Natur & Garten

Das Moor kann wieder wachsen

Sieben Jahre nach den Renaturierungen im nördlichen Federseeried sind dort erstmals Torfmoose aufgetaucht. Damit besteht eine Chance, dort wieder Moorwachstum zu initiieren. Das belegen die Untersuchungen der Botanikerin Dr. Astrid Grüttner.

„Die Abtragung der obersten zersetzten Torfschicht in Teilbereichen des nördlichen Federseeriedes war das Beste, was man für den botanischen Artenschutz im Federseemoor tun konnte“ fasst die Gutachterin für Naturschutz und Landschaftsökologie Dr. Astrid Grüttner die Ergebnisse ihrer pflanzenkundlichen Bestandserfassung auf renaturierten Flächen im nördlichen Federseeried zusammen. Auf rund 100 Hektar waren im Jahr 2013 im Rahmen eines von der EU geförderten Projekts umfangreiche Moorschutzmaßnahmen durchgeführt worden mit dem Ziel, die tiefgründige Entwässerung auf den mittlerweile dem Land gehörenden Arealen aufzuheben. Grüttners botanisches Augenmerk galt insbesondere jenen Bereichen, in denen die oberste, durch Entwässerung zerstörte Torfschicht flächig abgetragen worden war. Im Anschluss waren die Flächen mit aus Spenderflächen gewonnenem Mahdgut geimpft worden. Dies sollte gewährleisten, dass auf den abgeschobenen Flächen standorttypische Pflanzenarten als erstes „in den Startlöchern stehen“.

Renaturierungen waren erfolgreich

„Das Entfernen der durch Sauerstoffzutritt degradierten Auflage gab konkurrenzschwachen Moorpflanzen die Möglichkeit, die darunterliegende noch intakte Torfschicht zu besiedeln“ erklärt Grüttner. Mit Erfolg, wie ihre botanische Bestandsaufnahme offenbart. „Wie sich zeigt, werden durch eine alleinige Vernässung vor allem Großseggenbestände gefördert, deren Artenvielfalt geringer ist“ berichtet die Wissenschaftlerin und stellt heraus: „Auf den Abtragungsflächen sind dagegen teilweise Pfeifengraswiesen und kalkreiche Niedermoore entstanden. Diese Lebensraumtypen gelten nach der europäischen FFH-Richtlinie als besonders schützenswert.“

Rückkehr der Artenvielfalt

Auf den Abschiebeflächen konnten sich unter anderem Pracht-Nelke (Dianthus superbus) und Sumpfläusekraut (Pedicularis palustris) ansiedeln, in der Roten Liste Baden-Württembergs als „gefährdet“ bzw. sogar als „stark gefährdet“ aufgeführt, daneben die Floh-Segge (Carex pulicaris) und zwei Wollgras-Arten (Eriophorum angustifolium und E. latifolium). Bemerkenswert, so die Expertin weiter, sei die Etablierung einer gegenüber der letztjährigen Untersuchung noch besser ausgeprägten, artenreichen Schicht aus standortgerechten Moosen. Eine große Überraschung sei der Nachweis mehrerer fruchtender Exemplare des gefährdeten Karlszepters (Pedicularis sceptrum-carolinum) – bisher wuchs es nur an wenigen Stellen im Naturschutzgebiet Federsee. Das belegt: Die Art ist durchaus in der Lage, sich an geeigneten Stellen zu etablieren, vorausgesetzt, die Samen erreichen die Flächen. „Solche Arten, bei denen ein Ferntransport der Samen schwierig ist, wurden durch die Impfung mit hiesigem Mahdgut nachweislich gefördert“ resümiert die Botanikerin. Ihr persönliches Highlight sei der Nachweis von Sumpfherzblatt (Parnassia palustris), Rostrotem Kopfried (Schoenus ferruginosus) und der Sauergrasart Carex davalliana. Diese botanischen Raritäten sind nämlich Kennarten des in der FFH-Richtlinie ausgewiesenen besonders schutzwürdigen Lebensraumtyps „Kalkquellmoor“.

Pflegekonzeption schützt seltene Moorarten

Das Auftreten – oder Ausbleiben – bestimmter Kennarten verrät also viel über die Nährstoff- und Wasserverhältnisse einer Fläche. So zeigt das Hinzukommen von Torfmoosen, dass mit dem zersetzten Torf erfolgreich Nährstoffe aus den Flächen entfernt und wieder dauerfeuchte Standortverhältnisse geschaffen wurden, wie sie vor der Entwässerung und intensiven Bewirtschaftung herrschten. Und damit geht die erfolgreiche Etablierung seltener Arten über den botanischen Artenschutz hinaus, denn Torfmoose bergen eine enorme Zukunftsperspektive. „Durch die Besiedlung mit Sphagnen besteht eine Chance, dort wieder Moorwachstum anzustoßen – ein Beitrag zum Klimaschutz“ bewertet Dr. Katrin Fritzsch, Leiterin des NABU-Naturschutzzentrums Federsee, die Entwicklung auf den Flächen. „Um zurückgekehrte konkurrenzschwache Moorarten wie das Karlszepter gegenüber konkurrenzkräftigen „Allerweltsarten“ nachhaltig zu fördern, bedarf es allerdings einer speziell darauf abgestimmten Pflegekonzeption“ weiß die NABU-Mitarbeiterin. Unter anderem eine späte Mahd begünstigt solche botanischen Kostbarkeiten, für die das Federseeried teilweise der einzige Fundort im Land ist.

i: Infos zur Federseenatur und zur Moorrenaturierung im Rahmen der EU-LIFE-Projekte unter www.NABU-Federsee.de

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