Erwerbstätigkeit im 2. Quartal 2020: Größter Rückgang seit der deutschen Vereinigung
– 0,9 % zum Vorquartal
– 1,3 % zum Vorjahresquartal
Im 2. Quartal 2020 waren rund 44,7 Millionen Personen mit Arbeitsort in Deutschland erwerbstätig. Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) ging die Erwerbstätigenzahl im Vergleich zum 1. Quartal 2020 saisonbereinigt um 618 000 Personen oder 1,4 % zurück und damit so stark wie noch nie seit der deutschen Vereinigung. Im Vergleich zum 4. Quartal 2019, dem Quartal vor Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland, ging die Zahl der Erwerbstätigen im 2. Quartal 2020 saisonbereinigt ebenfalls um 1,4 % oder 634 000 Personen zurück.
Nicht saisonbereinigt sank die Zahl der Erwerbstätigen gegenüber dem Vorquartal um 397 000 oder 0,9 %. Normalerweise steigt die Erwerbstätigkeit im 2. Quartal eines Jahres aufgrund der üblichen Frühjahrsbelebung stark an – im Durchschnitt der letzten fünf Jahre in einem 2. Quartal um 0,9 % (409 000 Personen). Im Zuge der Corona-Pandemie seit der zweiten Märzhälfte ist in diesem Jahr jedoch statt eines Anstiegs ein außergewöhnlich großer Rückgang zu verzeichnen.
Rückgang der Erwerbstätigkeit um 1,3 % gegenüber 2. Quartal 2019
Verglichen mit dem 2. Quartal 2019 sank die Zahl der Erwerbstätigen um 1,3 % (574 000 Personen). Im 1. Quartal 2020 hatte die Vorjahresveränderungsrate noch bei +0,3 % gelegen.
Die zur Eindämmung der Corona-Pandemie getroffenen Maßnahmen führen zu einer erhöhten Unsicherheit bei der Schätzung der Erwerbstätigenzahlen. Die massiv gestiegene Kurzarbeit wirkte sich dabei nicht auf die Erwerbstätigenzahlen aus, da Kurzarbeitende unabhängig vom Ausmaß der Kurzarbeit nach den Konzepten der Erwerbstätigenrechnung zu den Erwerbstätigen zählen und nicht als Erwerbslose.
Erwerbstätigenzahl in den Dienstleistungsbereichen erstmals seit 2003 rückläufig
Insgesamt waren im 2. Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahresquartal die Dienstleistungsbereiche am stärksten vom Rückgang der absoluten Erwerbstätigenzahl betroffen (-369 000 Personen; -1,1 %). Zuletzt sank hier die Beschäftigung gegenüber dem Vorjahr vor fast 17 Jahren (3. Quartal 2003: -70 000 Personen; -0,2 %). Die größten absoluten Beschäftigungsverluste verzeichneten dabei der Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe mit -272 000 Personen (-2,7 %) sowie die Unternehmensdienstleister, zu denen auch die Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften gehört (-156 000 Personen; -2,5 %). Auch bei den Sonstigen Dienstleistungen ging die Zahl der Erwerbstätigen stark zurück (-85 000 Personen; -2,8 %), während sich bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistern der bereits bestehende Abwärtstrend weiter fortsetzte (-10 000 Personen; -0,9 %). Beschäftigungsgewinne waren hingegen noch bei den Öffentlichen Dienstleistern, Erziehung, Gesundheit mit +141 000 Personen (+1,3 %), sowie im Bereich Information und Kommunikation (+18 000 Personen; +1,3 %) zu verzeichnen.
Im Produzierenden Gewerbe (ohne Baugewerbe) setzte sich der Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen im 2. Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahr verstärkt fort (-182 000 Personen; -2,2 %). Im Baugewerbe konnten hingegen noch Beschäftigungsgewinne von 11 000 Personen (+0,4 %) erzielt werden. In der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei sank die Zahl der Erwerbstätigen um 34 000 Personen (-5,3 %).
Weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, weniger Selbstständige
Der Rückgang der Erwerbstätigkeit geht zu gut drei Vierteln auf den Rückgang der Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurück, die sich im 2. Quartal 2020 im Vergleich zum 2. Quartal 2019 um 434 000 (-1,1 %) auf 40,64 Millionen Personen verringerte. Diese Entwicklung basierte sowohl auf Rückgängen bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten als auch bei der Zahl der Beschäftigten mit ausschließlich marginalen Tätigkeiten (geringfügig entlohnte und kurzfristig Beschäftigte sowie Personen in Arbeitsgelegenheiten). Der Rückgang von selbstständiger Tätigkeit setzte sich im 2. Quartal 2020 verstärkt fort: Die Zahl der Selbstständigen einschließlich mithelfender Familienangehöriger sank im Vergleich zum Vorjahresquartal um 140 000 Personen (-3,4 %) auf 4,02 Millionen.
Arbeitsvolumen sinkt stark um 10,0 %
Die Zahl der durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden je erwerbstätige Person verringerte sich nach ersten vorläufigen Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit im 2. Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahresquartal sehr stark um 8,8 % auf 297,3 Stunden. Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen – also das Produkt aus Erwerbstätigenzahl und geleisteten Stunden je erwerbstätige Person – sank im gleichen Zeitraum um 10,0 % auf 13,3 Milliarden Stunden. Hier zeigt sich insbesondere der Effekt der Inanspruchnahme von Kurzarbeit ab der zweiten Märzhälfte, der sich zwar nicht in der Zahl der Erwerbstätigen, aber in der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden niederschlägt.
Erwerbstätigenzahlen in der EU
Nach Angaben des europäischen Statistikamtes Eurostat vom 14. August 2020 sank im 2. Quartal 2020 in den 27 Ländern der Europäischen Union (EU) und im Euroraum die Erwerbstätigkeit gegenüber dem Vorjahresquartal stärker als in Deutschland. So betrug der Rückgang in der EU 2,7 % und im Euroraum 2,9 %.
Hinweis zu den bisher veröffentlichten Ergebnissen
Neben der Erstberechnung der Erwerbstätigenzahlen und der geleisteten Arbeitsstunden für das 2. Quartal 2020 wurden auch die bisher veröffentlichten Ergebnisse ab dem 1. Quartal 2016 im Rahmen der turnusmäßigen Überarbeitung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) neu berechnet. Aus der Neuberechnung resultieren für die vierteljährlichen Erwerbstätigenzahlen Vorjahresveränderungsraten, die maximal um 0,1 Prozentpunkte von den bisher veröffentlichten Ergebnissen abweichen. Die Entwicklungsraten der Jahresdurchschnitte bleiben unverändert.
Methodische Hinweise
In allen Meldungen zu Konjunkturindikatoren sind die unterschiedlichen Vergleichszeiträume zu beachten. Im Fokus der Konjunkturbeobachtung steht der Vergleich zum Vormonat/Vorquartal. Hieraus lässt sich der kurzfristige Trend der konjunkturellen Entwicklung ablesen. Der Vorjahresvergleich dient einem längerfristigen Niveauvergleich und ist von saisonalen Schwankungen unabhängig. In der aktuellen Corona-Krise kann es durch die starken Rückgänge insbesondere im März/April 2020 und die sich seitdem langsam wiedereinstellende Erholung zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen im Vormonats-/Vorquartalsvergleich und Vorjahresvergleich kommen. Wichtig sind beide Betrachtungsweisen: Wie ist der konjunkturelle Trend gemessen am Vormonats-/Vorquartalsvergleich, und wie weit ist der Aufholprozess im Vergleich zum Vorjahresniveau? Um zusätzlich einen direkten Vergleich zum Vorkrisenniveau zu ermöglichen, wird ab sofort in allen Pressemitteilungen zu Konjunkturindikatoren, die saisonbereinigt vorliegen, ein Vergleich zum Februar 2020 beziehungsweise zum 4. Quartal 2019 dargestellt.
Statistisches Bundesamt
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