Asklepios Klinik Burglengenfeld: Behandlungskonzept für COVID-19-Patienten mit Cortison zeigt Erfolge
- Chefarzt-Team hat bereits seit März Patienten mit entzündungshemmendem Medikament therapiert und damit schwere Krankheitsverläufe gestoppt
- Bislang musste kein mit Cortison behandelter Patient beatmet werden
- Neue Studie aus England bestätigt den Therapieansatz der Burglengenfelde
Chefärzte der Asklepios Klinik Burglengenfeld (Bayern) haben bislang 35 an einer COVID-19-Pneumonie erkrankte Patienten behandelt. Mit einer frühen, gezielten Cortison-Stoßtherapie konnten sie nach jetzigen Erkenntnissen Patienten vor einer gravierenden Verschlechterung des Gesundheitszustands, einer drohenden Beatmung sowie schweren Folgeschäden bewahren. Die Therapie mit Cortison wurde in Burglengenfeld erstmals im März angewendet, als weltweit noch kaum ein Ärzteteam diesen Ansatz verfolgte. Im Nachhinein sehen sich die Ärzte in Burglengenfeld jetzt in ihrem Vorgehen bestätigt, denn zum einen musste seither keiner der COVID-19-Patienten in Burglengenfeld künstlich beatmet werden. Und zum anderen hat eine große Studie aus Großbritannien gerade bestätigt, dass eine Cortison-Therapie bei COVID-Erkrankungen mit einem Überlebensvorteil bei schwerem Verlauf verbunden ist. Die Burglengenfelder gehen noch weiter: Entscheidend ist die frühe Erkennung des bevorstehenden schweren Verlaufes und der rechtzeitige Beginn der Cortisonbehandlung, um eine Beatmung möglichst ganz zu vermeiden. Damit steigen die Überlebenschancen und auch die Chance, wenig bis keine Folgeschäden davonzutragen.
„Diese Erkrankung erwischte uns – wie auch die ganze Welt – kalt. Dafür gab es keine Blaupause, kein Rezept, keine geprüfte Therapie“, erinnert sich Dr. Jörg-Heiner Möller, Chefarzt der Kardiologie. „Die ersten Fälle mit COVID-19, die zu uns in die Klinik kamen, zeigten das ganze Ausmaß der Erkrankung und oft eine rasante Verschlechterung. Eine künstliche Beatmung schien dann unvermeidlich“, so Dr. Möller. Zusammen mit seinen chefärztlichen Kollegen Dr. Josef Zäch (Ärztlicher Direktor) und Dr. Michael Schütz (Chefarzt Anästhesie und Intensivmedizin) saß er zu Beginn der Corona-Pandemie viele Stunden zusammen. Die erfahrenen Ärzte diskutierten fachübergreifend und intensiv die besten Behandlungsmethoden. „Es kristallisierte sich schnell heraus, dass nicht die eigentliche Infektion zum Tod führt, sondern vor allem der erhebliche Lungenschaden etwa zwei bis drei Wochen nach Beginn der Infektion. Spätestens hier war uns klar, dass wir gemeinsam nach Alternativen suchen mussten und dass es nicht das eine Medikament, nicht den einen Behandlungsansatz gibt, sondern wir entsprechend des Krankheitsverlaufs handeln mussten“, so Dr. Schütz. Und Herzspezialist Dr. Möller ergänzt: „Meine Erfahrung aus früheren Tätigkeiten war: Wenn bei Herztransplantationspatienten eine Abstoßung des Organs drohte, haben wir vor einigen Jahren erfolgreich mit hohen Dosen Cortison behandelt – eine Erfahrung, die wir uns jetzt zunutze machten. Und der Verlauf des Lungenschadens erinnert ja in einer gewissen Weise an den Verlauf einer Abstoßungsreaktion.“
Antivirale Therapie + Blutverdünnung + Cortison-Therapie = deutliche klinische Verbesserung bei schwerer Verlaufsform
Grundlage war die Vermutung, dass nicht das neue Corona-Virus selbst, sondern eine übersteigerte Immunabwehr des Körpers („Hyperinflammation“) gegen die infizierte Lunge für den Tod der COVID-19-Patienten verantwortlich sein könnte. Die Ärzte entschieden sich, die Cortison-Therapie einzusetzen, in ähnlicher Weise, wie z. B. Abstoßungsreaktionen nach Herztransplantation behandelt werden, bei denen es auch darum geht, die Abwehr des Körpers zu drosseln. Zudem beobachtete man in den Kliniken weltweit schon früh eine erhebliche Neigung zu Thrombosen, Schlaganfällen, Herzinfarkten und anderen Gefäßverschlüssen, so dass bald routinemäßig eine mehr oder weniger hochdosierte Blutverdünnung durchgeführt wurde.
