Edwards und Krohn im Interview: „Es ist großartig, die Saison mit einem Titel abzuschließen“.
- Die BMW Team RLL Fahrer John Edwards und Jesse Krohn über ihren Titelgewinn im Michelin Endurance Cup und ihre Saison 2020 in der IMSA WeatherTech SportsCar Championship.
- Perfekte Teamleistung als Schlüssel zum Erfolg im Langstreckensport.
- Persönliche Erinnerungen an den Sieg bei den 24 Stunden von Daytona zu Saisonbeginn.
München. Gemeinsam mit BMW und dem BMW Team RLL haben John Edwards (USA) und Jesse Krohn (FIN) ihre Saison 2020 in der IMSA WeatherTech SportsCar Championship (IMSA-Serie) mit einem Titelgewinn gekrönt. Sie sicherten sich die GTLM-Titel im Michelin Endurance Cup, der die vier IMSA-Langstreckenrennen umfasst. Im Interview sprechen Edwards und Krohn über die besonderen Herausforderungen auf der Langstrecke, die perfekte Teamleistung als Schlüssel zum Erfolg und ihre persönlichen Highlights der Saison, inklusive ihres Sieges bei den 24 Stunden von Daytona.
Der Daytona-Sieg war der Auftakt einer Erfolgsserie von Edwards und Krohn im #24 MOTUL BMW M8 GTE. Sie beendeten auch alle drei anderen Endurance-Rennen der Saison auf dem Podium. Dies waren nach Daytona das Sechs-Stunden-Rennen und das zehnstündige „Petit Le Mans“ in Road Atlanta (USA) sowie das Saisonfinale, die Zwölf Stunden von Sebring (USA). Für den Michelin Endurance Cup werden Punkte während der Rennen in bestimmten Intervallen vergeben. In einem 24-Stunden-Rennen kommen diese „Check Points“ beispielsweise nach sechs, zwölf, 18 und 24 Stunden, in einem 6-Stunden-Rennen nach drei und sechs Stunden. Die zu diesen Zeitpunkten führenden Fahrzeuge sammeln Punkte für die Fahrer-, Team- und Herstellerwertung des Michelin Endurance Cup. In der Saison 2020 ging nicht nur der Fahrertitel an Krohn und Edwards, sondern das BMW Team RLL gewann auch die Fahrerwertung, und BMW war der beste Hersteller.
John, Jesse, herzlichen Glückwunsch zum Titelgewinn im Michelin Endurance Cup. Was bedeutet Ihnen dieser Titel?
John Edwards: „Ich denke, es ist großartig, die Saison mit einem Titel abzuschließen. Für uns stand der Michelin Endurance Cup sehr im Fokus, vor allem, nachdem wir das erste Rennen des Jahres, die 24 Stunden von Daytona, gewonnen hatten. Danach wurde zu einem zusätzlichen Teil unserer Strategie in den Langstreckenrennen, gezielt an den jeweiligen ‚Check Points’ in Führung zu liegen, damit wir die Extrapunkte für den Endurance Cup bekommen. Dies haben wir sehr gut umgesetzt. Ich denke, es stellt unter Beweis, was ein Team leisten kann, wenn du 24, zwölf oder zehn Stunden Rennen fährst. Es ist eine Bestätigung dafür, wie gut das Team als gesamte Einheit funktioniert, und ich bin wirklich stolz, ein Teil davon zu sein.“
Jesse Krohn: „Ich bin auch sehr stolz, dass wir diesen Langstreckentitel gewonnen haben. Denn je länger ein Rennen dauert, umso schwieriger wird es. Wenn du zehn, zwölf oder 24 Stunden durchkommst, ist das, wie John sagte, eine echte Bestätigung für das Können des Teams in Langstreckenrennen und dafür, dass es über die langen Distanzen einen herausragenden Job macht. Es ist wirklich eine tolle Leistung des gesamten Teams, dass wir diesen Titel gewonnen haben.“
Sie sind in allen vier Langstreckenrennen der Saison auf das Podium gefahren. Was sind in Langstreckenrennen die Schlüssel zum Erfolg, verglichen mit den kürzeren Rennen, die zwei Stunden und 40 Minuten dauern?
