich gefördert.

Unter diesen Bedingungen kann es nicht verwundern, dass den Träumen schon vor langer Zeit der Prozess gemacht worden war. Verurteilt, verbannt und geächtet. Ein Überbleibsel der Vergangenheit, ein überflüssiges Relikt. Die Menschen brauchten sie nicht, man lebte ohne sie ruhiger. Ein gesetzliches Verbot war übrigens nicht nötig, die von alters her überlieferten Warnungen reichten aus. Natürlich kam es einmal vor, dass einer die Antipille vergaß. Aber da sich alle gegenseitig daran erinnerten, passierte das nur selten. Beim ersten Anzeichen eines Traumes wurden die Sünder ohnehin von Furcht und Reue gepackt. Nein, es bestand keine Gefahr, dass die Menschen von den bewährten Prinzipien abwichen. Doch nun, mit einemmal, diese Annasibyll.

Annasibyll erzählte immer neue Einzelheiten über ihre Segelschifffahrten, ihre Flugerlebnisse und den starken, lustigen, nackten Mann. Hansana und Sonja-lu verstopften sich die Ohren vor ihren Geschichten, doch Zelia kam mehr und mehr durcheinander. Gewiss, sie hatte zwei noch kleine Kinder, um die sie sich kümmern musste, gewiss, sie hatte einen Mann, mit dem sie abends vor dem Plastiktelevisor saß, aber was sie von Annasibyll hörte, war doch sehr aufregend. Was fühlte man, wenn man mit einem lustigen Mann durch die Lüfte schwebte, wenn man sich von ihm streicheln ließ und mit ihm auf den weichen Wolken lag, nicht unbedingt zum Zwecke des Kinderzeugens. Zelias Mann war alt, klein und glatzköpfig, gern hätte sie auch mal einen mit vollem schwarzem Haar kennen gelernt. Einen, der zärtlich war, wie sich Annasibyll ausdrückte. Zelia konnte sich nichts Genaues darunter vorstellen.

Eines Tages, als Zelia mit der Familie beim Abendbrot saß, ließ sie ihre Antitraumpille statt ins eigene Mineralteeglas in das ihres Mannes fallen. Auf einen festen, traumlosen Schlaf, mein prosaischer Lebensgefährte. Doppelt hält besser!

Der Mann merkte nichts – am nächsten Tag fiel allgemein positiv sein besonderer Ernst, seine große Nüchternheit auf. Was dagegen Zelia anging, so schlief sie in dieser Nacht sehr unruhig. Als der Morgen kam, wachte sie schweißgebadet auf, hatte aber nichts geträumt. Sie war ein wenig enttäuscht. Dennoch wiederholte sie abends die Handlung vom Vortag.

In der zweite Nacht wälzte sich Zelia erneut im Bett hin und her, gleichzeitig aber begann sich ihr Schlaf mit sonderbaren Schemen zu füllen. Das waren weder Segelschiffe noch Wolken, es waren Wesen mit unförmigen Köpfen, die an ihr herumzerrten. Sie hatten die Gesichter ihrer früheren Schullehrer und redeten ununterbrochen auf sie ein. Zelia konnte nur nicht verstehen, was sie sagten. Später stand die junge Frau dann auf einem leeren Schulhof, und die Gestalten bewarfen sie mit Steinen. Doch es waren keine Steine, sondern mächtige runde Pillen. Antitraumpillen. Zelia bekam einen Schreck und erwachte.

An diesem Tag fiel die Ernsthaftigkeit ihres Mannes noch positiver auf – sie selbst jedoch fühlte sich sehr elend. Trotzdem verzichtete sie erneut auf die Pille. Sie nahm sich fest vor, von einem jungen, nackten Mann zu träumen. Und tatsächlich, sie hatte Erfolg. Großen Erfolg – gleich zwei nackte Männer begegneten ihr. Wenn auch nicht auf einem Segelschiff und nicht in den Wolken, so doch im leeren Hof ihrer Schule. Na, immerhin! Zelia ging auf die Männer zu, um sie zu begrüßen und sich streicheln zu lassen. Da jedoch waren es plötzlich gar keine Männer mehr. Es waren alte, ausgetrocknete Frauen, zottlig und müde, und als Zelia genau hinsah, hatten sie große Ähnlichkeit mit ihren Freundinnen Hansana und Sonja-lu.

