Digitale Verwaltung: Corona sorgt nicht für stärkere Nutzung aber mehr Offenheit
Eine der größten Barrieren für die Nutzung aus der Vergangenheit ist nahezu überwunden: Das Bewusstsein für digitale Verwaltungsangebote steigt kontinuierlich, fast alle OnlinerInnen kennen mindestens einen Dienst (DE: 97% / AT: 99% / CH: 96%). Am bekanntesten sind die Suche nach Informationen, das Herunterladen von Formularen zur Vorbereitung/Abwicklung von Behördengängen, die Vereinbarung von Terminen sowie die Abwicklung der elektronischen Steuererklärung.
Das Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund, Länder und Kommunen in Deutschland, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. „Die digitale Verwaltung in Deutschland ist in Bewegung und wir sind auf einem guten Weg. Bald wird das auch stärker im Alltag der Bürgerinnen und Bürger ankommen“, so Dr. Markus Richter, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik und Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. „Ich sehe die Studienergebnisse als Auftrag, noch stärker im Sinne der Menschen zu denken. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger bei der digitalen Transformation mitnehmen. Nur wer den digitalen Anwendungen vertraut und sie versteht, wird sie später auch nutzen. Ein Schritt dazu war das kürzlich vorgestellte Dashboard zur digitalen Verwaltung, diesen Weg wollen wir weiter gehen.“
Corona: Auswirkungen auf E-Government-Nutzung gering, aber Offenheit wächst
Die zeitweise eingeschränkte Verfügbarkeit mancher behördlichen Dienstleistungen durch Corona hatte nur einen geringen Einfluss auf die Nutzung von E-Government-Angeboten: In Deutschland geben sieben Prozent an, dadurch mehr Behördengänge als früher online durchgeführt zu haben, in Österreich sind es 13 und in der Schweiz zwölf Prozent. Eine erstmalige Nutzung digitaler Verwaltungsangebote aufgrund von Corona geben in Deutschland vier, in Österreich und in der Schweiz jeweils drei Prozent an. Die meistgewählte Strategie der BürgerInnen war die vorübergehende Vermeidung von Behördengängen.
Hingegen wächst die Offenheit gegenüber E-Government-Angeboten vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie: Im Kontext Corona gefragt, können sich in Deutschland 75 Prozent vorstellen, zukünftig häufiger Behördengänge online durchzuführen, in Österreich sind es 81 und in der Schweiz 70 Prozent. Die digitale Abwicklung im Vergleich zum persönlichen Gang aufs Amt empfindet eine große Mehrheit als Erleichterung (DE: 70% / AT: 77% / CH: 68%).
Zufriedenheit hängt an bequemer und zuverlässiger Nutzung
Die Zufriedenheit mit digitalen Behördendiensten ist in Österreich und der Schweiz mit 79, bzw. 71 Prozent insgesamt hoch, Deutschland liegt mit 62 Prozent etwas dahinter. Die wichtigsten Aspekte für die Zufriedenheit sind in allen drei Ländern Bequemlichkeit (sich einen Termin vor Ort auf dem Amt zu ersparen), Zuverlässigkeit der Systeme (stabile Verbindung, kein Abbruch des Prozesses) und die gute Bedienbarkeit der Dienste.
Im Langzeittrend seit 2012 ist die Zufriedenheit mit leichten Schwankungen in allen drei Ländern insgesamt stabil, größeren Zuwachs gibt es nur in Deutschland (57 auf 62 Prozent), allerdings auf niedrigerem Niveau. Die Zufriedenheit bezieht sich jeweils auf die persönlichen Erwartungen der BürgerInnen – für eine gleichbleibende Zufriedenheit müssen also die angebotenen Dienste mit den sich ändernden Erwartungen Schritt halten.
Unterschiedliche Nutzertypen erfordern individuelle Ansprache
NutzerInnen von E-Government unterscheiden sich stark voneinander – eine reine Betrachtung des Durchschnitts reicht für eine bedarfsgerechte Gestaltung von E-Government in Deutschland nicht aus. Der eGovernment MONITOR 2020 nimmt daher erstmalig eine Typisierung vor, um den Handlungsbedarf für eine künftig stärkere Nutzung von E-Government in Deutschland zu ermitteln.
Die Untersuchung zeigt: Den „typischen“ bzw. die „typische“ E-Government-NutzerIn gibt es nicht. Die BürgerInnen, die ihre Behördengange zumindest teilweise online erledigen, lassen sich jedoch in fünf Nutzertypen unterteilen. Diese sind in Bezug auf Einstellungen und Bedürfnisse sowie spezifische Nutzungsgewohnheiten unterscheidbar. „Positiv überrascht hat uns vor allem das große Potenzial der ‚zukünftigen Viel-NutzerInnen‘, die mit 32 Prozent die größte Gruppe darstellen. Sie sind digitalaffin und bereits offen gegenüber digitaler Verwaltung. Hier kann man mit wenig Aufwand viele BürgerInnen aktivieren, man muss sie nur informieren, welche Angebote sie wo finden können“, so D21-Präsident Hannes Schwaderer.
