ThemenCheck Medizin: Weitere drei HTA-Berichte zu Bürgerfragen fertiggestellt
Aktuell haben vom IQWiG beauftragte externe Wissenschaftlerteams im Rahmen des ThemenCheck Medizin drei unterschiedliche Fragestellungen untersucht: den Einfluss von Screeningmaßnahmen auf das Behandlungsergebnis bei Hodenkrebs, den Einfluss von Dauer und Häufigkeit einer Physiotherapie bei Halswirbelsäulensyndrom (HWS-Syndrom) und den Einfluss von Licht- und Vitamin-D-Therapie bei der Herbst-Winter-Depression.
Für alle drei Fragestellungen liegen jetzt die Ergebnisse in Form von HTA-Berichten sowie den allgemein verständlichen Kurzformen „HTA kompakt“ vor. Diese sind nun nicht nur auf der Website des ThemenCheck Medizin veröffentlicht, sondern werden vom IQWiG auch an die Institutionen und Akteure weitergeleitet, die über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung und die Ausgestaltung des Gesundheitswesens entscheiden. Auf diese Weise können die Ergebnisse der HTA-Berichte direkte Auswirkungen auf die Versorgung von Patientinnen und Patienten haben.
„Wir sind froh, mit dem ThemenCheck Medizin ein Verfahren an der Hand zu haben, mit dem wir medizinische Fragen von Bürgerinnen und Bürgern aufnehmen und wissenschaftlich beantworten können. So konnten wir wieder drei für die Bürgerinnen und Bürger drängende Fragen klären.“
— Laura Krabbe
Derzeit keine Empfehlung für Screening auf Hodenkrebs
Es liegen keine Studien zur Untersuchung des Nutzens oder Schadens einer Früherkennungsuntersuchung auf Hodenkrebs bei Männern vor. So gibt es weder für den Nutzen der ärztlichen Tast- und Ultraschalluntersuchung noch für den Nutzen der Tasteigenuntersuchung einen wissenschaftlichen Beleg.
Auf der Basis von Daten aus Krebsregistern leiten die externen Sachverständigen der Privatuniversität UMIT Tirol her, dass unter anderem wegen der niedrigen Fallzahlen und der guten Behandelbarkeit des Hodenkrebses ein nur sehr geringes theoretisches Nutzenpotenzial der Hodenkrebsfrüherkennung bei Männern ab 16 Jahren zu erwarten ist: Um nur einen Todesfall durch Hodenkrebs zu verhindern, müssten sich 200 000 Männer untersuchen lassen. Diesem theoretischen Nutzen ständen aber mögliche Schäden durch unnötige Untersuchungen und gegebenenfalls nachfolgende invasive Maßnahmen bei Verdachtsfällen gegenüber. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten daher fest, dass derzeit regelmäßige Maßnahmen zur Früherkennung von Hodenkrebs bei Männern ab 16 Jahren nicht empfohlen werden können.
Diese Aussagen des Berichtes gelten allerdings nur für ein allgemeines Hodenkrebsscreening bei jungen Männern. Zu einer anderen Einschätzung des Nutzens von Früherkennungsuntersuchungen käme man möglicherweise, wenn Männer mit spezifischen Risikofaktoren betrachtet werden. Generell gilt, dass bei Auffälligkeiten am Hoden immer eine Untersuchung beim Arzt erfolgen sollte.
Halswirbelsäulensyndrom: Einfluss von Dauer und Häufigkeiten einer Physiotherapie auf den Behandlungserfolg bleibt offen
Als Halswirbelsäulensyndrom (HWS-Syndrom) wird eine Reihe von Beschwerden im Schulter-Nacken-Bereich bezeichnet, die rund ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Europa zumindest zeitweise betreffen. Die Ursachen und die Symptome sind vielschichtig und können zu Einschränkungen im Berufs- und Privatleben der Betroffenen führen. Eine der möglichen Therapien ist die Physiotherapie, deren Nutzen in verschiedenen systematischen Übersichten und Studien schon bestätigt wurde.
