Schluss mit der ‚Saure-Gurken-Zeit‘: Bautzener Kastengurke ist neuer Arche-Passagier
Bis in die 1940er Jahre war die Bautzener Kastengurke in der Region Bautzen vermutlich noch weit verbreitet. Mit dem Vormarsch der Schlangengurke geriet sie sukzessive in Vergessenheit. Diese setzte den Standard für das moderne ‚Gurkenideal‘: bitterfrei, lang und schmal sollte sie sein. Mit ihrem individuellen Aussehen eckte die Bautzener Kastengurke an. Sie ist unregelmäßig in Größe und Form, entwickelt sich von knubbelig zu bauchig und wurde für den Handel, der sich zunehmend auf optisch einheitliches Gemüse ausrichtete, uninteressant. Inzwischen steht die Bautzener Kastengurke auf der Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen in Deutschland. Mit der Aufnahme in die Arche des Geschmacks möchte Slow Food diesen ‚Abwärtstrend‘ umkehren und an ihrem Beispiel Menschen bundesweit auf den Geschmack regionaler Gurkensorten bringen.
Die Bautzener Kastengurke wurde früher im sogenannten ‚kalten Kasten‘ gezogen und verdankt dieser Aufzucht ihren Namen. Im Freiland bringt sie eine reichhaltige Ernte, je nach Wetterlage von Juni bis September. Moderne Gurkensorten hingegen werden ganzjährig im beheizten Gewächshaus angebaut, was sehr viele Ressourcen bindet. Die Kastengurke ist vielseitig verwertbar, frisch und auch für den Vorrat. Im jungen Stadium kann sie als Salat- und Vespergurke verzehrt oder sauer eingelegt werden. Als ausgereifte Gurke muss sie vor der Verarbeitung als Senf- und Schmorgurke zunächst entkernt werden. Charakteristisch ist ihre Bitternote, die bei ungünstiger Witterung mehr oder weniger stark auftritt – wie auch bei anderen alten Gurkensorten oder Blattgemüsen und –salaten wie etwa Chicoree oder Radicchio. Ihr werden entzündungshemmende und blutreinigende Wirkungen zugesprochen. Obgleich die Geschmacksrichtung ‚bitter‘ neben süß, sauer, salzig und umami zu unseren fünf Grundgeschmacksarten gehört, wissen wir zu wenig mit ihr umzugehen.
Dazu Gerhard Schneider-Rose, Leiter der Arche-Kommission bei Slow Food Deutschland: „Der Bitternote haftet heute oft ein negatives Image an. Die moderne Lebensmittelwelt hat uns entwöhnt, indem sie sie bei den marktgängigen Sorten vieler Gemüsearten wie Auberginen und Gurken weggezüchtet hat. Damit berauben wir uns nicht nur der genetischen und kulturellen Vielfalt unserer Nutzpflanzen, sondern auch der Geschmacksnuance ‚bitter‘. Slow Food möchte Verbraucher*innen dafür begeistern, die Augen für Erzeugnisse fernab des Supermarktstandards wieder zu öffnen.“
War die Bautzener Kastengurke lange Zeit nicht käuflich erwerbbar, konnte Slow Food im Zuge ihrer Aufnahme in die Arche des Geschmacks zwei Samenzüchter und einen Gemüsehof für die Vermarktung gewinnen. Damit ist die Gurke über Biomärkte in der Region Bautzen wieder verfügbar, sowie in Direktvermarktung beim Lausitzer HöfeLaden in Nebelschütz.
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