Krohn: „Man geht mental anders an die längeren Rennen heran, weil man weiß, dass man am Ende vorne dabei sein muss. Und die Strategie spielt eine große Rolle, wenn es darum geht, dich in die Lage zu bringen, am Ende die Chance auf den Sieg oder eine Podiumsplatzierung zu haben. Es ist also eine ganz andere Herangehensweise als an Sprintrennen, in denen man sich gut qualifizieren muss und während des Rennens noch mehr riskiert. Da muss man nicht so langfristig denken wie in Endurance-Rennen. Es ist anders, und wir haben das in diesem Jahr sehr gut umgesetzt.“
Edwards: „Es ist wirkliche eine Herausforderung. Vor allem in der IMSA mit den verschiedenen Klassen, und weil wir so nah an den GTD-Fahrzeugen sind. Denn, wie Jesse sagte, am Ende musst du vorne dabei sein. Aber sobald du in einem IMSA-Rennen etwas Gas rausnimmst, verlierst du einiges an Zeit, zum Beispiel, wenn du im Verkehr überholen musst. Auf Strecken wie Sebring oder Road Atlanta, wo die Rennen nachts enden, ist es recht schwierig abzuschätzen, wieviel Risiko du eingehst. Denn du musst bis zum Ende durchkommen, aber wenn du zu viel Tempo rausnimmst, dann lassen dich die GTD-Autos nicht mehr vorbei und die Prototypen werden dich zu ihrem Vorteil nutzen. Du musst die passende Balance finden zwischen dem richtigen Maß an Aggression und der nötigen Umsicht, das Auto ganz zu lassen. Es ist aber auch wichtig zu betonen, wie viele Boxenstopps das Team während eines Langstreckenrennens absolviert, und auch die Strategie ändert sich laufend. In Daytona hatten wir ein schnelles Auto, was wir vor allem gegen Rennende ausspielen konnten, als die Streckentemperatur stieg. Aber noch wichtiger war, dass wir eine perfekte Strategie hatten. Das hat uns in eine herausragende Ausgangslage gebracht, und für mich steht damit die Leistung des Teams im Vordergrund, sogar noch mehr als bei Sprintrennen.“
Die Teamleistung – was macht das BMW Team RLL in dieser Hinsicht so stark?
Krohn: „Es ist ein besonderes Team, das ist sicher. Der Teamgeist und die Art, wie alle zusammenarbeiten, sind herausragend. Und alle verstehen sich untereinander wirklich sehr gut. Es herrscht eine sehr offene Atmosphäre, und es ist klar, dass jeder seine spezielle Aufgabe hat und dass jeder seinen Job topp erledigt. Und du weißt, dass du dich immer auf den anderen verlassen kannst. Ich denke, das hebt das Team wirklich auf ein anderes Niveau und hat uns so erfolgreich gemacht, wie wir waren.“
Edwards: „Ich stimme Jesse zu. Und darüber hinaus ist auch wichtig zu sehen, dass zu diesem Titelgewinn und der Podiumsserie der #24 in allen Langstreckenrennen auch noch der Sieg der #25 beim 6-Stunden-Rennen in Road Atlanta kommt und wir als Team zwei Jahre in Folge Daytona gewonnen haben. In diesem Jahr hat für uns in der #24 alles zusammengepasst, aber das unterstreicht nur, wie stark das Team in den vergangenen beiden Jahren war. Und dann sind da noch die Leute, mit denen man zusammenarbeitet, vor allem all die BMW Fahrer, die mit eingesetzt werden. Es ist egal, wen sie zu den Rennen schicken, weil alle so stark sind. Wir hatten Philipp Eng auf unserem Auto, und in diesem Jahr waren da natürlich Augusto Farfus und Chaz Mostert, die einen herausragenden Job gemacht haben. Und ich bin sehr stolz, ein Teil dieses Programms zu sein.“
Ihr persönliches Highlight der Saison war sicherlich der Sieg bei den 24 Stunden von Daytona im Januar. Seitdem ist etwas Zeit vergangen, woran erinnern Sie sich noch besonders, wenn Sie an diesen Erfolg denken?
