Neu oder gebraucht? Was bietet der Immobilienmarkt?
– Experten analysieren bundesweit Angebote
– In Ballungsräumen dominieren ältere Bauten, im Osten eher neuwertige Wohnungen
Altbau mit Charme in gewachsener Infrastruktur oder ein energieeffizienter Neubau? Die Frage nach der passenden Immobilie muss jeder Käufer individuell beantworten. Denn die Ansprüche sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sich ihren Wunsch nach den eigenen vier Wänden erfüllen wollen. Diese Entscheidung hängt allerdings nicht immer nur von persönlichen Vorlieben oder dem Budget ab, sondern ist in vielen Regionen Deutschlands auch eine Frage des Angebots. Im bundesweiten Schnitt verteilen sich die angebotenen Eigentumswohnungen recht gleichmäßig auf vier Bauwerksklassen: Altbauten mit Baujahr vor 1970, Wohnungen mit Baufertigstellung zwischen 1970 und 1989, eher neuwertige Wohnungen aus den Jahren 1990 bis 2016 und ganz neue Objekte mit Erstbezug zwischen 2017 und 2019. Insgesamt waren 26 Prozent der im vergangenen Jahr angebotenen Wohnungen mindestens 50 Jahre alt. 23 Prozent sind in den letzten drei Jahren fertiggestellt worden. Jeweils rund ein Fünftel der Angebote lag in einer der beiden Altersklassen dazwischen. Regional sind die Unterschiede allerdings gewaltig. Das zeigt die Analyse des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) für den Postbank Wohnatlas, für die Immobilienangebote in 401 kreisfreien Städten und Landkreisen untersucht wurden.
Wo Neubauten dominieren
Wer sich nach einer brandneuen Immobilie sehnt, möglichst sogar im Erstbezug, der hat im Südosten, im Westen von Rheinland-Pfalz und im Nordwesten Deutschlands eine gute Auswahl. So sind im bayerischen Landkreis Schwandorf knapp 60 Prozent der angebotenen Wohnungen erst in den vergangenen drei Jahren entstanden – der Spitzenwert unter allen kreisfreien Städten und Landkreisen. Aber auch in den rheinland-pfälzischen Kreisen Eifelkreis Bitburg-Prüm, Bernkastel-Wittlich, Rhein-Hunsrück-Kreis und Trier-Saarburg sind mehr als die Hälfte aller Wohnungsangebote Neubauten. In Bayern dominieren Neubauwohnungen in Neustadt an der Waldnaab, Kelheim und Forchheim das Angebot. Auch im Norden finden sich einzelne Regionen mit einem Neubau-Anteil von mehr als 50 Prozent. Dazu gehören die Kreise Vechta, Emsland und Ammerland in Niedersachsen.
„Wer eine gerade erst fertig gestellte Wohnung erwirbt, schließt größere Ausgaben für Wartung und Reparaturen für die kommenden Jahre praktisch aus. Neben den üblichen Umzugskosten müssen Käufer keine größeren Kosten kalkulieren“, sagt Eva Grunwald, Leiterin Immobiliengeschäft Postbank. „Ein Neubau garantiert in der Regel moderne Haustechnik, hohe Energieeffizienz und bei Mängeln bestehen Gewährleistungsansprüche.“
Neuwertige Wohnungen als Alternative
Aber nicht in allen Regionen können Kaufinteressierte auf Neubau setzen. Mancherorts war die Bautätigkeit in den vergangenen drei Jahren so gering, dass der Markt geradezu leer ist. Das ist in vielen ostdeutschen Regionen und Teilen des Ruhrgebiets der Fall. Mehr Auswahl haben Käufer, wenn sie auch etwas ältere Baujahre in ihre Suche einbeziehen. Häuser, die ab 1990 gebaut wurden, über eine gute Bausubstanz verfügen und regelmäßig instandgehalten wurden, haben in der Regel nur geringen Renovierungsbedarf. Wer sich für neuwertige, maximal 30 Jahre alte Wohnungen interessiert, kann dann auch in vielen ostdeutschen Regionen fündig werden. Dort wurde in den Jahren nach der Wende kräftig gebaut. Das zeigt sich besonders rund um die Hauptstadt Berlin. So wurden in Brandenburg im Landkreis Oberhavel 75 Prozent der angebotenen Wohnung zwischen 1990 und 2016 gebaut. Im Landkreis Teltow-Fläming waren es knapp 70 Prozent, im Nachbarkreis Dahme-Spreewald rund 60 Prozent. Auch in den an Berlin angrenzenden Landkreisen Barnim und Oder-Spree überwogen Wohnungen dieser Altersklasse.