An diesem dritten Tag fühlte sich Zelia im Gegensatz zu ihrem glatzköpfigen Mann noch verwirrter als an den vorherigen, und sobald sie eine Minute frei hatte, lief sie zu Annasibyll. Aber Annasibyll war nicht zu Hause, Zelia traf lediglich ihre Mutter an.“

Erstmals 2016 veröffentlichte Siegfried Maaß als Eigenproduktion von EDITION digital und zwar sowohl als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book „Das Glashaus. Mäxchen und Pauline. Drittes Buch“: Wartend verbringt Max Stange, von früher als Mäxchen bekannt, wertvolle Zeit auf dem Bahnhof. Weil der seit der Nacht tobende Sturm Bäume gefällt und über die Gleise geworfen hat, verspätet sich der Zug, mit dem Pauline ankommen soll. Er selbst hat sie mit SMS benachrichtigt: Sie müsse kommen, weil Harry, ihr Papa, bei diesem Sturm von einem Ast getroffen und in das gläserne Dach des Gewächshauses geschleudert wurde. Nun liegt er mit vielen schweren Schnittwunden im Krankenhaus. Zum ersten Mal befindet sich Max Stange in der Lage, selbst etwas entscheiden zu müssen. Seine Mutter Irene hält sich zu einem Familienbesuch in Russland auf, während Pauline ins Trainingslager der Landesauswahl berufen worden ist. Damit ist sie ihrem Ziel, als leidenschaftliche Fußballspielerin einmal in der Nationalmannschaft zu spielen, ein Stück näher gekommen. Doch voller Ungeduld und bangend um die Gesundheit ihres Papas muss sie nun tatenlos in dem Zug ausharren, dessen Schienenweg ebenso vom Sturm betroffen ist wie ihr Papa Harry. Ungern hat ihr Trainer die Heimfahrt gestattet, denn ein wichtiges Spiel steht bevor, für das er sie braucht. In ihren unterschiedlichen Situationen gleichen sich ihre Verhaltensweisen: Bei beiden stellen sich längst vergessen geglaubte Erinnerungen ein – sowohl an die Gemeinschaft in der noch jungen Patchworkfamilie wie auch an Freizeiterlebnisse und Schule. An wahre Freunde und solche, die Freundschaft vortäuschen und sich als Neider herausstellen. Sie werden sich jedoch auch bewusst, dass sie selbst ‚Neider’ waren. Wenn sich z.B. ein Mädchen wie Corinna bei Max einzuschmeicheln versuchte oder Marco sich auffällig um Pauline bemühte. Als hätte einer von ihnen Besitzansprüche am anderen! Irene ist in dem Dorf in der russischen Weite mit dem Handy nicht erreichbar, darum beschließen Max Stange und Pauline, nachdem sie sich endlich zusammengefunden haben, Irene zu informieren, sobald diese in Moskau zur Zwischenlandung angekommen ist. Dann erhält Pauline die Nachricht, dass ihr Trainer sie aus seinem Spielkader entlassen hat. – Ihre ganze Zukunftsplanung bricht damit zusammen. Weil ein Sturm gewütet und ihren Papa verletzte, weswegen sie das Training unterbrechen musste. In der Zwischenzeit leben weitere Erinnerungsbilder auf, die sie ebenso zu ihrer Freundin Isa wie zu deren Großmutter ‚Birkhuhn’ führen. Diese befindet sich im Rollstuhl und ist eifriger Fan der Mannschaft Paulines, sodass Max Stange sie zu deren Spielen fährt. Birkhuhns Sohn besitzt einen Reiterhof mit Heuhotel, wohin Max und Pauline eingeladen werden und wo Fuchs, der Reitlehrer, sie mit den Haflingern vertraut macht … Nach Irenes Rückkehr und der Aussicht, dass Harry bald die Klinik verlassen wird, erfährt Pauline, dass der Trainer seine Entscheidung zurückgenommen hat, sodass Pauline sofort ins Trainingslager zurückkehrt. Ihre Wünsche scheinen sich zu erfüllen. Und Max Stange pflegt nach wie vor seine Vision von dem ‚Weltenfahrer’, der er einst sein möchte, um sowohl im Amazonasgebiet wie auch in Feuerland Neues zu erkunden. Aber jetzt sind wir erst einmal in einer Abstimmung über das Ziel der gemeinsamen Urlaubsreise und anschließend am Bahnhof. Bekanntlich ist ein Unglück passiert. Und das Warten provoziert auch philosophische Gedanken:

