Energie- / Umwelttechnik

Solaraktive Gebäude bringen den Klimaschutz voran: Umweltministerium Baden- Württemberg fördert Projekt zu bauwerksintegrierter Photovoltaik mit 1,5 Millionen Euro

Auf dem Weg zum klimaneutralen Baubestand bietet gebäudeintegrierte Photovoltaik ein enormes Potenzial für zusätzliche nachhaltige Stromerzeugung. Mit rund 1,5 Millionen Euro fördert das Umweltministerium Baden-Württemberg ein Forschungsprojekt zu Bauwerksintegrierten Photovoltaik-Anlagen, kurz: BIPV. Die Übergabe des Bewilligungsbescheides fand am 9. Juli 2020 im Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart-Vaihingen statt. Auf Initiative der Architektenkammer Baden-Württemberg (AKBW) erarbeiten vier Projektpartner bis Anfang 2023 einen Leitfaden für optimale Planungs- und Bauprozesse sowie den Entwurf einer BIPV-Richtlinie als Empfehlung für die Politik. Ziel ist, den Ausbau der Solarstromerzeugung am Gebäude über integrierte Dachelemente, PV-Ziegel und Fassaden-bauteile zu beschleunigen.

„Die photovoltaische Solarenergie (PV) ist eine Schlüsseltechnologie für die Energiewende. Bei einem Bedarf von etwa der vierfachen PV-Leistung in Baden-Württemberg bis 2050 gilt es, künftig nicht nur die Dachflächen, sondern die ganze Gebäudehülle für die Solarnutzung zu erschließen. Angesichts der damit einhergehenden stadtbildprägenden Wirkung sehen wir uns darüber hinaus gefordert, diese PV-Anlagen nunmehr als eigenständiges Element der Baukultur weiter zu entwickeln“, so Umweltminister Franz Untersteller, MdL beim Übergabetermin am ZSW in Stuttgart-Vaihingen. „Das interdisziplinäre Forschungsprojekt zur Gebäudeintegrierten PV ist wegweisend, weil es prozessual und projekthaft denkt. Die gewonnenen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen werden für Architekten, Bauherren, Hersteller und auch die politischen Ent-scheider von Nutzen sein.“

„Die Gebäudeintegrierte PV ist ein Markt der Zukunft. Baden-Württemberg hat gute Chancen, mit Produkten zur integrierten Solarenergiegewinnung Industriepolitik zu betreiben. Wenn es gelingt, die alle mitzunehmen, könnte dies der Start sein für eine Rückkehr der PV-Modulproduktion ins Land“, so der Präsident der Architektenkammer, Markus Müller. „Das Projekt ist aber auch deshalb ein großer Gewinn, weil es zeigt, wie aus der Vernetzung unterschiedlicher Partner zukunftsweisende Innovationen entstehen können.“ Die Architektenkammer stellt mit Jochen Stoiber und Sophie Luz die wissenschaftliche Begleitung und Koordinierung des Projekts.

„Über Ertragssimulationen, ein kostengünstiges Mess-System für die Bauherren sowie eine Datenbank mit den harmonisierten Daten aller bauwerksintegrierten PV-Anlagen bereiten wir die Erkenntnisse aus bisherigen Projekten auf“, so Prof. Dr. Michael Powalla, Mitglied des Vorstands und Leiter des Geschäftsbereichs Photovoltaik, zur Aufgabe des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) im Projekt. „Mit Hilfe dieser Daten und den Betriebserfahrungen aus unserer eigenen Solarfassade können Bauherren und Planer nicht nur die technische Ausführung optimieren sondern auch die Wirtschaftlichkeit über die Nutzungsdauer bewerten.“

Für die Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) ist das Fachgebiet Energieeffizientes Bauen involviert. „Wir freuen uns über den Projektstart und die Möglichkeit, die Erfahrung unseres Fachgebiets in die Entwicklung neuer Informations- und Planungstools zur Förderung der gebäudeintegrierten Photovoltaik als wichtiges Instrument für einen klimaneutralen Gebäudebetrieb einbringen zu können,“ so der Leiter des Fachgebietes Professor Dr. Thomas Stark.

