Fahrzeugbau / Automotive

Runderneuerter Reifen im Test: Wenig Geld für wenig Sicherheit

Runderneuerte Reifen sind günstiger und bieten ein Plus beim Umweltschutz. Schließlich werden sie aufwendig „recycelt“, alte Karkassen wiederverwendet. Soweit die Vorteile. Aber wie schneiden sie in puncto Sicherheit ab? Zum aktuellen Reifentest der Schweizer Fachzeitschrift auto-illustrierte haben Redakteur Jörg Petersen und TÜV SÜD-Reifenexperte Thomas Salzinger den runderneuerten Reifen King-Meiler STREAX aus deutscher Produktion gegen den Premiumreifen Goodyear EfficientGrip Performance 2 als Referenzreifen und den chinesischen Reifen Goodride SA37 Sport auf dem Goodyear-Testgelände im französischen Mireval ins Rennen geschickt. Ergebnis: Die Low-Budget-Reifen fallen in fast allen Disziplinen gegen den aus dem Premiumsegment stark ab. Bei den zusätzlich durchgeführten Prüfstandversuchen lösen sich beim ECE-Highspeed-Test sogar Teile des Profils des runderneuerten Reifens ab. Ein zweites Prüfmuster platzt nach 16 Sekunden bei Tempo 270 – trotz W-Kennzeichnung.

Jähes Ende eines Reifentests: Der runderneuerte King-Meiler platzt beim Hochgeschwindigkeitstest auf dem Trommelprüfstand, den die Reifenexperten von TÜV SÜD beim großen, alljährlich durchgeführten „auto-illu“-Reifentest erstmals zusätzlich durchgeführt haben. Dazu Thomas Salzinger von TÜV SÜD: „Damit haben wir nicht gerechnet. Immerhin ist der runderneuerte Reifen bis 270 Stundenkilometer zugelassen und er kommt aus deutscher Produktion mit hohen Qualitätsstandards. Der Verkauf der Reifen ist nun bis zur genauen Klärung gestoppt, die Erforschung der Schadensursache wurde sofort professionell gestartet. In Sachen Fehlermanagement ist dem Hersteller hier bislang kein Vorwurf zu machen.“

Zurück zum Testbeginn: King-Meiler STREAX, Goodyear EfficientGrip Performance 2 und Goodride SA37 Sport sind die Probanden. Das Testfahrzeug: ein VW Golf VIII mit 150 PS. Mit W-Kennzeichnung und einer Größe von 225/45 R17 sind die Reifen jedoch auch für sportlichere Fahrzeugmodelle dimensioniert. Die Disziplinen: Bremsen und Handling jeweils nass und trocken, Aquaplaning und Kreisbahn nass sowie Dauerlauf und Hochgeschwindigkeit auf dem Prüfstand. Der Blick auf die wichtigsten Ergebnisse zeigt bei den beiden preisgünstigeren Reifen klar Schwächen gegenüber dem Referenz-Pneu. Beim Trockenbremstest aus 100 Stundenkilometern setzt der Goodyear die Benchmark mit 36 Metern. Der Golf auf Goodride braucht dann noch 80 Zentimeter mehr, der auf den King-Meilers steht sogar erst bei 38,3 Metern.

Nass erwischt

Beim Bremstest auf nasser Fahrbahn und aus 80 Stundenkilometern lässt dann auch der Goodride weiter nach. Er bringt das Auto erst nach 40 Metern zum Stillstand, der King-Meiler nach 40,5 Metern. Der Goodyear schafft das nach 35,1 Metern. Fazit: Wo der Golf auf Premiumreifen sicher zum Halten gebracht wird, sind Goodride und King-Meiler noch mit 28 beziehungsweise 29 Sachen unterwegs. „Das sind Restgeschwindigkeiten, die auf jeden Fall zu Verletzungen und stärkeren Beschädigungen führen können“, unterstreicht Salzinger.

Auf der nassen Kreisbahn punktet der Referenzreifen mit spürbar mehr Seitenhalt. Platzierung der durchschnittlichen Rundenzeiten: 1. Goodyear (14,33 Sekunden), 2. King-Meiler (14,77 Sekunden), 3. Goodride (14,79 Sekunden)

Platztausch dagegen beim Aquaplaning (8 Millimeter Wassertiefe): Während der chinesische Reifen erst bei einer Geschwindigkeit von 82,4 Stundenkilometern den Grip verliert, droht das Aufschwimmen beim Goodyear bereits bei 79,3 Sachen, der Runderneuerte verliert den Kontakt zur Fahrbahn noch etwas früher, nämlich bei 78,2 km/h.

Im Labor getestet

Zusätzlich zu den realen Fahrtests auf der Testrecke in Mireval haben die Reifenexperten von TÜV SÜD erstmals für den Test der Autozeitschrift auto-illustrierte auch umfangreiche Standardtests auf dem Prüfstand in den eigenen Labors in Garching bei München durchgeführt. Dazu gehörten ein 34-Stunden-Dauerlauftest sowie ein Schnelllauftest in Anlehnung an die zulassungsrelevante ECE-Methode. Dabei laufen die Reifen ab 240 Stundenkilometern stufenweise auf 270 km/h hoch und halten das Tempo 20 Minuten lang. Zusätzlich gab es im Anschluss noch eine Testverschärfung: eine Stunde lang unter 2° Sturz bei maximal zugelassener Geschwindigkeit – in diesem Fall W-Kennzeichnung, also 270 Stundenkilometer. Der runderneuerte Reifen hat hier nur den Dauerlauftest defektfrei bestanden, während sowohl der Goodyear wie auch der Goodride alle Härtetests ohne Beanstandungen absolviert haben.

An der falschen Stelle gespart

Fazit des TÜV SÜD-Reifenfachmanns Salzinger: „Die beiden getesteten Reifen aus dem unteren Preissegment haben in Sachen Fahrsicherheit und Performance gegenüber dem Premiumreifen deutlich weniger zu bieten. Der runderneuerte Pneu hat zudem unter Höchstbelastung am Prüfstand deutliche Schwächen gezeigt. Auch wenn der Dauerlauftest auf dem Prüfstand fehlerfrei bestanden wurde: Den Nachweis über die Beständigkeit an der Belastungsgrenze blieb er schuldig. Und dass der Runderneuerte im vorliegenden Test leistungsmäßig auch dem Billigprodukt aus China kaum das Wasser reichen konnte, ist angesichts der begrüßenswerten positiven ökologischen Aspekte keine gute Nachricht.“

Die ausführlichen Ergebnisse des Reifentests stehen ab dem 31. Juli in der August-Ausgabe der auto-illustrierten.

TÜV SÜD betreibt in Garching bei München das größte unabhängige Reifen-/Räder-Labor seiner Art in Europa. Die Experten sind hier seit vielen Jahren der kompetente Partner der Reifen- und Fahrzeugindustrie, wenn es um Reifen und Räder geht.

Über die TÜV SÜD AG

Im Jahr 1866 als Dampfkesselrevisionsverein gegründet, ist TÜV SÜD heute ein weltweit tätiges Unternehmen. Mehr als 25.000 Mitarbeiter sorgen an über 1.000 Standorten in rund 50 Ländern für die Optimierung von Technik, Systemen und Know-how. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag dazu, technische Innovationen wie Industrie 4.0, autonomes Fahren oder Erneuerbare Energien sicher und zuverlässig zu machen. www.tuvsud.com/de

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