„Sie hatten einen ganzen Abend damit verbracht, sich über die Ferienreise zu einigen. Bald nach Irenes Heimkehr aus Russland sollte sie beginnen. Irene blieb dann noch eine Woche für den Familienurlaub übrig und hatte als Ziel die Ostsee vorgeschlagen. Dort könnte man schwimmen, wenn man Lust hätte und wäre nicht wie in der Nordsee von den Gezeiten abhängig. Harry jedoch meinte, gerade wegen der Tiden wäre die Nordsee viel abwechslungsreicher.

Max Stange schloss sich seinem Vorschlag an, während sich Pauline auf die Seite ihrer Stiefmutter schlug. Bei dem Gedanken, womöglich durch das Watt zu stapfen, sodass der Schlick zwischen ihren Zehen hindurch quillt, hatte sie sich geschüttelt. So hatte Harry schließlich entschieden, dass der männliche Teil der Familie bereit sein sollte, sich dem Wunsch der Weiblichkeit zu fügen.

Tatsächlich hatte sich Max Stange auf den gemeinsamen Urlaub sehr gefreut.

Sich schwungvoll in die aufbrausenden Wogen zu werfen und wie ein Fisch davontreiben zu lassen, stellte er sich als ein großes Vergnügen vor. Außerdem war er neugierig darauf zu sehen, wie sich die Fußballspielerin im Meer verhielt.

Gewiss würde er sich nicht stundenlang in einen Strandkorb setzen, worauf die beiden Erwachsenen sich am meisten freuten. Den Strand entlangstreifen und auf Entdeckungstour gehen – etwas anderes würde für ihn nicht in Frage kommen. Vielleicht könnte er einen hübschen Hühnergott finden? Oder einen Bernstein? Dafür würde er sogar mit dem Sonnenaufgang aufstehen und den Strand absuchen. Darauf freute er sich bereits im Voraus. Und auf das Schwimmen und Schnorcheln natürlich. Er hoffte, auch seine Stiefschwester dafür begeistern zu können.

Doch mit einem Schlag hatte sich alles geändert. Pauline konnte er am späten Abend noch über das Handy erreichen. Irene jedoch weiß noch nichts von Harrys Unfall und dass er sich in der Klinik befindet. Genau dort, wo sie lange als OP-Schwester arbeitete, bis sie vor gut zwei Jahren zur Leitenden Schwester berufen wurde. Was im Amtsdeutsch Pflegedienstleiterin heißt.

Max Stange versucht sich vorzustellen, wie es sich in einem Territorium lebt, das keinen Empfang für das Handy bietet. Dass es so etwas tatsächlich gibt, hat er selbst schon erlebt. In dem schmalen Tal im Harz, als er vergeblich versuchte, zu Hause Bescheid zu geben, wann sie am Abend von der Klassenfahrt heimkehrten, damit Harry ihn vom Busbahnhof abholen konnte. Kaum hatte sich das Tal aber geweitet, funktionierte die Verbindung.

