Kunst & Kultur

Potsdamer Tanztage 2020

Der Vorverkauf für die Potsdamer Tanztage im August 2020 ist eröffnet. 12 Produktionen, 5 Filmabende, Konzerte und Workshops stehen auf dem Programm.

Die diesjährige Ausgabe der Potsdamer Tanztage ist eine Gesamtchoreografie: tanzen mit der Unsicherheit, spielen mit den Regelungen, die wechselnden Rhythmen des Möglichen spüren und sich von der neuen Musik tragen lassen. Dabei sind Spontaneität und die Freude über das, was machbar ist, untrennbare Partner der Kreativität geworden.
Nach der Absage der Potsdamer Tanztage im Mai, die das 30. Jubiläum hätten sein sollen, lädt die fabrik Potsdam im August zu einer neuen Version des Festivals ein: Eine intimere Ausgabe, da das große Jubiläum jetzt für Mai 2021 geplant ist, ein anderes Festival also, wie ein Neuanfang geprägt von Improvisation und eingerahmt vom Sommer.

In diesem Festival ist vieles anders. Das Korsett des Distanzgebots ist Ansporn, ungewöhnliche Formen zu suchen: im Freien, im Gehen, in Kleingruppen und auf der Leinwand. Die Preise sind vereinfacht und sollen als Unterstützung für die Künstler*innn verstanden werden, daher die Wahl zwischen zwei Beitragsstufen (Standard und Support) und der Verzicht auf Rabatte.

Auszug aus dem Programm:

Daniel Abreu (Madrid): La Desnudez (Deutschlandpremiere)
Die Dunkelheit scheint zwei Menschen zu umschließen und in ihren Bann zu ziehen. In Wallungen bewegt sich schwarzer Stoff auf der Bühne. Holzstäbe halten den Körper in Fesseln und ein kaputtes Klavier bleibt als Relikt einer Beziehung übrig. In kontemplativer Getragenheit und flackerndem Diskolicht wird kraftvoll und schonungslos vom Ende und Beginn einer Liebe erzählt. Die Tänzer*innen tanzen von der Schwere des Todes zur Leichtigkeit eines Flirts, wobei die Choreografie sich abschnittsweise zwischen Entblößung und Bedeckung, Einklang und Konfrontation wandelt. Fließende Bewegungen prallen aufeinander, verdrehen sich und ringen miteinander. La Desnudez ist ein Akt der Vergänglichkeit – alles wird ausgeatmet, um Neues zu beginnen.

Oona Doherty (Belfast): Hope Hunt and the Ascension into Lazarus
Hope Hunt: Die Jagd nach Hoffnung… Ein altes verbeultes Auto fährt mit blitzenden Scheinwerfern vor. Musik ertönt aus der Karosserie. Ein Mensch, der viele Identitäten verkörpert, steigt aus, um uns seine Geschichte zu erzählen. Allein auf der Bühne tanzt dieses Kind aus Belfast den Wunsch nach Hoffnung und Zukunft junger Männer, ihre oft provokativen Haltungen und Gesten. Zwischen Wut und Leichtigkeit schlüpft es in die Gefühlswelt der Menschen, denen es auf den Straßen seiner Nachbarschaft, weit vom Glamour der Fußgängerzonen, begegnet ist. Hope Hunt reibt sich an dem Asphalt, um besser zwischen Schwerkraft und Hoffnung hin und her zu springen.

Michiel Vandervelde (Brüssel): The Goldberg Variations (Deutschlandpremiere)
1986 prägte Steve Paxton mit seinem berühmten Solo The Goldberg Variations auf der Musik von Bach den Postmodernen Tanz durch ein neues Verständnis von Bewegung: Improvisationen, Alltagsbewegungen und Spontanität eröffneten dem Tanz neue Ausdrucksmöglichkeiten. Wie wird Kunst von dem soziopolitischen Kontext beeinflusst? Wo stehen wir heute? In seinem neuesten Stück spinnt Michiel Vandevelde einen Faden zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Krisen und Kreativität.

Ginevra Panzetti, Enrico Ticconi (Turin/Berlin): Harleking
Harleking ist ein Dämon mit mehreren Identitäten. Sein Körperausdruck ähnelt dem des Harlekins aus der Commedia dell’Arte – ein schlauer Diener, den ein unstillbarer Hunger antreibt. Es kann alles passieren und zugleich wieder verschwimmen. Harleking erinnert an Grotesken, alte Wanddekorationen mit monströsen Gestalten, die sich mit eleganten ornamentalen Spiralen vermischen.

Yoann Bourgeois (Grenoble): Fugue / Trampoline
Fugue/Trampoline, Zirkus und Poesie zugleich, ist ein spektakulärer kleiner Tanz für einen Mann und ein Objekt, komponiert auf der Musik von Phillip Glass Metamorphosis n°2. Yoann Bourgeois spielt in Kontrapunkt mit der Leere, den Gesetzen der Schwerkraft und der Schwerelosigkeit. Dabeu findet er einen schwindelerregenden und sensiblen Gang neu, bis er den Schwebepunkt findet, einen Moment der absoluten Gegenwart, wenn der Sturz noch nicht begonnen hat und sich für die Spiele der Schwerkraft öffnet. Yoann Bourgeois ist Ko-Leiter des CCN2 – Centre chorégraphique national de Grenoble.

