VATM-Pressestatement: Neue Graue-Flecken-Förderung behindert eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau in Deutschland
Pressestatement von VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner:
„Nun ist die Katze aus dem Sack: Nach endlosem Tauziehen mit Brüssel einigt man sich auf einen Kompromiss, der prinzipiell überall gleichzeitig in ganz Deutschland die Förderung auch in sogenannten grauen Flecken erlaubt, also in Gebieten, die mit mehr als 30 und in zahllosen Einzelfällen auch schon mit 100 Mbit/s versorgt sind. Die EU hält bei der Grauen-Flecken-Förderung an der 100-Mbit/s-Grenze fest – bis 2023. Bis dahin kann überall ausgebaut werden, wo 100 Mbit/s nicht sicher verfügbar sind. Das wird wohl in jeder Gemeinde der Fall sein, da die physikalische 100-Mbit/s-Leistungsgrenze auch bei Vectoring bei nur wenigen 100 Metern vom Kabelverzweiger liegen wird.
Aber auch dort, wo bereits 100 Mbit/s verfügbar sind, dürfen alle sogenannten `sozioökonomischen Treiber´ – eine Wortschöpfung aus Brüssel – mit einzelnen extrem teuren Leitungen sofort mit Förderung auf Gigabit aufgerüstet werden. Dazu gehören Schulen, Verwaltung, aber auch alle Kleinstunternehmen, Selbstständige bis hin zu unzähligen Verkehrsknotenpunkten. Auch Brüssel weiß, dass man so punktuell keine Infrastruktur sinnvoll ausbaut – oder zumindest extrem teuer. Nicht nur die Verschwendung von Steuermilliarden scheint weder Brüssel noch die Bundesregierung zu interessieren, auch der Gesamtausbau verzögert sich durch derartige tiefbauressourcenfressenden Einzelbaumaßnahmen. Durch ineffizienten Ausbau und den gleichzeitigen Einsatz von Fördermilliarden genau für solch einen ineffizienten Ausbau steigen die Tiefbaukosten immer weiter und machen den eigenwirtschaftlichen Ausbau von Jahr zu Jahr teurer und damit unwirtschaftlicher. Und genau dies erhöht wiederum den Förderbedarf in Zukunft dramatisch.
Förderung ohne Struktur verlangsamt und verteuert den Glasfaserausbau
Wenn nur ein Teil der 10.000 Kommunen ohne jede sinnvolle Strukturierung in die Förderung geht, erwarten wir ein absolutes Förderchaos, das die ausbauenden Unternehmen nicht ansatzweise mehr stemmen und abarbeiten können und das die Länder mit ihrer totalen Kompromisslosigkeit selber verursacht haben. Auf eine sinnvolle Priorisierung, die auch Brüssel als Alternative zur 100-Mbit/s-Aufgreifschwelle hätte akzeptieren können, wollte man sich nicht verständigen. `Besonders gut versorgte etwas später – schlecht versorgte etwas früher ausbauen´, selbst auf eine solch minimal strukturierte Förderung wollte man sich nicht einigen. Keiner wollte auf das sofortige Anzapfen neuer Fördertöpfe verzichten. Genau das hat Brüssel nicht toleriert und an der Aufgreifschwelle formal festgehalten, vorhersehbar sozioökonomisch durchlöchert und dies auch nur bis 2023 – dann heißt es in Deutschland Fördern ohne jeden Plan und ohne jede Struktur.
Bei so viel Förderung wird es eng für den eigenwirtschaftlichen Ausbau, der sinnvoll für ein Gebiet oder eine Gemeinde geplant, effizient und so schnell wie noch nie und bereits am Limit der verfügbaren Tiefbaukapazitäten arbeitet. Mit diesem Förderprogramm setzen wir auf den Vectoring-Fehler noch einen drauf und versuchen einen selbst verschuldeten Rückstand mit Geld aufzuholen, ohne dass die entsprechenden Baukapazitäten für eine derart unstrukturierte Förderung bis 2025 bereitstünden. Einen Grund für diese Panikreaktion gibt es nicht, denn bei der Gigabit-Versorgung werden wir am Ende des Jahres mit 62 Prozent sogar im EU-Vergleich gut abschneiden. Wir holen gut auf und liegen unter den besten 5 europaweit. Wenn wir es nicht ganz flächendeckend bis 2025 schaffen, ist das längst von den Bürgern verstanden und kein Problem für die Wirtschaft, denn alle wissen längst, dass der Ausbau zehn Jahre braucht und 2025 nicht abgeschlossen sein kann.
Eigenwirtschaftlicher Ausbau muss Vorrang haben, wenn das Gigabit-Ziel auch nur annähernd erreicht werden soll
Jetzt überall Fördermilliarden in abertausende Förderverfahren zu kippen, und dies ohne entsprechende Tiefbaukapazitäten, verteuert nicht nur den Ausbau, sondern bedeutet Bürokratie und verschreckt Investoren, die gerade milliardenschwere Ausbauzusagen gemacht haben. Denn viele Tausend Bürgermeister können nun mit aufwendigen `Markterkundungsverfahren´ die Förderung einleiten und wenn Unternehmen keine Förderung brauchen und wollen, müssen sie sich dennoch zwingend in tausenden Verfahren aktiv gegen eine Förderung zur Wehr setzen – eine weltweit geradezu absurde Situation.
Bei knappen Baukapazitäten viel Förderung völlig unstrukturiert für wenig Anschlüsse einzusetzen bedeutet nicht, dass mehr gebaut wird, sondern falsch und teuer und am Bedarf der Bürger vorbei. Nun soll dort gebaut werden, wo es Brüssel erlaubt – ein Konzept ist dies genau nicht.
In der Förderrichtlinie muss daher alles daran gesetzt werden, dies nachzuholen. Zuerst dort, wo schon ein eigenwirtschaftlicher Ausbau vorhanden ist und feststeht, dass ein bestimmter Bereich nicht eigenwirtschaftlich erschlossen werden konnte, dort wo eine Ausschreibung zu genau diesem Ergebnis führt und sonst erst mal dort nicht, wo gerade erst vor kurzer Zeit ein Vectoring-Ausbau mit guten Bandbreiten zu einer heute meist ausreichenden Versorgung der Bevölkerung geführt hat.
Bei der nun anstehenden Abstimmung mit den Ressorts und im politischen Raum sollte man dieses `Förderkonzept´ daher nicht als scheinbar `alternativlos´ akzeptieren. Auch wenn die Wirtschaft nicht einmal mehr angehört werden soll, ob dieses „Konzept“ sinnvoll umsetzbar ist und auch im Förderbeirat die ausbauenden Unternehmen bis heute nicht vertreten sind, wohl aber BMVI, Länder und kommunale Spitzenverbände, kommen wir an der Wahrheit nicht vorbei: Für das Riesenprojekt ganz Deutschland von 100 Mbit/s auf Gigabit zu bringen, brauchen wir eine Struktur und einen Plan für die nächsten zehn Jahre. Es können nicht alle Bürgermeister die Ersten sein – das müssen auch die Länder verstehen – damit wir nicht am Ende die letzten sind.“
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