Pressestatement zur Graue-Flecken-Förderung
Vorschlag der Verbände ANGA, Bitkom, BREKO und VATM für ein erfolgreiches "Graue-Flecken-Programm" durch eine intelligente Steuerungslogik
Die aktuellen Ereignisse im Zuge der Covid19-Pandemie unterstreichen, wie essenziell eine vernetzte und digitalisierte Gesellschaft für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und zur Aufrechterhaltung des sozialen wie auch wirtschaftlichen Zusammenlebens ist. Der dafür notwendige Ausbau von Gigabitnetzen ist daher wichtiger denn je. Die Mitgliedsunternehmen von ANGA, Bitkom, BREKO und VATM sind sich der Bedeutung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe bewusst und engagieren sich Jahr für Jahr mit signifikanten Investitionen im hohen einstelligen Milliardenbereich im eigenwirtschaftlichen Ausbau der digitalen Infrastruktur.
Trotz dieser großen Anstrengungen gibt es in Deutschland weiterhin Gebiete, die unterversorgt (weiße Flecken) und nur mit erheblichen finanziellen sowie ressourcenintensiven Aufwänden (insbesondere Tiefbau) zu erschließen sind. Da in einigen dieser Bereiche ein Ausbau wirtschaftlich nicht rentabel ist, ist die Unterstützung durch öffentliche Mittel dort ein wichtiger Baustein. Auch beim Anschluss dieser besonders schwer erschließbaren Haushalte und Unternehmen sind die Mitgliedsunternehmen der unterzeichnenden Verbände als Hauptakteure im geförderten Breitbandausbau ein verlässlicher Partner von Politik und Gesellschaft.
Mit Blick auf das geplante „Graue-Flecken-Programm“ des Bundes kommt es jetzt darauf an, die richtige Balance zwischen den weiterhin sehr hohen eigenwirtschaftlichen Ausbauaktivitäten der Branche einerseits, sowie dem flankierenden geförderten Ausbau andererseits zu finden: Der eigenwirtschaftliche Ausbau muss maximal begünstigt und unterstützt werden. Förderung sollte gezielt und wohl dosiert nur dort greifen, wo mittelfristig über den Markt keine Ausbauaktivitäten zu erwarten sind.
Vor diesem Hintergrund halten die Unterzeichner die Anhebung der Aufgreifschwelle für Privathaushalte auf 100 Mbit/s im Download für politisch nachvollziehbar und bei Festlegung der unten näher beschriebenen Förderkriterien für einen sinnvollen Einstieg in die (erste Stufe der) „Graue-Flecken-Förderung“.
Große Sorge im Hinblick auf den weiteren Glasfaserausbau in Deutschland bereitet den Mitgliedsunternehmen der unterzeichnenden Verbände die weitere und sehr zügig erfolgende Heraufsetzung der Aufgreifschwelle auf 200 Mbit/s symmetrisch ab 2023. Nach unseren Berechnungen würden damit „auf einen Schlag“ rund 14 Mio. Haushalte und Unternehmensstandorte förderfähig.
Ein unkontrollierter „Run“ der Kommunen und Landkreise auf die Fördermittel, auf den diese sich jetzt schon vorbereiten, wäre das Ergebnis. Die Folgen wären – angesichts begrenzter Tiefbaukapazitäten – primär weiter steigende Tiefbaupreise, eine weitere Verknappung der Planungskapazitäten und Engpässe in den Genehmigungsbehörden sowie eine damit einhergehende signifikante Verdrängung von Eigenausbauaktivitäten der Netzbetreiber. Ein gleichzeitiger bundesweiter Start einer sehr großen Zahl von Markterkundungsverfahren würde zu vielen „falschen“ Ergebnissen führen, da die ausbauenden Unternehmen nicht überall gleichzeitig Ausbauzusagen für Gebiete treffen können. Dies wäre umso problematischer, da viele der potenziell förderfähigen Gebiete eigenwirtschaftlich ausbaubar sind und dafür im Markt ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Eine solche sprunghafte Fördermarktentwicklung wäre auch aus arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten nicht erstrebenswert. Zu Beginn würden in der Verwaltung, TK- sowie Tiefbaubranche massive Neueinstellungen erforderlich, die nach dem Abflachen der Bugwelle wieder in einer Reduktion von Arbeitskräften resultiert. Stattdessen ist ein maßvolles Volumen für alle involvierten Parteien erstrebenswert, um eine nachhaltige und langfristige Beschäftigungspolitik für Deutschland sicherzustellen. Zu erwarten wäre zudem eine selektive Beteiligung der TK-Unternehmen an den attraktiveren Ausschreibungen, mit der Folge, dass es keine Angebote für die am schlechtesten versorgten Gebiete geben wird.