Edwards: „Das stimmt! Tatsächlich erinnere ich mich an einen Moment mitten im Rennen, das muss gegen Mitternacht oder ein Uhr morgens gewesen sein. Ich war gerade von meinem Triple-Stint in der Nacht zurück und saß zusammen mit Philipp Eng, der das #25 Schwesterauto fuhr, in der Box. Ich glaube bei uns warst du, Jesse, im Auto, hast überholt, dich im Feld vorgearbeitet, und wir hatten eine gute Pace. Philipp hat mich angeschaut, hat mein Knie angestupst und gesagt: ‚Ihr werdet dieses Rennen gewinnen.’ Ich habe zurückgeschaut und dachte mir: ‚Für ein solches Gespräch dauert das Rennen noch viel zu lang.’ An diesen Moment erinnere ich mich noch sehr gut, denn er war vollkommen davon überzeugt, dass wir gewinnen würden, während ich mich einfach nur auf die Dinge konzentrieren wollte, die wir zu diesem Zeitpunkt kontrollieren konnten. Aber der beste Moment war natürlich der, als wir Jesse beim Überqueren der Ziellinie gesehen haben. Denn in den letzten beiden Stunden ging es ziemlich turbulent zu. Unsere Strategie hat weiter sehr gut funktioniert, und wir haben sie auch bestens umgesetzt. Aber innerlich war ich mir nicht sicher, wie es ausgehen würde, bis wir es gesehen haben. Zudem hatte bei einem der letzten Boxenstopps ein Prototyp-Fahrer sein Auto abgewürgt und blockierte Jesse bei der Einfahrt in die Boxengasse. Ich dachte, damit wäre das Rennen für uns gelaufen. Ich dachte, dass uns das auf den dritten Platz zurückwirft und den Sieg kostet. Es war also während des Rennens sehr emotional, und ich erinnere mich an das Gefühl, als Jesse ins Ziel kam und wir wussten, dass wir es endlich geschafft hatten. Chaz Mostert, Augusto Farfus und ich lagen uns in den Armen und sind auf der Boxenmauer auf- und abgesprungen. Es war so viel Freude, vor allem aber auch Erleichterung, da die Anspannung bis zu diesem Moment so groß war. Das war der tollste Moment für mich, gemeinsam mit meinen Teamkollegen auf der Boxenmauer, als wir Jesse ins Ziel kommen sahen.“
Jesse, für Sie war der größte Moment dann sicherlich, als Sie mit dem #24 MOTUL BMW M8 GTE die Ziellinie überquert haben?
Krohn: „Ja, zu 100 Prozent. Ich habe erst am vergangenen Wochenende in Sebring darüber gesprochen, wie lange unser Daytona-Sieg auf der einen Seite eigentlich schon her ist, aber wie präsent er immer noch in unseren Erinnerungen ist. Es ist, als hätten wir gestern gewonnen. Denn es war ein so spezielles Rennen, ein besonderer Moment für mich und für das Team. Wenn ich an die Zieldurchfahrt denke: Ich bin in der letzten Stunde viel lieber im Auto, kann den Job erledigen und muss nicht angespannt an der Boxenmauer mitfiebern, ohne dass ich etwas machen kann. Es war auch etwas Besonderes für mich, dass das Team mir das Vertrauen entgegengebracht und mich ins Auto gesetzt hat, um den Sieg nach Hause zu bringen. Als ich die Ziellinie überquert habe, habe ich einfach versucht, dieses Gefühl in mich einzusaugen. Ich wusste, wie speziell das war, und als ich in der Inlap langsam um die Strecke fuhr, habe ich den Moment gespürt, und es war etwas sehr Besonderes. Ich wusste, dass da in der Box ein sehr glückliches Team auf mich wartet.“
Nach Daytona wollten Sie und das Team den Schwung mit in die nächsten Rennen nehmen, aber aufgrund der Covid-19-Pandemie stand der Rennsport erst einmal für mehrere Monate still. Wie schwierig war das für Sie als Fahrer und das BMW Team RLL?