Aber dort in der Taiga ist in einer mehrere Tagereisen weiten Fläche keine Verbindung mit der Außenwelt möglich. Als Irene ihnen mitteilte, dass sie gut angekommen sei, hatte sie von der Poststation des Dorfes aus angerufen.

Was Harry veranlasste, von seiner Kindheit im Dorf zu sprechen, wo lediglich der Dorfkonsum und die Gemeindeverwaltung über Telefon verfügten. Abgesehen von einigen wichtigen Personen, die aber ihre Anschlüsse nicht für andere zu Verfügung stellten.

Max Stange weiß nicht, was er anstellen soll, damit seine Mutter nicht erst nach ihrer Landung vom Geschehen erfährt.

Harry musste mehrfach operiert werden.

Seine rückwärts gewandten Gedanken helfen ihm, die Wartezeit zu überstehen. Ziellos läuft er umher. Immer zehn Schritte, vom Ausgang bis zum Kiosk und wieder zurück. Eher gelangweilt als aufmerksam gleiten seine Blicke jedes Mal über die bunten Illustrierten, die dort in einem stufenartigen Regal aufgereiht sind. Solche, die bei ihnen zu Hause nicht geduldet werden.

Irene und Harry schütteln nur verständnislos die Köpfe, wenn sie bemerken, wie gierig manche danach griffen. Als könnte ihnen das Wichtigste in der Welt entgehen, wenn sie auch nur eines der bunten Blätter ausließen.

Scharfer Wind bläst in die Halle und verursacht lautes Zischen, als wäre ganz in der Nähe ein Schweißbrenner in Betrieb. Mit gesenkten Köpfen eilen die Leute so schnell sie können durch die Halle, entweder zu den Bahnsteigen oder in anderer Richtung auf den Bahnhofsvorplatz.

Max Stange hat den Kragen seiner leichten Jacke hochgeschlagen. Die Umstände hatten ihn genötigt, das erste sich bietende Stück zu greifen, um Paulines Ankunft nicht zu verpassen. Doch nun muss er warten.

Das Wichtigste in der Welt … Dieser Satz hallt in ihm nach.

Was ist es? Was bedeutet es für ihn?

Wieso hat er noch nie ernsthaft darüber nachgedacht?

Ihm kommt es vor, als hörte er die warme Stimme seiner Mutter: Das Wichtigste ist die Familie. Die zusammenhält und in der sich jeder auf jeden verlassen kann. Ohne Ausnahme. In allen Lebenssituationen.

So ist es bisher auch bei ihnen gewesen.

Dabei hatte er lange nicht gewusst, wie eine Familie lebt. Bis vor einigen Jahren kannte er nur das Zusammenleben mit Irene, wie er seine Mutter nennen darf. Wie die übrigen auch. Das sind Harry und seine Tochter Pauline. In den vergangenen drei Jahren sind sie zu einer Familie verschmolzen. Seit Irene und Harry sich zu einem Paar verbunden und Pauline und er auf diese Weise wieder Mutter und Vater gefunden haben. Später ist Dagmar noch hinzugekommen. Das ist seine Familie.

Kann nun dieses empfindliche Geflecht plötzlich zerreißen? Quasi über Nacht, wie Irene sagen würde?

Wie ein Suchender läuft er in der Bahnhofshalle umher. Als könnte er überraschend irgendwo seine Stiefschwester Pauline entdecken.

Seit zwei Jahren ist sie Schülerin des Sportgymnasiums in der Landeshauptstadt. Eine Fußballerin mit großen Chancen. Auf der Karriereleiter bereits über die erste Stufe hinausgekommen.

