EuGH verhandelt zum Regionalwerbeverbot und damit zu Grundsatzfragen mitgliedsstaatlicher Gestaltungsspielräume
Das Verfahren betrifft das Begehren des Modeunternehmens Fussl Modestraße Mayr mit Sitz in Österreich, im Programm ProSieben der ProSiebenSat.1 Media SE Werbung ausstrahlen zu lassen, dies aber beschränkt auf das Sendegebiet in Bayern. ProSieben verweigerte die technisch mögliche regionalisierte Ausstrahlung mit Hinweis darauf, dass dem Sender wegen dem in § 7 Abs. 11 RStV verankerten Verbot regionalisierter Werbung im bundesweiten Rundfunk, von dem der bayerische Landesgesetzgeber trotz Abweichungsbefugnis keine Ausnahme vorgesehen hat, die Hände gebunden seien. Im Rahmen des daraus resultierenden Klageverfahrens von Fussl ersucht das LG Stuttgart um Vorabentscheidung des EuGH im Hinblick auf die Frage, ob § 7 Abs. 11 RStV mit dem Recht der Europäischen Union, insbesondere der Dienstleistungsfreiheit, vereinbar ist.
Die Vorlagefragen betreffen dabei nicht nur die unionsrechtliche Zulässigkeit und damit Wirksamkeit dieser spezifischen Vorschrift im deutschen Recht, sondern auch die ganz grundsätzliche Frage nach dem Umfang und den Grenzen mitgliedsstaatlicher Gestaltungsspielräume bei der Einschränkung von Grundfreiheiten – mithin also einen der wichtigsten Bereiche des EU-Rechts, in dem der EuGH in den letzten Jahrzehnten durch seine Rechtsprechung wesentliche Klärungen herbeigeführt hat.
Dabei handelt es sich auch deshalb um eine so wichtige Frage, weil deren Beantwortung vom Grundsatz der Kompetenzbe- und -abgrenzung zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten determiniert wird. Das ist umso bedeutender für die gegenwärtige und zukünftige nationale Rechtssetzung, da vorliegend eine Regelung Streitgegenstand ist, die von den Landesgesetzgebern mit dem Ziel der Sicherung der Meinungsvielfalt vor allem auf lokaler und regionaler Ebene eingeführt wurde, und damit eine Rechtsmaterie angesprochen ist, die grundsätzlich in die mitgliedsstaatliche Gestaltungshoheit fällt. Unter solchen Umständen ist der Gestaltungsspielraum größer, was insbesondere dann gilt, wenn mitgliedsstaatliche Unterschiede auch im Regulierungsrahmen widergespiegelt werden dürfen. Insoweit ist die Entscheidung über den Regulierungsrahmen, mit dem die Mitgliedstaaten in ihrem Gebiet eine für die dortige Bevölkerung relevante Medienvielfalt herstellen wollen, eine typischerweise eng mit den historischen, regionalen, gesellschaftlichen und politischen Besonderheiten verbundene Maßnahme.
Mit dem aktuellen Verfahren erhält der EuGH daher (erneut) die Möglichkeit, klarstellend zu beantworten, dass die von ihm in zahlreichen früheren Fällen wiederholt aufgestellten Prinzipien weiterhin gelten und sie damit zugleich noch dauerhafter zu verankern. Es geht um die Klärung, ob die Geltung der das Funktionieren des Binnenmarktes dienenden Grundfreiheiten soweit gehen darf, dass die mitgliedsstaatliche Hoheit, im eigenen Kompetenzbereich gesetzliche Maßnahmen zur Erreichung anerkannter Gemeinwohlziele zu treffen, beschränkt wird.
Aufgrund der zentralen Bedeutung des Vorlageverfahrens für die Frage gesetzgeberischer Kompetenzen der Mitgliedstaaten für die Medienregulierung ebenso wie der streitbefangenen Vorschrift zur Sicherstellung einer durch unterschiedliche Formen von Medienanbietern – dazu zählen hier vor allem Presse und Hörfunk – erbrachten, redaktionell verantworteten Herstellung und Verbreitung regionaler und lokaler Inhalte, die zu einer regional bedeutsamen Medien- (und Informations-)vielfalt beitragen, haben der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und die Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR) das Institut für Europäisches Medienrecht beauftragt, diese Grundsatzfragen in einem Rechtsgutachten zu untersuchen.
Auf dieses Gutachten, das auf unserer Webseite für Sie zum Abruf zur Verfügung steht, möchten wir Sie im Zusammenhang mit der heutigen mündlichen Verhandlung hinweisen. Prof. Dr. Mark D. Cole, wissenschaftlicher Direktor des EMR, untersucht unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH Umfang und Grenzen des Gestaltungsspielraums der EU-Mitgliedstaaten bei Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit mit dem Ziel der Medienvielfaltssicherung vor dem Hintergrund einer Vorschrift wie der streitbefangenen Regelung im Rundfunkstaatsvertrag.
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