Die Zukunft der Bauwirtschaft im Zeichen von Pandemie und Klimawandel
Ein Blick in die Zukunft kommt derzeit nicht ohne Annahmen über die Viruskonjunktur aus. Sie stabilisierte sich im September, aber die Schwankungen zwischen den Erdregionen und die bevorstehende Winterzeit auf der nördlichen Erdhalbkugel ließen schon früh ein Wiedererstarken der Pandemie erwarten.
Schon auf dem Höhepunkt der ersten Infektionswelle blieben die Marktforscher von Heinze gelassen und erwarteten einen Rückgang des BIP von -5,7 %. Eine Einschätzung, zu der sich auch viele Wirtschaftsforschungsinstitute im Herbst einfanden. Man bleibt bezüglich der weiteren Entwicklung jedoch skeptisch. Neben der epidemischen Dauerwelle geht man noch lange von einer 90 %-Ökonomie aus, in der ganze Bereiche als Wachstumsstützen wegbleiben. Die anrollenden Insolvenzen werden 2021 das Wachstum belasten. Zahlreiche strukturelle wirtschaftliche Veränderungen kosten erst einmal Geld. International wird das Wachstum von der starken Krise der Schwellenländer noch auf lange Zeit ausgebremst. Langfristig bewegt sich die Weltwirtschaft von einem Umfeld des „Weiter so in einer globalisierten Welt“ in ein Umfeld der „Glokalisierung mit steigenden Umweltkosten“ hinein. Das Vorkrisenniveau wird erst 2022/23 erreicht.
Die neue Haushaltsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2020 senkt die Erwartungen an die Wohnungsnachfrage aus demografischer Sicht. Die tatsächliche Anzahl der Haushalte hat sich durch statistische Revision und durch geringere Zuwanderung schwächer entwickelt. Nach heutigem Stand der Vorausschätzung fällt die Zahl der Haushalte im Jahr 2035 um 680.000 Haushalte geringer aus als bisher erwartet. Auf Grundlage des Wohnverhaltens der Haushalte entwickeln die Marktforscher einen demografischen Nachfrageindikator, der leicht abgeschwächt, immer noch wächst.
In den zahlreichen Darstellungen der Entwicklung langfristiger Rahmendaten geht man intensiv auf mögliche Auswirkungen der Klimapolitik auf die Bauwirtschaft ein. Je nachdem, wie man die Fördermaßnahmen in Bezug auf ihren Zusammenhang zur klimafreundlichen Gebäudesanierung einordnet, kommt man auf ein Fördervolumen für 2020 von 3-4 Mrd. Euro. Zur Erreichung der klimapolitischen Ziele müssten nach vorsichtigen Schätzungen der Wohnungsverbände unter der Annahme von Mietneutralität 14 bis 25 Mrd. Euro Fördermittel jährlich aufgebracht werden. Die gesamte Investitionssumme wäre doppelt so hoch. Dabei ist der Nichtwohnbau noch nicht eingerechnet. Nimmt man diesen proportional zu seinem Anteil am Bruttoanlagevermögen hinzu, käme man auf eine Investitionssumme von zusätzlich 67 Mrd. Euro. Das entspräche einer Erhöhung der Modernisierungsmaßnahmen im Hochbau in Höhe von 28 %. Selbst die Hälfte davon, wäre schon eine gewaltige politische und baugewerbliche Herausforderung.
Das bauwirtschaftliche Umfeld hat sich infolge von Corona erheblich verändert. Abgesehen von den kurzfristigen Beeinträchtigungen zeigen sich auch langfristige Veränderungen. Die Wanderungsbewegungen vom Land in die Stadt ändern sich tendenziell wieder in Richtung Land. Die Bedarfskategorie „Wohnen“ gewinnt gegenüber „Reisen“ erheblich an Bedeutung. Der Eigenheimbau wird gestützt. Der Bedarf an Wohnraum im Mehrfamilienhausbau bleibt hoch. Tendenziell erfährt der Wohnungsbau eher positive Impulse.
Das sieht im Nichtwohnbau leider ganz anders aus. Gebäudegruppen des Einzelhandels und des Hotel- und Gaststättengewerbes werden auf absehbare Zeit Überkapazitäten aufweisen. Die Auswirkungen auf den Bürogebäudebau werden noch lebhaft diskutiert, aber es spricht deutlich mehr für eine Bedarfsminderung als für die optimistische Annahme stabilen Bedarfs an Büroraum. Der Lager- und Hallenbau gewinnt tendenziell an Attraktivität, aber was sind schon 1.000 m³ umbauter Raum einer Lagerhalle auf der grünen Wiese im Vergleich zum baugewerblichen Umsatz eines Bankgebäudes in der Innenstadt? Für die Gruppe der sonstigen Nichtwohngebäude ist die Perspektive moderat optimistisch.
In früheren Mittelfristprognosen ging man bisher von einem Rückgang der Fertigstellungen im Eigenheimbau aus. Derzeit sieht es eher nach einer stabilen Entwicklung oberhalb der Marke von 100.000 WE aus. Der Mehrfamilienhausbau ist zunächst durch Abwarten auf Klärung der Förderbedingungen ausgebremst worden und kam danach nur schleppend in Gang. Nun müssten sich die Wachstumskräfte voll entfalten. Da die Politik für einen großen Teil der Verzögerungen selbst verantwortlich ist, sollte man ihr nahelegen, die Frist, wonach Bauanträge für die Sonder-AfA bis zum 31. Dezember 2021 gestellt werden müssen, wenigstens um ein Jahr zu verlängern. Sonst könnte der Aufschwung 2022 schon wieder abgewürgt werden. Beim Baukindergeld hat man sich bereits auf eine Verlängerung geeinigt.
Wie sind angesichts der wirtschaftlichen Rückschläge und der veränderten Rahmenbedingungen die aktuellen zweistelligen Zuwachsraten des genehmigten umbauten Raums im Nichtwohnbau zu bewerten? Der konjunkturelle Rückgang im Nichtwohnbau zeichnete sich bereits Ende 2019 ab. Der derzeitige Aufschwung bei den Genehmigungen ist eine Folge von Sondereinflüssen. Der Einbruch der Genehmigungen verteilt sich dadurch nicht auf die zwei Jahre 2020/21, sondern erfolgt umso stärker im Jahr 2021. Die erheblichen strukturellen Veränderungen werden die Wirtschaft insgesamt auf Jahre hinaus belasten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, machen diese keine Erweiterung der Gebäudehülle erforderlich, sondern eher Umwidmungen. Der folgende Konjunkturaufschwung im Neubau des Nichtwohnbaus wird nur moderat sein.
Der Bauwirtschaft wird die Arbeit dennoch nicht ausgehen. Abgesehen von einer stabilen Nachfrage im Wohnungsbau wachsen die Anforderungen an Baumaßnahmen im Bestand schon unter den jetzigen Bedingungen und führen zu hohen Wachstumsraten für Modernisierungen. Die eigentlichen Impulse müssten aber erst noch kommen. Dazu ist demnächst sehr viel Rückenwind von der EUKommission zu erwarten, die eine Renovierungswelle der Gebäude in Europa anstrebt. Zur Erreichung der klimapolitischen Ziele müsste das Bauvolumen für Modernisierungen im Hochbau jährlich um ein Viertel höher liegen als derzeit.
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