Kürzlich hatte die Zeitung über sie geschrieben. Harry hatte sie aufgeschlagen neben das für Max Stange bestimmte Pausenbrot gelegt, sodass ihm ihr Foto sofort auffiel. Kess und fröhlich sah sie aus; ihr kurz gehaltenes, rötlich schimmerndes Haar erweckte den Eindruck, als wäre die Schermaschine soeben darüber geglitten. Aber anders kannte er sie nicht. Sie wirkte noch immer wie zu ihrem 10. Geburtstag, zu dem sie ihn damals von der Straße weg eingeladen hatte. Kurz und bündig, ohne ihn überhaupt zu kennen.“

Erstmals 2001 erschien im Arena Verlag Würzburg „Das Grab des Pharaos. Die Haifisch-Bande auf Zeitreisen, 2. Teil“ von Jan Flieger: Nachdem sie es einmal ausprobiert haben, starten Julia und Vanessa, Long Basti und Specki von der Haifisch-Bande wieder mit Hilfe der Zeitkugel von Old Krusemann, dem alten Seebären, zu ihrer zweiten Zeitreise. Die Anregung für das Ziel ihrer zweiten Zeitreise stammt von Vanessa, die in der Schule einen Vortrag über ägyptische Grabräuber halten soll. Wie wäre es da, wenn man sich dort einfach mal persönlich umsieht. Und schon bald sind die vier Zeitreisenden unterwegs ins alte Ägypten. Und auch dort erwarten Julia und Vanessa, Long Basti und Specki wieder gefährliche Abenteuer, aber auch eine wunderbare Freundschaft. Aber bevor es richtig losgeht, wollen wir zunächst noch einmal unsere Kenntnisse über die Haifisch-Bande und deren Mitglieder auffrischen:

Die Haifisch-Bande

Julia,

neun Jahre alt, ist immer gestylt und trägt meistens Markenklamotten aus Luxusläden. Trotzdem kann man mit ihr Pferde stehlen. Was sie toll findet: Tiere, gute Schulnoten, Spice Girls. Sie will mal Tierärztin werden (obwohl sie Angst vor Mäusen hat!).

Vanessa,

neun Jahre, hat meistens Jeans an und T-Shirts mit Werwolfmotiven. Sie ist superabenteuerlustig und hat vor nichts und niemandem Angst. Sie mag Piratenbücher und Tic Tac Two (Jazzy am meisten). Will mal Action im Beruf, zum Beispiel bei einer Sondereinheit der Polizei.

Lang Basti,

zehn Jahre alt, heißt eigentlich Sebastian. Er ist Vanessas Bruder und genau das Gegenteil von ihr: ruhig und bedächtig. Er trägt meist T-Shirts, die mindestens zwei Nummern zu groß sind, Schlabberhosen und eine Gletscherbrille. Was ihm am wichtigsten ist: immer cool bleiben!

Specki,

eigentlich Peter, zehn Jahre alt und ziemlich dick. „Specki“ nennen ihn nur seine besten Freunde. Ein witziger Typ, der noch dazu ziemlich schlau ist, weil er ständig irgendwelche Sachbücher liest. Was er nicht mag: Skins. Und wenn die anderen über sein Gitarrenspiel lästern.“ Und jetzt geht es aber wirklich glich los:

Auf nach Ägypten!

Erschrocken fliegen zwei Tauben von einem Fensterbrett der ehemaligen Fischfabrik, wo sich das sperrmüllgespickte „Wohnzimmer“ der Haifischbande befindet. Wilde Gitarrenklänge haben die Tauben verscheucht. Specki bearbeitet sein Instrument. Und wie so oft erzeugt er auch heute wieder viele falsche Töne.

Julia zieht die Brauen hoch und tauscht genervt Blicke mit Maja, die gerade genussvoll Pommes verschlingt. Dabei baumeln die giftgrünen Holzperlen in Majas Ohrringen hin und her. Einige Pommes purzeln auf ihren knallroten Tüllrock. „Bist du nun völlig durchgeknallt?“, ruft sie Specki zu.

Nur Long Bastis Miene bleibt unbewegt. Diese Gitarrensaiten werden sowieso bald ihren Geist aufgeben, scheint er zu denken.

