5 Jahre Soforthilfe nach Vergewaltigung: Im Klinikum Darmstadt erhalten Betroffene vertraulich Hilfe – auch ohne polizeiliche Anzeige
Für viele Frauen und Mädchen kommt eine polizeiliche Anzeige nach einer Vergewaltigung nicht in Frage, oder sie fühlen sich vorerst nicht in der Lage diese Entscheidung zu treffen. Daher wenden sich Betroffene nicht an die Polizei und bleiben so häufig medizinisch unversorgt, weil sie befürchten, zu einer Anzeige gedrängt zu werden. Daraus können erhebliche gesundheitliche Folgen und psychische Belastungen resultieren.
Für Frauen und junge Mädchen – und auch für Jungs und Männer – besteht seit fünf Jahren in Darmstadt die Möglichkeit der medizinischen Akutversorgung nach einer Vergewaltigung. Auf Wunsch kann eine vertrauliche Spurensicherung stattfinden. In der Notaufnahme liegen die notwendigen Untersuchungskits und Dokumentationsbögen zur gerichtsverwertbaren Befunderhebung vor. Im Anschluss an eine Untersuchung werden die Materialien ein Jahr lang in der Rechtsmedizin Frankfurt gesichert. Sollten sich die Betroffenen in diesem Zeitraum zu einer Anzeige entschließen, können die gesicherten Spuren dann von der Polizei verwertet werden.
Kommt es nicht zu einer Anzeige, wird das Material nach Ablauf eines Jahres vernichtet.
„Dem Thema der geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen wird in der Wissenschaftsstadt Darmstadt seitens der Stadtpolitik eine sehr hohe Priorität zugemessen. Neben der Prävention ist es für uns von großer Wichtigkeit, dass betroffene Mädchen und Frauen schnell und unbürokratisch Hilfe erhalten. Mit dem wichtigen Projekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung ohne polizeiliche Anzeige“ wird in Darmstadt eine wichtige Vorgabe der „Istanbul“-Konvention zum Schutz und der Unterstützung von Opfern sexueller Gewalt bereits seit 2016 erfüllt. Es gibt den Betroffenen die Möglichkeit die notwendige medizinische Erstversorgung zu erhalten und Spuren dennoch rechtsmedizinisch sichern zu lassen. Mit einer polizeilichen Anzeige können sie auf dieser Grundlage so lange warten, bis sie sich bereit für diesen oft kräftezehrenden Schritt fühlen“, erläutert Sozialdezernentin Barbara Akdeniz die Wichtigkeit dieses vertraulichen Angebots.
Das in Darmstadt und im Landkreis Darmstadt / Dieburg vom Netzwerk Gewaltschutz unterstützte Projekt der Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung ist vor fünf Jahren im November 2015 gestartet. „Es ist sehr erfreulich, dass seit diesem Sommer nun endlich auch die Kostenübernahme der medizinischen Versorgung nach Vergewaltigung geregelt ist. Die Kostenerstattung wird über die Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt abgewickelt und vom Land Hessen übernommen“, sagt Dr. Sabine Jobmann, Direktorin der Zentralen Notaufnahme am Klinikum Darmstadt. „Alle Betroffenen werden maximal geschützt untersucht und behandelt, dafür gibt es standardisierte Vorgehen und Abläufe.“
Unterstützt und begleitet wird die Soforthilfe bei Vergewaltigung vom pro familia Notruf, der unter der Rufnummer 06151 / 45511 oder per Mail über notruf.darmstadt@profamilia.de zu erreichen ist. Qualifizierte Beraterinnen stehen in kontinuierlichem Kontakt und Austausch über das Vorgehen und die zur Verfügung gestellten Informations- und Dokumentationsunterlagen mit den Ärztinnen und Ärzten in der Gynäkologischen Klinik des Klinikums Darmstadt sowie Pflegepersonal und Mitarbeitenden in der Notfall-Ambulanz.
Da die Ärzt*innen und das Pflegepersonal oft nicht die zeitlichen Kapazitäten haben, um mit zum Teil schwer traumatisierten Frauen über Schutzmaßnahmen und weitere Unterstützung zu sprechen, unterstützen die Berater*innen auch unbürokratisch direkt vor Ort im Klinikum, manchmal über mehrere Tage und hohem zeitlichen Aufwand. Die Mitarbeiterinnen der pro familia, übernehmen bei Bedarf und Wunsch zeitnah die weitere Krisenintervention und Beratung: „Denn nach einer Vergewaltigung wünschen sich die Betroffenen häufig soziale Zuwendung und fachliche Unterstützung, um das Geschehen zu begreifen, einzuordnen und die nächsten möglichen Handlungsschritte zu entwickeln“, erklärt Ärztin Katharina Rohmert von pro familia.
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