Smartphone-Schnittstelle kann Durchbruch für Online-Ausweisfunktion werden
Der Personalausweis im Scheckkartenformat ist seit zehn Jahren verfügbar, 76 Prozent der für den eGovernment MONITOR befragten Deutschen besitzen ihn. 24 Prozent der Befragten haben die Online-Ausweisfunktion aktiviert, die eine durchgängige Abwicklung von Behördengängen im Internet erlaubt. Trotz verbesserter Anwenderfreundlichkeit stagnieren die Nutzungszahlen, nur sechs Prozent haben laut Umfrage die Online-Ausweisfunktion bereits genutzt. Bis 2017 war die Nutzung nur über ein spezielles Lesegerät möglich, seit 2017 ermöglicht auch die NFC-Schnittstelle modernerer Smartphones das Auslesen. Zunächst war dies nur über Android möglich, seit Ende 2019 erlaubt auch iOS die Schnittstelle. Im Jahr 2021 soll nach den Plänen des BMI der Online-Ausweis auch ohne die Ausweiskarte im Smartphone nutzbar sein. „Im Smartphone schlummert riesiges Potenzial für den Durchbruch der Online-Ausweisfunktion. Aber noch weiß über die Hälfte der Smartphone-BesitzerInnen nichts über diese Möglichkeit. Hier braucht es Aufklärung und mehr nutzerfreundliche Anwendungen“, so Prof Dr. Helmut Krcmar von der Technischen Universität München.
In Österreich verfügen 45 Prozent über die dortige Handy-Signatur. In der Schweiz sind verschiedene Verfahren für die Identifikation im Einsatz, am häufigsten wird das TAN-Verfahren genutzt, gefolgt von der „SwissID“, 57 Prozent haben bereits mindestens eines der Verfahren genutzt.
Studie und Methodik: Der „eGovernment MONITOR 2020“ ist eine repräsentative Studie der Initiative D21 und der Technischen Universität München, durchgeführt von Kantar. Die Durchführung erfolgte als Onlinebefragung (computergestütztes Webinterview (CAWI)) vom 9. bis 17. Juni 2020: 1.005 Interviews in Deutschland (DE), 1.008 in Österreich (AT) und 1.002 in der Schweiz (CH).
Über den eGovernment Monitor 2020
Die Studie eGovernment MONITOR liefert seit 2011 jährlich ein umfassendes Lagebild zur Nutzung und Akzeptanz digitaler Verwaltungsangebote in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Herausgeber: Initiative D21 e. V. und Technische Universität München / Schirmherr: Der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik / Durchführendes Institut: Kantar.
Die Studie ist gemeinsam finanziert durch eine Partnerschaft aus öffentlichen und privatwirtschaftlichen Organisationen: Fachlicher Premiumpartner: Nationales E-Government Kompetenzzentrum NEGZ e. V. / Premium Partner: DXC Technology, Fujitsu Germany GmbH, Huawei Technologies Deutschland GmbH, PwC Strategy&, Sopra Steria / Classic Partner: Bayerisches Staatsministerium für Digitales, Dataport AöR, Ernst & Young GmbH, Geschäftsstelle E-Government Schweiz, Microsoft Deutschland GmbH, Verimi GmbH / Basic Partner: Anstalt für kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB), Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW), Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Materna Information & Communications SE, msg systems AG.
Über die Technische Universität München
Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 600 Professorinnen und Professoren, 43.000 Studierenden sowie 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine der forschungsstärksten Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, verknüpft mit den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006, 2012 und 2019 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands. www.tum.de
Die Initiative D21 ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Berlin, der 1999 mit dem Ziel gegründet wurde, die digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Mit seiner über 20-jährigen Erfahrung setzt sich der Verein gemeinsam mit seinem branchenübergreifenden Netzwerk aus Politik, Wirtschaft sowie Wissenschaft und Zivilgesellschaft dafür ein, die durch die Digitalisierung entstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen in all ihren Facetten zu erfassen und die Bürgerinnen und Bürger zu befähigen, sich selbstbestimmt in der digitalen Welt bewegen zu können. Rund 200 Mitgliedsunternehmen und -organisationen aller Branchen sowie politische Partner von Bund und Ländern bringen gemeinsam in diesem Netzwerk praxisnahe Non-Profit-Projekte voran. Der Verein ist engagiert, den Diskurs zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu verbessern. Mehr unter www.InitiativeD21.de
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