Finanzen / Bilanzen

EMI: Industrie trotz Corona weiter auf Erholungskurs

Dank einer abermals kräftigen Steigerung der Industrieproduktion ist die deutsche Wirtschaft auch im Oktober auf Wachstumskurs geblieben. Dass sie derzeit jedoch zweigeteilt ist, zeigt der Rückgang der Geschäftstätigkeit im Servicesektor, ausgelöst durch die neuen Restriktionen und die zunehmende Unsicherheit infolge der zweiten Corona-Infektionswelle, teilt der englische Finanzdienstleister IHS Markit mit.

Der saisonbereinigte IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) stieg auf aktuell 58,2 Punkte gegenüber 56,4 im September und erreichte damit ein 31-Monatshoch. Der wichtige Frühindikator für die konjunkturelle Lage in der Verarbeitenden Industrie bewegt sich mittlerweile seit vier Monaten über der Wachstumsschwelle von 50,0. Ausschlaggebend für den Spitzenwert im Oktober war das stärkste Plus beim Auftragseingang seit Beginn der EMI-Datenerfassung im Jahre 1996. Der Rekordzuwachs bei den Neuaufträgen sei laut IHS Markit ein Beleg dafür, dass sich die Industrie weiter auf Erholungskurs befinde.

„Dem EMI zufolge kann die Pandemie offenbar weiten Teilen der Industrie bisher nur wenig anhaben. Ob das angesichts dramatisch wachsender Infektionszahlen so bleibt, muss erst noch abgewartet werden“, betonte Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), in Eschborn.

„Der EMI signalisiert einen fortgesetzten Wachstumskurs der Industrie. Trotz des erneuten Lockdowns sollte auch im vierten Quartal die Dynamik in der Industrie hoch bleiben. Hier finden keine Einschränkungen statt.“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Darüber hinaus sei gerade die Nachfrage aus China wieder hoch. Davon sollte auch die deutsche Industrie profitieren. „Für das Gesamtjahr 2020 erwarten wir für Deutschland einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 5,4 Prozent und im folgenden Jahr einen Anstieg um fünf Prozent. Die Industrie wird ein wesentlicher Treiber sein“, fügte die Helaba-Bankdirektorin hinzu.

„Die Einkaufsmanagerindizes zeigen sehr deutlich, dass die wirtschaftliche Erholung zunehmend in ein schweres Fahrwasser gerät. Dabei ist allerdings zu beachten, dass sich die Eintrübung nur in Europa abspielt“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, dem BME. Die USA, China und viele andere Länder zeigten weiter verbesserte Stimmungsindikatoren, und dort dürfte die konjunkturelle Entwicklung in den kommenden Monaten besser laufen, so Kater abschließend.

Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise sagte Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, dem BME: „Im Verlauf des Oktober 2020 stabilisierte sich das Preisniveau der meisten börsennotierten Rohstoffe. Die Pandemie mit ihren weiterhin zu erwartenden Infektionswellen sorgt jedoch für Unsicherheit. Betrachten wir beispielsweise Kupfer, so sank die globale Minenproduktion bis Ende Juli 2020 um 0,8 Prozent, während sich die Raffinadeproduktion um ein Prozent erhöhte und der Verbrauch stabil blieb. Der Markt insgesamt wies ein Angebotsdefizit von 255.000 Tonnen aus. Allerdings erwarten wir für das Gesamtjahr ein leicht geringeres Defizit. Insgesamt haben die Kupferpreise allerdings Potenzial in Richtung 7.000 US-Dollar je Tonne, denn einige Kupferminenregionen weisen sehr hohe Covid-19-Infektionsraten auf.“

Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:

Produktion: Im Oktober weiteten die Hersteller ihre Produktion abermals aus. Der saisonbereinigte Teilindex verbesserte sich zum wiederholten Mal gegenüber dem Vormonat und signalisierte die dritthöchste Wachstumsrate in der Umfragegeschichte (seit April 1996). Alle drei Teilsektoren der Industrie – und damit der Investitionsgüter-, Konsumgüter- und Vorleistungsgüter – verzeichneten deutliche Zuwächse.

Auftragseingang insgesamt: Der jüngste Produktionsanstieg lag vor allem am erneut starken Plus beim Auftragseingang. Mehr noch, der entsprechende Teilindex verbesserte sich den zweiten Monat in Folge und erreichte ein neues Allzeithoch. Damit wurde der bisherige Rekord vom März 2010, während der Erholungsphase von der globalen Finanzkrise, übertroffen. Laut Umfrageteilnehmern zog sowohl die Inlands- als auch die Auslandsnachfrage ordentlich an.

Auftragseingang Export: Auch die Exportorder der Hersteller stiegen im Berichtsmonat kräftig an. Der saisonbereinigte Teilindex legte im Vergleich zum September leicht zu und notierte auf dem höchsten Wert seit fast drei Jahren. Vor allem in Asien und hier insbesondere China laufen die Geschäfte wieder spürbar besser, so einige der Befragten. Investitionsgüterproduzenten verzeichneten das größte Plus im Auslandsgeschäft. Im Konsumgüterbereich schlug dagegen ein Minus zu Buche, nachdem hier im Vormonat noch deutliche Zuwächse verzeichnet wurden.

Beschäftigung: Die Beschäftigung schrumpfte im Oktober abermals und damit bereits ununterbrochen seit 20 Monaten. Nach Bereinigung saisonaler Faktoren verbesserte sich der entsprechende Teilindex zwar marginal auf den höchsten Wert seit Februar, dennoch signalisierte er einen weiteren kräftigen Stellenabbau. Am stärksten davon betroffen war der Investitionsgütersektor.

Einkaufspreise: Nachdem die Einkaufspreise in der Industrie 17 Monate in Folge gesunken waren, wurde im Oktober der erste leichte Anstieg verbucht. Laut Umfrageteilnehmern ging die Verteuerung vor allem auf Engpässe bei einigen Materialien zurück. Verteuert haben sich demnach unter anderem Elektronikartikel, einige Metalle sowie Metallerzeugnisse.

Verkaufspreise: Ähnlich sah es bei den Verkaufspreisen aus, die erstmals seit dem ersten Halbjahr 2019 – wenn auch nur geringfügig – anstiegen. Wie einige der Befragten berichteten, erlaubte die wiedererstarkte Nachfrage es den Unternehmen, ihre Preise anzuheben. Während die Hersteller von Konsum- und Vorleistungsgütern leichte Preisanstiege verbuchten, schlug im Investitionsgüterbereich ein Minus zu Buche.

Geschäftserwartungen: Der Geschäftsausblick in der Industrie blieb auch im Oktober positiv. Demnach zeigen sich viele der befragten Manager zuversichtlich, dass die Coronavirus-Pandemie irgendwann ein Ende haben wird und in der Folge die Nachfrage wieder deutlich anziehen wird. Allerdings hat sich der dazugehörige Teilindex nach dem 32-Monatshoch im September erstmals seit sieben Monaten leicht abgeschwächt.

Über den EMI: Der IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Er ist eine Momentaufnahme der Geschäftssituation im Verarbeitenden Gewerbe – errechnet aus den Teilindizes für Auftragseingang, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormaterialbeständen. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des BME. Er wird vom Anbieter von Unternehmens-, Finanz- und Wirtschaftsinformationen IHS Markit mit Hauptsitz in London erstellt und beruht auf der Befragung von 500 Einkaufsleitern und Geschäftsführern der verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (Markit U.S.-PMI).  

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