Erreicht der Corona-Einbruch die Projektrealisierung?
Die Bau- und Immobilienwirtschaft ist trotz Corona-Krise bislang stabil geblieben. Die meisten Bauvorhaben konnten fortgeführt werden. Doch was ist die Bilanz zur „Halbzeit 2020“ für Marktteilnehmer und Projekte – und was bahnt sich in den nächsten Monaten an? Feststeht: Viele Projekte konnten zuletzt aufgrund extrem langwieriger Genehmigungsverfahren nicht starten oder wurden aus Vorsicht um einige Monate hinausgeschoben.
Mindestens 20 % verschobene Projektentwicklungen
Die größten Probleme der Corona-Krise sind neben der verzögerten Bearbeitung von Baugenehmigungen Lieferengpässe, teils zurückgehaltene Honorarzahlungen der öffentlichen Hand oder das Ausbleiben ausländischer Fachkräfte am Bau. Andreas Schulten von bulwiengesa geht nach einer aktuellen Umfrage (Projektentwicklerstudie 2020) von mindestens 20 % verschobenen Projektentwicklungen aus. Bestimmte Projektarten, etwa in den Segmenten Hotel oder Einzelhandel, würden zudem derzeit kaum „angefasst“. „Für kleine Projektentwickler besteht unter Umständen die Gefahr, dass es durch Lücken in der Pipeline zu Liquiditätsengpässen kommt. Größere Marktplayer mit einer Vielzahl von Projekten können dies besser abfangen“, so Schulten. Ein grundsätzlicher Einbruch im Bereich der Projektentwicklung wird nicht erwartet, wenngleich das Neugeschäft offenbar rückläufig ist. So gehen 58 % der befragten Immobilien-Unternehmen von einer insgesamt abnehmenden Neugeschäftsentwicklung (+ 46,3 pp gegenüber Vorquartal) aus. Im Vorquartal hatten ähnlich viele Teilnehmer (56 %) eine Stagnation gesehen. Diese Einschätzung teilen jetzt nur noch 25 %. Immerhin rechnen 16,7 % (- 15,3 pp) aktuell mit einem wachsenden Geschäft.
Architektur und Ingenieurbüros stabilisiert
Auch bei Architekten und Ingenieuren hielten sich die Auswirkungen der Corona-Krise in Grenzen, so zumindest das Ergebnis der letzten Kurz-Befragung von Bundesarchitekten- und Bundesingenieurkammer im Juni 2020. Demnach sind existenzbedrohende Szenarien inzwischen selten. Lediglich 6 % der Kammermitglieder sind laut Befragung von akuten Liquiditätsproblemen betroffen, im April waren es noch 18 %. Die große Mehrheit der Büroinhaber kann auch derzeit Neuaufträge abschließen (91 %): 43 % in gleichem, 48 % in geringerem Maße als üblich. (Kurz-Befragung BIngK)
Finanzierungsbereitschaft auf Tiefststand
Die Finanzierungsbereitschaft von Banken und Investoren für neue Projekte ist laut bulwiengesa massiv zurückgegangen, für die meisten etablierten Unternehmen hat dies allerdings bislang keine gravierenden Folgen. Als langjährige Partner der einzelnen Institute werden ihnen weiterhin Finanzierungen gewährt. Die Finanzierungsbedingungen der Banken sind allerdings deutlich enger gefasst, um die Risiken auf ein Minimum zu beschränken. Das Spektrum der Anforderungen reicht von Cost-overrun-Garantien um 10 % über GU-Verträge bis zu Mieten- und Zinspuffern.
„Die vor Corona begonnene Rezession wird sich fortsetzen“
Seit dem zweiten Quartal 2019 zeichnet sich laut Statistischem Bundesamt eine leichte Schrumpfung der Wirtschaft ab. Diese Entwicklung setzte sich Anfang 2020 fort, bis es im März mit dem Corona-Lockdown zu einem massiven Einbruch kam. Der IWF geht für Deutschland in diesem Jahr von einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 7,8 % aus. 2021 soll es aber erneut ein Wachstum von 5,4 % geben, 0,2 Prozentpunkte mehr als erwartet. (Quelle) Laut Ifo-Institut gilt dies aber nur, wenn es zu keiner zweiten Corona-Welle kommt. Dann könnte, so Dr. Florian Neumann, Wissenschaftler des Ifo-Instituts, dieser Erholungseffekt nicht eintreten. Hinzu komme, dass die wirtschaftliche Entwicklung bereits vor Corona rückläufig war. „Die vor Corona begonnene Rezession wird sich fortsetzen“, betont Neumann. „Sie ist durch die Corona-Krise extrem verstärkt worden und wird sich auf jeden Falls weiter verschärfen, unabhängig davon, ob eine zweite Infektionswelle auftritt oder nicht. Das heißt, es wird weiterhin zu Problemen in den internationalen Lieferketten und damit auch in Deutschland kommen, da andere Staaten weltweit noch mit der ersten Infektionswelle zu kämpfen haben.“ Eine Rückkehr zum Niveau des Wirtschaftswachstums vor der Krise ist somit nicht zu erwarten.
Bauwirtschaft soll vom Bund gefördert werden
Für die Bau- und Immobilienwirtschaft, die zwar betroffen, aber insgesamt sehr stabil geblieben ist, läutet die Corona-Epidemie möglicherweise ein Ende des Booms ein. Große Einschnitte sind vorerst allerdings nicht erkennbar. Laut einer aktuellen Prognose von bulwiengesa sinkt die deutsche Wirtschaftsleistung 2020 zwar um 5,8 %, die Wohnungs- und Büromärkte reagierten darauf aber nur mit leichten Anpassungen. Wie und wann die Auswirkungen der Rezession auch die Immobilienwirtschaft treffen, wird sich zeigen. Der Bund ist mit dem Gesetzentwurf „zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmigungsverfahren während der COVID-19-Pandemie“ um Schadenbegrenzung bemüht. In der Expertenanhörung zum zweiten Nachtragshaushalt 2020 im Bundestag am 29.6.2020 wurde darüber hinaus betont, dass die Bauwirtschaft – unter anderem durch öffentliche Aufträge – besonders gefördert werden müsse, um einen der wichtigsten, noch funktionierenden Wirtschaftsbereiche zu stärken. (Quelle)
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