Krisenmodus an den Kapitalmärkten war nie weg
Die Etablierung einer Dauerkrise ist keine zukunftsorientierte Strategie
Für die Kursanstiege seien hauptsächlich die Hilfsprogramme verantwortlich gewesen, mit denen sich globale Notenbanken und Regierungen gegen die negativen Auswirkungen des Virus und der Lockdowns entgegenstellten. Doch die wichtigste Säule drohe vermehrt zum Spielball der Politik zu werden. „Es steht außer Frage, dass weitere immense Hilfsprogramme kommen, sowohl in den USA als auch in Europa. Doch es hapert zusehends an der Umsetzung“, sagt Böckelmann. So ließ der US-Wahlkampf eine Einigung auf die dringend erforderlichen Mittel bislang nicht zu und auch das EU-Parlament zeige sich zunehmend hilflos. EU-Hilfspakete seien nicht wie gefordert in ausreichendem Maß an Rechtsstaatlichkeit und vor allem an Zukunftsorientierung gekoppelt. „ Aktuell sehen wir in Europa wenig Plan außer der besorgniserregenden politischen Tendenz zu mehr Planwirtschaft. Dabei setzen EU und EZB auf die Etablierung des Krisenmodus als Dauerzustand – ob sich so die dringend erforderlichen strukturellen Anpassungen umsetzen lassen, bleibt fraglich“, so Böckelmann.
US-Technologiewerte taugen nicht als Spiegel der Weltwirtschaft
Die erlebten Kursanstiege sind weder repräsentativ für die Wirtschaft noch für alle Märkte. Die Dominanz weniger US-amerikanischer Technologiewerte in den meist beobachteten Indizes wie S&P500 oder MSCI Welt führte zu einem Zerrbild. Viele US-Technologiewerte, die bereits vorher als Wachstumstitel von niedrigen Zinsen profitierten, sind zusätzlich häufig Corona-Gewinner „Die erfahrenen Wertanstiege dieser Aktie und in der Folge der Indizes sind nachvollziehbar, doch sie bilden nur einen Teil der Wirtschaftslage ab. Das gesamte Ausmaß der Corona-Krise wird erst deutlich, wenn auch andere Anlageklassen wie Öl, einzelne Rohstoffe und vor allem die niedrigen Renditen miteinbezogen werden“, erklärt der Investmentprofi.
Realitätsferner Optimismus für Kurskorrekturen verantwortlich
Die Hoffnung auf einen schnellen Impfstoff fand ihren Weg meist über Privatanleger und über modernste neue Handelsplattformen in die Märkte. „Ein Wiederanstieg der Corona-Fälle sorgt dafür, dass diese eher spekulativen Gelder die Märkte schnell wieder verlassen und so für die jüngste Korrektur im Oktober verantwortlich war“, sagt Böckelmann. An den börsennotierten Unternehmen könne es bislang nicht gelegen haben, da diese die gesenkten Erwartungen teilweise signifikant übererfüllt hätten. „Unrealistische Erwartungen diverser Marktteilnehmer wurden teils enttäuscht und führten zu der erfahrenen Verkaufswelle. Diese geht aktuell so weit, dass Unternehmen selbst dafür abgestraft werden, wenn sie mit rationalem Verweis auf die Unsicherheiten angesichts von US-Wahl und Corona keine Detailprognose für die nahe Zukunft abliefern wollen“, fasst Böckelmann die Lage zusammen.
US-Wahl nur kurzfristig interessant
China habe die Corona-Krise im Griff und beeindrucke mit seinen volkswirtschaftlichen Zahlen. Die Tatsache, dass bereits eine Million Menschen geimpft wurden und die sehr schnelle Eindämmung von Ausbrüchen stimmen zuversichtlich. „Aber auch im Rest der Welt spricht vieles für einen Impfstoff im ersten Quartal – zumindest für eine schnelle Ausweitung der verfügbaren Schnelltests“, sagt Böckelmann. Die Märkte werden in den nächsten Tagen und Wochen eher von den Quartalsberichten und der heutigen US-Wahl bestimmt. „Auch wenn sich bei der Frage Donald Trump oder Joe Biden für die Weltwirtschaft nicht viel ändern wird, kann Art und Ausgang der Wahl für Schwankungen sorgen. Schlussendlich ist es für viele US-Unternehmen aber die Wahl zwischen Pest und Cholera“, so Böckelmann.
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