Jonathan Burrows & Matteo Fargion (Brighton/London): Rewriting / The Solo Piece
Nach dreißig Jahren Zusammenarbeit im Duo verbrachten Jonathan Burrows und Matteo Fargion ein Jahr getrennt voneinander, um ihre ersten Solos zu schaffen, Rewriting und The Solo Piece. Jedes Solo gibt ohne Sentimentalität einen Rückblick auf vergangene Arbeiten und zukünftige Möglichkeiten, wobei sie ihren charakteristischen Witz und ihre Intelligenz teilen, um das Wesen der Choreografie zu überdenken. Das Ergebnis sind zwei Stücke über die Arbeit, die zwei langjährige Bühnenpartner miteinander geteilt haben. Jonathan Burrows und Matteo Fargion arbeiten seit 1989 zusammen und ihre Stücke werden weltweit aufgeführt. Ihr Werk verbindet intellektuelle Strenge mit unerwartetem Humor und lässt sich nicht eindeutig definieren. Es hat seine Wurzeln in der gemeinsamen Liebe zur klassischen Musik, die sie auf eine eigene Vorstellung der Performance prallen lassen – offen, freudvoll und anarchisch.

Hamdi Dridi (Montpellier): Tu Meur(s) de Terre (Deutschlandpremiere)
Hamri Dridi, ein junger tunesischer Choreograf, tanzt mit diesem Stück die Erinnerung an den vermissten Vater. Ausdruck der Spur eines Mannes in einem ergreifenden Solo, dessen inneres Licht die Dunkelheit vertreibt. Ein kurzes choreografisches Mausoleum, intensiv und ergreifend. In seinen Gesten, die den Raum nachzeichnen, erzählt und sucht er tief in sich selbst nach der väterlichen Präsenz, einem wesentlichen Bestandteil seiner eigenen Identität. Ja, er ist tatsächlich der Sohn dieses Hausmalers, der plötzlich von einem Tumor befallen wurde. Jetzt sammelt er Bilder, Erinnerungen an vertrauten Gesten, an die Erschöpfung der Bewegung, auch an die Eleganz.

Daina Ashbee (Montreal): Serpentine
Daina Ashbee, wichtige Vertreterin des kanadischen zeitgenössischen Tanzes, ist bekannt für ihre radikalen Stücke am Rande von Tanz und Performance. Mit dieser installativen Performance arbeitet sie weiter an Dunkelheit und Weiblichkeit, welche ihre bisherigen Schöpfungen kennzeichnen. Konfrontiert mit einer elektrischen Orgelkomposition, die sowohl verstörend als auch kraftvoll ist, verwandeln sich die langsamen und sinnlichen Gesten der Tänzerin Areli Moran allmählich in eine Präsenz konzentrierter Gewalt. Fasziniert vom Prozess der Wiederholung lässt Ashbee das Publikum in eine Erfahrung von Zeit und ihrer Transformation eintauchen. Im Jahr 2019 erhielt sie in New York einen Bessie Award in der Kategorie Herausragende "Breakout"-Choreografin.

Deufert&plischke (Berlin): Lieber Tanz / Briefe an den Tanz
Die fabrik Potsdam startet mit dem Künstlerzwilling deufert&plischke ein mehrmonatiges Projekt bis Frühjahr 2021, das den Tanz und das 30. Jubiläum der fabrik feiert. Lieber Tanz / Briefe an den Tanz lädt Menschen unterschiedlicher Herkunft und Erfahrungen, Jung und Alt, Tanzerfahrene und -Novizen ein, Tanzerinnerungen auszutauschen, Lieblingsbewegungen zu (er)finden, zu tanzen und Briefe an den Tanz zu schreiben! Mit einem Workshop und anschließendem Ball sind Auftakt eines Projektes, in dem in Potsdam und Brandenburg Briefe an den Tanz geschrieben und Lieblingsbewegungen gesammelt werden. Bis ins Frühjahr 2021 initiiert die fabrik Workshops und Begegnungen, in denen Tanzerfahrungen ausgetauscht werden, diskutiert, gelacht, getanzt und geschrieben wird und so manch bedeutende*r Wegbegleiter*in der fabrik zur Sprache oder zum Tanzen kommen wird.

explore dance / Anna Konjetzky: Move More Morph It (8+)
Wer, wie und was kann ich sein? Ein Körper vertont sich selbst und liefert damit den Soundtrack für eine Reise durch verschiedene Identitäten, Selbstentwürfe und phantastische Figuren. Große Effekte und feine Töne tricksen dabei die Wahrnehmung aus und wecken die Neugier auf einen kreativen Umgang mit Zuschreibungen.

Workshops
Das Workshopprogramm richtet sich an Profitänzer*innen, Tanzaffine, Familien, Jugendliche und Kinder und bietet in seiner kompakten und vielfältigen Form unterschiedliche Möglichkeiten der Begegnung (in kleinen, intimen Gruppen), des körperlichen wie künstlerischen Austauschs und den Einblick in choreographische Arbeitsweisen. Alle sind herzlich eingeladen zeitgenössische Tanzstile und – techniken (neu) zu entdecken und zu erfahren!
Workshops u.a. mit Adi Weinberg, Lea Martini, Jonathan Burrows & Matteo Fargion, Anna Nowicka, Odile Seitz, Lukas Schapp und deufert&plischke.

www.potsdamer-tanztage.de

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