Konkret bedeutet dies in Burglengenfeld: Das Standard-Behandlungskonzept sieht bei einer COVID-19-Erkrankung zunächst eine antivirale Therapie sowie supportive Therapie mit Zink und Vitamin C vor. Zudem erhalten die Patienten eine je nach Krankheitsschwere mehr oder weniger hochdosierte Blutverdünnung. Außerdem erfolgt eine tägliche Messung von bestimmten Entzündungswerten wie CRP (C-reaktives Protein) und Procalcitonin. Mithilfe der Konstellationen dieser Werte hat man einen Anhaltspunkt dafür, ob eine überschießende Immunreaktion oder eine andere Infektion die Verschlechterung des Zustandes erklärt. Liegt der Verdacht auf eine überschießende Immunreaktion vor, so wird sofort mit einer Cortison-Therapie gegengesteuert, mit erstaunlich positivem Erfolg. Dr. Schütz: „Wir denken, dass die Entstehung der späten fibrotischen Lungenveränderungen durch diese frühe immunsuppressive Therapie verhindert werden kann.“
Es gibt aktuelle Zahlen, die das Burglengenfelder Behandlungskonzept in ein positives Licht stellen: Während das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO), die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und die Technische Universität Berlin gerade in einer Studie davon berichteten, dass 22 Prozent aller an deutschen Krankenhäusern eingelieferten Corona-Patienten verstorben sind, lag die Sterblichkeitsquote in Burglengenfeld rechnerisch deutlich darunter, auch musste nach den Anfangstagen kein Patient mehr künstlich beatmet werden. Dr. Möller: „Zwischen März und Juni 2020 behandelten wir 35 Patienten mit schwerer COVID-19-Pneumonie. Die Gruppe bestand aus 17 Frauen (Durchschnittsalter 65 Jahre) und 18 Männern (Durchschnittsalter 63 Jahre). Der jüngste war 26 und der älteste 88 Jahre alt. Fast alle benötigten eine Unterstützung mit Sauerstoffgabe und 21 der Gruppe hatten das typische Fortschreiten der COVID-19-Pneumonie.“
Inzwischen erschien Mitte Juni 2020 eine hochrangige und anerkannte Studie aus England, die über die Anwendung von Dexamethason (ein Cortison-Präparat) berichtet und die Therapieerfolge der Burglengenfelder damit indirekt bestätigte. In der Mitte Juli 2020 im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie wurden mehr als 6.000 Patienten verglichen, eine Gruppe erhielt Cortison, die andere nicht. Es zeigte sich, dass beim Vorliegen eines schweren Verlaufes Cortison zu einer geringeren Sterblichkeit führte. Der Ansatz in Burglengenfeld ist differenzierter, denn dort wurden die Patienten nur dann mit Cortison behandelt, wenn sie eine bestimmte Konstellation der Entzündungswerte aufwiesen. Es handelte sich beim Ansatz in Burglengenfeld weiterhin um eine Cortison-Therapie von nur drei Tagen, die höher dosiert war als die englische Studie von den dortigen Fällen berichtet. Letztlich hat man in der Studie die Cortison-Therapie im Prinzip als wirksam beim schweren Verlauf bestätigen können. Naturgemäß kennt man dann aber immer noch nicht die optimale Dosis, denn es wurde nur eine Dosis geprüft. „Wir vermuten, dass die ideale Dosis beim schweren Verlauf auch vom Krankheitsstadium abhängig und damit nicht in Stein gemeißelt ist“, so Dr. Zäch.
„Vor allem für Länder ohne Intensivkapazitäten und ohne ausreichende Beatmungsgeräte stellen die Früherkennung des schweren Verlaufes anhand Routine-Laborwerten und die einfache Möglichkeit, gezielt mit einem preisgünstigen Standardmedikament wie Cortison zu behandeln, oft die einzige Möglichkeit des Überlebens der betroffenen Menschen dar, bevor es die COVID-19-Impfung irgendwann vielleicht einmal geben wird“, ist sich Dr. Möller sicher. Er hatte ärztlichen Kollegen im Ausland, unter anderem in Indien und im Iran, bereits im März und dann auch in den Folgemonaten vom Therapieansatz mit Cortison und den Erfolgen in Burglengenfeld berichtet. Die Rückmeldungen der Kollegen insbesondere aus Indien, einer der am schwersten getroffenen Regionen der Welt, haben ihn und seine Kollegen dann nochmals darin bestärkt, diese Therapie weiter zu nutzen. Denn allein in Indien, so die persönliche Rückmeldung eines Arztes aus Bangalore (Indien), hat die frühe, gezielt eingesetzte Cortison-Stoßtherapie vermutlich bereits tausenden Menschen das Leben gerettet.
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