Prof. Dr. Andreas Bett, Institutsleiter Fraunhofer ISE und Professor für ‚Solare Energie – Materialien und Technologien‘ an der Universität Freiburg, zeigte sich überzeugt: "Durch die mit dem Projekt BIPV-Initiative angestrebte Vereinfachung der Planung und Realisierung und mit am Fraunhofer ISE entwickelten hocheffizienten farbigen Solarmodulen, kann der Photovoltaikausbau in Baden- Württemberg vorangebracht und die Energiewende in der Gesamtheit beschleunigt werden." Projektträger ist die PTKA des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

BIPV-Projekt: Der dringend notwendige Ausbau der Photovoltaik in Deutschland könnte durch die gebäudeintegrierte Photovoltaik erheblich gestärkt werden. Dem stehen einige Hindernisse entgegen: Informationsdefizite und unzureichende rechtliche Regelungen sowie das Fehlen einer sich aktualisierenden Datenbank für Hersteller und einer unzureichend verfügbaren Produktpalette. Auf dieser Basis entstand die Projektdefinition. Die Laufzeit beträgt 36 Monate. Anfang 2023 sollen die Ergebnisse aus den Arbeitspaketen vorliegen: Eine Dokumentation bisheriger BIPVProjekte, gewonnen aus der HTWG-Datenbank aus 20 Jahren, ein Leitfaden mit konkreten Hilfestellungen zu unterschiedlichen Planungsphasen für Architekten, Fachplaner, Bauherren, Modulhersteller sowie der Entwurf für eine BIPV-Richtlinie und Empfehlungen an die Politik.

Hintergrund: Die Studie „Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem“ des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE Freiburg zeigt Potenziale auf, wie mit bislang ungenutzten Gebäudeflächen die bundesweiten Klimaschutzziele für das Jahr 2050 erreicht werden können. Nimmt man einen Ansatz von 5 Quadratmeter pro KWh, sind in Baden-Württemberg 130 Millionen Quadratmeter BIPV-Fläche (Bund: 1 Milliarde) zu installieren, um die benötigte Leistung von 26 GigawattPeak für grünen Strom zu erreichen.

Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) gehört zu den führenden Instituten für angewandte Forschung auf den Gebieten Photovoltaik, regenerative Kraftstoffe, Batterietechnik und Brennstoffzellen sowie Energiesystemanalyse. An den drei ZSW-Standorten Stuttgart, Ulm und Widderstall sind derzeit rund 280 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker beschäftigt. Hinzu kommen 100 wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte. Das ZSW ist Mitglied der Innovationsallianz Baden-Württemberg (innBW), einem Zusammenschluss von 13 außeruniversitären, wirtschaftsnahen Forschungsinstituten. (www.zswbw. de)

Im Jahr 1906 als Technikum gegründet prägen heute das Lernen und Arbeiten in Kleingruppen und Projekten mit hoher Praxisorientierung das Profil der HTWG Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung. Rund 5000 junge Menschen studieren in den Fakultäten Architektur und Gestaltung, Bauingenieurwesen, Elektrotechnik und Informationstechnik, Informatik, Maschinenbau sowie Wirtschafts-, Kultur- und Rechtswissenschaften. In Forschung und Entwicklung, Technologietransfer und Weiterbildung ist die HTWG zuverlässiger Partner für innovationsorientierte Unternehmen in der Region. (www.htwg-konstanz.de)

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE ist das größte europäische Solarforschungsinstitut. Im Rahmen der Forschungsschwerpunkte Energieeffizienz, Energiegewinnung, Energieverteilung und Energiespeicherung schafft es technische Voraussetzungen für eine effiziente und umweltfreundliche Energieversorgung. Hierzu entwickelt das Institut Materialien, Komponenten, Systeme und Verfahren in insgesamt fünf Geschäftsfeldern. In der Photovoltaik liegt ein strategischer Schwerpunkt auf der Integrierten Photovoltaik, also der Integration von Solarmodulen in unsere bebaute Umwelt. Das Institut ist Mitglied der Fraunhofer-Gesellschaft, der größten Organisation für anwendungsorientierte Forschung in Europa. (www.ise.fraunhofer.de)

Über Architektenkammer Baden-Württemberg

Die Architektenkammer Baden-Württemberg ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und zählt rund 25.700 Mitglieder aus den Bereichen Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur sowie Stadtplanung. Als Organ der Selbstverwaltung ist sie gleichzeitig Dienstleister und Kontrollinstanz. Die Kammer berät ihre Mitglieder bei technischen und rechtlichen Fragen und fördert die Baukultur und das Bauwesen. Gegenüber Politik und Gesellschaft nimmt sie zu wichtigen Belangen des Baugeschehens Stellung und wirkt bei Gesetzesvorhaben und Verordnungen mit. Die Landesgeschäftsstelle in Stuttgart hat rund 55 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. (www.akbw.de)

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