Großstädte: Viele Altbauten im Angebot
In vielen großen Städten bietet sich ein anderes Bild. Hier suchen sehr viele Wohnungen mit Baujahr vor 1970 einen neuen Besitzer. Den größten Anteil an Objekten dieser Altersklasse verzeichnete im vergangenen Jahr die sächsische Stadt Chemnitz mit rund 64 Prozent. Aber auch in Berlin, Gelsenkirchen, Herne, Hagen, Wuppertal und Leipzig machten mindestens 50 Jahre alte Immobilien mehr als die Hälfte der Wohnungsangebote aus.
Kaufinteressierte kommen somit kaum an betagten Gebäuden vorbei und sollten sich daher intensiv mit der Frage auseinandersetzen, welche besonderen Herausforderungen ein solches Investment bedeuten kann. Welche Bausubstanz bringen mehr als 50 Jahre alte Wohnungen mit? Welche Renovierungen stehen an? „Beim Kauf einer Gebrauchtimmobilie muss der Zustand möglichst genau geprüft und realistisch kalkuliert werden, welche Ausgaben auf den neuen Eigentümer zukommen“, sagt Postbank-Expertin Grunwald. „Alle notwendigen Sanierungsmaßnahmen sollten bereits in die Planung der Finanzierung einbezogen werden, um finanzielle Engpässe zu vermeiden“, rät Grunwald.
Der Kauf eines sanierungsbedürftigen Altbaus muss aber kein Nachteil sein. Häufig kann beim Erwerb gegenüber einem Neubau erheblich gespart werden. „Nicht alle Sanierungsmaßnahmen müssen sofort umgesetzt werden, so können Eigentümer bestimmte Investitionen aufschieben und nach und nach erledigen. Das eröffnet vielfach auch finanzielle Spielräume. Unsere Experten helfen bei der Planung der Investitionen und einer darauf abgestimmten Finanzierung“, sagt Grunwald.
In Köln, Stuttgart und Düsseldorf sind Neubauten rar
Beim Blick auf die besonders umkämpften Wohnungsmärkte der sieben größten deutschen Metropolen, den so genannten Big Seven, zeigt sich auch hier die Dominanz der älteren, mindestens 50 Jahre alten Immobilien. Besonders stark ausgeprägt ist sie neben Berlin in Stuttgart und Düsseldorf. In Hamburg und Köln wies etwa jede dritte angebotene Wohnung ein Baujahr vor 1970 aus. Ausnahmen bilden lediglich München und Frankfurt am Main.
Bei den Neubauten zeigt sich ein gegenläufiges Bild. Während in Hamburg etwa jede vierte, in Berlin jede fünfte angebotene Wohnung ein Neubau war, erzielten Stuttgart, Düsseldorf und Köln nur etwa halb so hohe Anteile. Lediglich in München und Frankfurt am Main konnten Interessenten im vergangenen Jahr aus einem größeren Angebot auswählen: In der bayerischen Landeshauptstadt wie auch in der Bankenmetropole lag der Anteil an Neubauwohnungen an allen Angeboten mit jeweils rund 27 Prozent sogar leicht über dem deutschlandweiten Durchschnitt.
Eher gering im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ist in den Big Seven das Angebot an neuwertigen Wohnungen, die maximal 30 Jahre alt sind. Das könnte daran liegen, dass Wohnungen dieser Baujahre noch von den Ersteigentümern genutzt werden. „Die Angebote auf dem Markt für Bestandsbauten hängen unter anderem von der durchschnittlichen Nutzungsdauer bis zum Generationenwechsel ab. Wenn Wohneigentum, wie in Deutschland üblich, im Schnitt von Mitdreißigern gekauft und knapp 40 Jahre genutzt wird, werden viele dieser ab 1990 gebauten Objekte noch von ihren Ersterwerbern bewohnt und stehen nicht zum Verkauf“, sagt Postbank-Expertin Grunwald.
Hintergrundinformationen zum Postbank Wohnatlas 2020
Der Postbank Wohnatlas ist eine jährlich erscheinende, mehrteilige Studienreihe, die den deutschen Immobilienmarkt unter verschiedenen Aspekten auf Kreisebene beleuchtet. Unter der Leitung von Diplom-Volkswirtin Dörte Nitt-Drießelmann, Senior Researcherin beim Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), wurde die Immobilienpreisentwicklung in den 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten untersucht.
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