Davon ausgehend, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Witten/Herdecke nun untersucht, inwiefern eine variierende Behandlungsdauer, -häufigkeit und/oder -frequenz einer Physiotherapie Einfluss auf den Behandlungserfolg bei einem HWS-Syndrom hat. Sie konnten zwar drei hochwertige Studien identifizieren, in denen unterschiedliche Dauer, Häufigkeiten und/oder Frequenzen einer Massagetherapie, einer Kombination aus Massage- und Wärmetherapie sowie aktiver Krankengymnastik im Bewegungsbad untersucht wurden. Die in den Studien untersuchten Therapien entsprechen aber kaum der derzeitigen Versorgungrealität in Deutschland. Deshalb kommt das Forscherteam zu dem Ergebnis, dass die Studienlage nicht ausreichend ist, um die Bürgerfrage beantworten zu können.
Lichttherapie mit Lichtlampen: Hinweis auf kurzfristigen Nutzen bei Herbst-Winter-Depression
Rund 2,5 % der Bevölkerung im deutschsprachigen Raum sind jährlich von einer Herbst-Winter-Depression betroffen. Bei einem Großteil kommt die Erkrankung im darauffolgenden Jahr wieder. Die Betroffenen haben saisonal auftretende Symptome wie gedrückte Stimmung, Interesselosigkeit, fehlender Antrieb, extreme Müdigkeit oder Heißhungerattacken, die häufig mit einer Gewichtszunahme einhergehen. Durch die auftretenden Symptome kann es zu Einschränkungen im Berufs- und Privatleben kommen.
Für die Bewertung des Nutzens und Schadens der Lichttherapie konnte das vom IQWiG beauftragte Wissenschaftlerteam der Donau-Universität Krems 21 hochwertige Studien einschließen. In 16 Studien wurde die Lichttherapie mit Placebo verglichen, in drei Studien mit einer kognitiven Verhaltenstherapie und in zwei Studien mit dem Antidepressivum Fluoxetin.
Es gibt Hinweise darauf, dass die Lichttherapie mittels aufstellbarer Lichtlampen die Depressionssymptomatik nach einer Interventionsdauer zwischen zwei und acht Wochen stärker verbessert als eine Placebo-Behandlung. Der Nutzen von Lichtlampen gegenüber Fluoxetin oder einer kognitiven Verhaltenstherapie ist hingegen vergleichbar. Allerdings fehlt es an Langzeitdaten zur Lichttherapie, weil die Betroffenen nur unmittelbar nach der zwei- bis achtwöchigen Therapiephase befragt, jedoch nicht länger nachbeobachtet wurden.
Zur Behandlung einer Herbst-Winter-Depression mit Vitamin D konnte das externe Wissenschaftlerteam keine Studien identifizieren.
Themen-Vorschläge jederzeit möglich
„Wir sind froh, mit dem ThemenCheck Medizin ein Verfahren an der Hand zu haben, mit dem wir medizinische Fragen von Bürgerinnen und Bürgern aufnehmen und wissenschaftlich beantworten können. So konnten wir wieder drei für die Bürgerinnen und Bürger drängende Fragen klären.“
Vorschläge für neue Themen sind willkommen und können jederzeit online und ohne medizinische Fachkenntnisse eingereicht werden: Unter https://www.themencheck-medizin.iqwig.de/de/thema-vorschlagen.4.html können die Fragen in ein Formular eingegeben werden. Offene Punkte klärt das ThemenCheck-Team, falls nötig, anschließend direkt mit den Einreichenden im telefonischen Kontakt.
Alle bis zum 31. Juli 2020 beim ThemenCheck Medizin eingegangenen Fragen gehen in die nächste Auswahlrunde ab August 2020 ein.
Das IQWiG ist ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen für Patienten untersucht. Wir informieren laufend darüber, welche Vor- und Nachteile verschiedene Therapien und Diagnoseverfahren haben können
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