Mehmets Lippen kräuseln sich zu einem spöttischen Lächeln. „Speckis Sound ist einfach galaktisch“, meint er trocken.

Der am Fenster stehende Specki tätschelt liebevoll seine Kopfhörer. Sie schützen ihn vor unerwünschtem Lärm. Er wartet wie üblich auf die ersehnten Signale von Außerirdischen. Gut, dass Vanessa nicht da ist. Ein Gitarre spielender, entfesselter Specki würde sie fuchsteufelswild machen.

Aber Vanessa hat zurzeit andere Sorgen. Ein echtes Problem sogar. Sie muss in der Schule einen Vortrag halten. Über das Foto eines Gemäldes, auf dem Grabräuber eine Pyramide in Sakkara plündern. Sakkara liegt in Ägypten und das Bild zeigt die Diebe in der Grabkammer des Pharaos Teti beim Wegschleppen der Grabschätze. Wie sind die Grabräuber bis zur Grabkammer vorgedrungen? In Sakkara, sagte die Lehrerin, gibt es viele Pyramiden, gut erhaltene, aber auch Ruinen. Die Pyramide des Teti ist heute nur noch eine zusammengesunkene Ruine. Mehr weiß Vanessa nicht. Den Rest soll sie sich einfach ausdenken. Es ist ein gespenstisches Gemälde. Nur eine kleine Öllampe erhellt die Dunkelheit der Grabkammer. Der eine Dieb trägt die goldene Totenmaske des Pharaos in den Händen. Seine Augen leuchten dabei.

„Willst du nicht endlich mal eine Pause einlegen, Specki?“, stöhnt Julia und presst sich die Handflächen auf die Ohren.

„Noch ein bisschen“, verkündet Specki gut gelaunt und greift dann noch wilder in die Saiten. „Kriegst ein Autogramm, wenn ich berühmt bin. Versprochen.“

Jetzt ist Julia wirklich sprachlos. „Nix wie weg!“, schreit sie Maja zu und benutzt ihre Hände als Schalltrichter.

Doch Specki sieht richtig happy aus. Er grinst unschuldig. „War ich so schlecht?“, fragt er enttäuscht, als er die Gitarre endlich an die alten Fenster lehnt und zweifelnd in die Gesichter der Freunde schaut.

Long Basti zuckt nur mit den Schultern und sein Gesicht bleibt ernst, obwohl seine Mundwinkel verräterisch zucken. „Reicht auf alle Fälle für den nächsten Grand Prix. Und für die Akademie für Hochbegabte.“

Specki lächelt geschmeichelt. Maja kippt sich die letzten Pommes in den Mund und greift nach ihrem roten Zauberköfferchen. Erfreut erhebt sich Kater Muffin. Er denkt wohl sofort an weiße Mäuse, die plötzlich aus dem Koffer auftauchen und durch die Fabrikhalle huschen könnten. Er muss dann nur schneller als Maja sein. Aber die kramt so intensiv in dem Köfferchen, als würde sie Gitarrensaiten suchen, mit denen man keine Töne hervorbringen kann. Die möchte sie dann heimlich gegen die alten Saiten austauschen. So einen famosen Zaubertrick wünschen sich außer Specki wohl alle im Wohnzimmer ihres Cliquentreffs.

Specki grinst weiter unschuldig vor sich hin und streichelt den schnurrenden Muffin, der die weißen Mäuse schon wieder vergessen hat. „Bist voll genial, Specki“, witzelt Svenja. „Gitarre spielen ist megaschwer. Schaaade, dass schon Schluss ist.“

Specki atmet durch und überlegt, ob er nun stinksauer sein soll oder nicht, denn Svenjas Spott ist unüberhörbar. Na ja, Svenja interessiert sich eben nur für Ritter. Von Musik hat sie keine Ahnung.

