Energie- / Umwelttechnik

Rechtsgutachten stellt fest: Artenschutzrechtliche Ausnahmen vom Tötungsverbot verstoßen bei Windenergieanlagen gegen europäisches Naturschutzrecht

„Die windkraftbedingte Tötung europäischer Vögel darf derzeit aus unionsrechtlichen Gründen nicht auf der Grundlage des § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 5 BNatSchG zugelassen werden. Ausnahmen vom Tötungsverbot können zugunsten der Windkraftnutzung auch nicht auf § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BNatSchG („öffentliche Sicherheit“) gestützt werden, weil Windenergieanlagen die Voraussetzungen dieser unionsbasierten Vorschriften nicht erfüllen.“

„Zu diesem Ergebnis kommt ein rechtswissenschaftliches Gutachten des Hochschullehrers und Rechtsanwaltes apl. Prof. Dr. Martin Gellermann im Auftrag des bundesweit anerkannten Umweltverbandes Naturschutzinitiative e.V. (NI)“, erklärte Harry Neumann, Bundesvorsitzender der NI.

Nachdem sich die 94. Umweltministerkonferenz (UMK) dafür aussprach, den Betreibern von Windenergieanlagen im Konfliktfall unter bestimmten Bedingungen die „Lizenz zum Töten“ heimischer Greifvögel zu erteilen, beauftragte die NI das jetzt vorliegende Rechtsgutachten.

Es sollte geklärt werden, ob es die im Katalog des § 45 Abs. 7 S. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) genannten Ausnahmegründe rechtfertigen können, bei Windenergieanlagen Ausnahmen vom Tötungsverbot zu erteilen.

„Auch das Verwaltungsgericht Gießen hatte unlängst im Rahmen einer Klage der NI klargestellt, dass Windenergieanlagen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht genehmigungsfähig sind, wenn ihr Betrieb streng geschützte Greifvögel wie den Mäusebussard einem hohen Tötungsrisiko aussetzen. Der Genehmigungsbescheid wurde daher vom Verwaltungsgericht Gießen aufgehoben“, so die NI.

Windenergieanlagen, die  von den zuständigen Behörden genehmigt werden, obwohl diese das Tötungsrisiko für Vögel der europäischen Arten in signifikanter Weise erhöhen, erhebliche Störungen der Individuen hervorrufen oder zur Schädigung geschützter Niststätten führen, sind aufgrund der restriktiven Auslegung des Art. 9 der Vogelschutz-Richtlinie 2009/147/EG durch den EuGH mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, so das Ergebnis des Gutachtens.

Auch keine Ausnahme aufgrund von „Interesse der öffentlichen Sicherheit“

Das Gutachten stellt ebenfalls fest, dass Windkraftnutzung auch keine im ‚Interesse der öffentlichen Sicherheit‘ gelegene Maßnahme sei. Dies umso weniger, als sich die Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland traditionell auf hohem Niveau befindet. Nach den Erkenntnissen des Bundeswirtschaftsministeriums selbst sei diese weder aktuell noch perspektivisch gefährdet (BMWi, Monitoringbericht Juni 2019). „Da auch der Bundesgesetzgeber dem europäischen Artenschutzrecht den ihm gebührenden Respekt zu erweisen hat, kann er aus eigener Kraft den aktuellen Rechtszustand nicht verändern“, betonte Dr. Ulrich Althauser, stv. Bundesvorsitzender der NI.

Das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Gellermann verdeutlicht die strikt zu beachtenden rechtlichen Grenzen, die in einem Rechtsstaat auch dann nicht überschritten werden dürfen, wenn dies von den Lobbyisten der Windindustrie gefordert wird. Was Recht ist, muss Recht bleiben. Eine Lizenz zum Töten darf es nicht geben.

„Bei diesem Gesetzentwurf auf Druck der Windlobby handelt es sich eher um ein Demokratieabbaugesetz, das nicht hingenommen werden kann. Wir fordern die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen und die Bundestagsabgeordneten, diesem nicht zuzustimmen.

Wir fordern die Bürgerinnen und Bürger auf, bei Ihren Bundestagsabgeordneten, dem Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium per Email, Telefon, Telefax oder Postkarte gegen die geplanten Änderungen im sogenannten Investitionsbeschleunigungsgesetz zu protestieren. Denn dieser Gesetzentwurf stellt einen Angriff auf den Naturschutz und die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten von Bürgern und Verbänden dar“, so Harry Neumann und Dr. Ulrich Althauser.

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