Edwards: „Ich denke, es war für jeden ein schwieriges Jahr, egal ob du Motorsport betreibst oder nicht. Wir Rennfahrer sind zuhause geblieben und viel in unseren Simulatoren gefahren. Und für uns in der #24 war es wahrscheinlich sogar einfacher als für die meisten anderen, denn wir sind mit einem großartigen Ergebnis in die Pause gegangen. Wir konnten unseren Erfolg somit noch etwas länger als geplant genießen und feiern, denn zwischen den Rennen lag eine recht lange Zeit. Ich denke, es wäre wesentlich schlimmer gewesen, in Daytona ein schlechtes Rennen zu haben und dann in den Lockdown gehen zu müssen. Denn wenn man ein schlechtes Rennen hat, will man sofort wieder auf die Rennstrecke und das wieder wettmachen. Wir sind heimgekommen und konnten stolz mit unseren Rolex-Uhren durch das Haus laufen, während wir auf das nächste Rennen gewartet haben (lacht).“
Krohn: „John hat das gut formuliert. Wir hatten das große Glück, dass wir den Sieg hatten und mit einem guten Resultat in den Lockdown gegangen sind. Aber natürlich war die Zeit für niemanden ideal. Wir hätten gern direkt weitergemacht, und ich hoffe immer noch, dass eher früher als später wieder Normalität einkehrt.“
Was waren Ihre weiteren Highlights, nachdem die Saison fortgesetzt wurde?
Edwards: „Die Tatsache, dass wir in jedem Langstreckenrennen auf dem Podium waren. Das war wirklich etwas Besonderes. Zudem lagen wir während der Rennen an den ‚Check Points’ für den Michelin Endurance Cup sehr oft in Führung. Wir haben zwar auch außerhalb der Langstreckenrennen mehrere Podiumsplätze eingefahren, aber ich blicke vor allem auf die gesamte Endurance-Saison zurück. Im 6-Stunden-Rennen in Road Atlanta hatten wir eine gute Pace und kamen zwar ‚nur’ als Dritte ins Ziel, aber es war ein sehr enges und intensives Rennen. Das ‚Petit Le Mans’ war für uns dann ein bittersüßes Rennen, denn wir haben den Endurance Cup gewonnen, kamen aber als Dritte ins Ziel. Doch wir hatten das Rennen angeführt, bis Augusto von einem Prototyp von der Strecke geschoben wurde. Für mich war das ‚Petit Le Mans’ also auch in gewisser Weise ein Highlight, obwohl wir nicht das Glück hatten, es mit einem Sieg zu beenden. Doch wir alle drei Fahrer haben ein starkes Rennen abgeliefert, ebenso wie das gesamte Team, und die Performance des Autos war super. Leider war es einfach nur Pech, dass es am Ende der dritte Platz statt des Sieges wurde. Aber für mich ist das ein tolles Beispiel für ein Rennen, das wir nahezu perfekt umgesetzt haben.“
Krohn: „Ich stimme John zu, die Langstrecken-Meisterschaft war definitiv ein Highlight. Aber das gilt auch für die gesamte Saison. Denn wir wussten, dass wir ein Paket haben, mit dem wir Woche für Woche um den Sieg kämpfen können. Es war einfach klasse, zu all den Rennen zu reisen und zu wissen: Wenn wir es gut umsetzen, dann können wir um Siege und Podiumsplätze kämpfen. Insgesamt gesehen waren wir in diesem Jahr konstanter konkurrenzfähig, und wir haben vom vergangenen auf dieses Jahr einen großen Schritt gemacht, der es uns ermöglicht hat, Siege einzufahren. Wir waren immer vorn dabei und haben insgesamt einen tollen Job gemacht.“
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