„Ey, ihr habt alle null Ahnung von Musik“, beschwert er sich und schaut die Freunde der Reihe nach an. Aber die starren plötzlich zur Tür. Dort steht die schnaufende Vanessa und stampft mit dem rechten Fuß auf den Boden, als wollte sie Bären aus dem Winterschlaf wecken. Sehr fest schlafende Bären. „Hey, ihr Weicheier“, pflaumt sie die Clique an. „Hier ist es ja so still wie in einem Beerdigungsinstitut.“

Alle im Raum prusten los. Eine Ausnahme bilden Specki, Muffin und der präparierte Haifisch, der an Fäden im Raum schwebt. „Hättest mal zwei Minuten eher im Raum sein sollen.“ Alex grinst. „Da war hier Horrormusik. Echter Wahnsinn.“ Und er wiehert los wie ein Pferd.

In Specki kriecht die Wut hoch. So eine Gemeinheit, wo er sich doch so viel Mühe gegeben hat!

„Ich habe eine hypergalaktische Idee!“, verkündet Vanessa laut und tritt in die Mitte des Zimmers wie ein Boxer zur Siegerehrung. „Wir reisen nach Sakkara zu den alten Ägyptern.“

Mehmet spottet: „Lara Croft will wieder reisen. Dir fällt wohl nichts ein für deinen Vortrag!“

Long Basti blickt seine Schwester an und sagt zustimmend: „Coole Idee. Zeitreisen sind super.“

Auch Specki und Julia zeigen Interesse. Sakkara? In die Zeit der Pharaonen? Das wäre ein echter Knaller!

„Auf dem Gemälde ist keine Jahreszahl angegeben“, überlegt Specki. „Aber ich habe zu Hause ein Buch mit den Lebensdaten der Pharaonen.“

„Haha“, macht Julia. „Das nützt uns gar nichts.“

„Glaskugeltouristen“, brummelt Mehmet und beginnt irgendwelche geheimnisvollen Dinge in sein Notizbuch zu schreiben, die sicher laufende Ermittlungen der Detektive betreffen.

Julia, Long Basti, Vanessa und Specki sind nicht mehr zu halten. Fast gleichzeitig springen sie auf.

„Zu Old Krusemann!“, kommandiert Vanessa.

Die vier gehen los. Hoffentlich ist Old Krusemann in seinem bunten alten Eisenbahnwaggon, denn mit seiner geheimnisvollen Zeitkugel ist ein Flug in die Vergangenheit nach Sakkara kein Problem. Leider wissen sie nicht, in welcher Zeit sie ankommen, denn wann die Grabräuber die Pyramide geplündert haben, steht nicht unter dem Bild. Aber sie werden schon klarkommen. Hauptsache, Old Krusemann spielt mit.“

Und natürlich können die vier Old Krusemann wieder davon überzeigen, sie erneut auf Zeitreise gehen zu lassen – diesmal nach Ägypten, wo sie tatsächlich viele Abenteuer erleben. Ob sich die für den Vortrag von Vanessa tatsächlich auszahlen, das wird sich aber erst noch zeigen müssen. Eine spannendes Lesevergnügen ist diese zweite Zeitreise der Haifisch-Bande jedoch allemal.

Zu empfehlen sind aber auch die anderen Sonderangebote dieses Newsletters, in denen sich die handelnden Personen mit kleinen und großen Fragen und Problemen auseinandersetzen und entscheiden müssen, wie sie sich verhalten sollen und wollen. Die literarischen Texte können auf diese Weise auch zum Nachdenken darüber anregen, wie man sich eigentlich selbst in einer vergleichbaren Situation entscheiden und verhalten würde. Und die Antwort auf diese Frage ist nicht immer ganz einfach …

Viel Vergnügen beim Lesen und Nachdenken, weiter einen schönen und vielleicht noch etwas heißeren Sommer als bisher, weiter eine gute, gesunde und Corona-freie Zeit, bleiben auch Sie vor allem schön gesund und munter und bis demnächst.

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