Im Ergebnis würde der Ausbau von Glasfasernetzen bis in die Gebäude und Wohnungen durch die geplante „Graue Flecken Förderung“ nicht beschleunigt, sondern durch eine Fokussierung aller Ausbauressourcen auf vermehrt geförderten Ausbau gar verlangsamt. Dies kann weder im Sinne der Politik, der Bürger und Unternehmen vor Ort noch der TK-Unternehmen sein.
Die Unterzeichner, deren Mitglieder für den Ausbau von mehr als 90% der bundesweiten Glasfaser- bzw. Gigabitanschlüsse verantwortlich sind, weisen daher eindringlich auf die Notwendigkeit einer intelligenten Steuerungslogik in Form eines abgestuften und zeitlich gestaffelten Systems im kommenden „Graue-Flecken-Programm“ hin. Denn nur mit den richtigen politischen Anreizen und einer adäquaten Balance zwischen prioritärem Eigenausbau und wohl dosierter Förderung für die besonders schlecht versorgten und unwirtschaftlichen Gebiete wird es Bund, Ländern, Kommunen, Landkreisen und den Telekommunikationsunternehmen gelingen, den Glasfaserausbau zu beschleunigen, ohne die Angleichung der (digitalisierten) Lebensverhältnisse zu konterkarieren.
Neben dem zuvor genannten Schutz des eigenwirtschaftlichen Ausbaus bedarf es hier aus unserer Sicht insbesondere folgender Stellhebel, damit das „Graue-Flecken-Programm“ ein Erfolg für Deutschland werden kann:
1) Sinnvolle Dosierung der Fördergelder über den Zeitablauf
Ein jährlich begrenztes Fördervolumen verringert zum einen die Gefahr der Verdrängung von Eigenausbau und gewährleistet in Zeiten knapper Tiefbau-Ressourcen eine gesunde Koexistenz von eigenwirtschaftlichen wie auch ergänzenden geförderten Projekten im Sinne eines beschleunigten Gigabitausbaus. Zum anderen ermöglicht es allen Beteiligten (Kommunen, TKU, Tiefbau-Unternehmen), einen gleichmäßigen und planbaren Ressourceneinsatz sicherzustellen, anstatt den TK-, Arbeits- und Tiefbaumarkt durch eine nicht handhabbare Bugwelle zu überfordern. In dem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass in den nächsten Jahren noch eine Vielzahl von Projekten aus dem derzeit laufenden Breitbandförderprogramm umgesetzt werden, die auf die gleichen Tiefbaukapazitäten, Ressourcen in den Unternehmen und Genehmigungsbehörden zurückgreifen werden.
Weitere negative Effekte bei einem Verzicht auf ein Dosierungsinstrument sind Preissteigerungen im Tiefbaumarkt, mit der Folge, dass für den gleichen Ausbau von Glasfaseranschlüssen deutlich mehr Mittel investiert werden müssen. Das neben dem eigenwirtschaftlichen Ausbau verkraftbare Fördervolumen des Marktes liegt aus Sicht der Unterzeichner bei rund € 1 Mrd. p. a. Bundesmittel. Sollten sich in den Folgejahren die verfügbaren Ressourcen im Tiefbau und in den Unternehmen deutlich gegenüber den heute verfügbaren Ressourcen entwickeln, und weitere befürchtete Preissteigerungen ausbleiben, so ist eine entsprechende Erhöhung der jährlichen Mittel denkbar (Öffnungsklausel).
2) Fokussierung der Förderaktivitäten auf primär unterversorgte Gebiete
Neben der zuvor skizzierten Dosierungslogik der Fördergelder ist ein Ranking der Gebiete/ bzw. Projekte nach dem Grad der Unterversorgung der Kommunen zur Vermeidung des „digital divides“ zwischen gut versorgten und schlecht versorgten Regionen unabdingbar.
Anstatt ungesteuerter und flächiger Förderung von Regionen, welche bereits heute mit hinreichenden Bandbreiten versorgt sind, ist eine Fokussierung auf Gebiete < 100 Mbit/s und insbesondere unter 30 Mbit/s, auch über das Jahr 2023 hinaus, erforderlich. In schon ganz überwiegend mit gigabitfähigen HFC-Netzen versorgten Gebieten ist keine oder nur nachrangige Förderung notwendig, da einzelne Versorgungslücken in der Regel perspektivisch eigenwirtschaftlich geschlossen werden können. Aktuell dürften nach unserer Schätzung rund 6 Mio. Haushalte außerhalb der Kabelnetzgebiete mit Bandbreiten < 100 Mbit/s versorgt sein. Eine Versorgung dieser Haushalte sollte daher den Fokus der Förderaktivitäten für die nächsten Jahre darstellen, anstelle eines unkontrollierbaren „Runs“ der Kommunen und Branche auf attraktivere Fördergebiete.
In Gebieten, in denen bereits teilweise ein eigenwirtschaftlicher Glasfaserausbau realisiert wurde bzw. konkret geplant ist, sollten die dort verbleibenden, offensichtlich nicht wirtschaftlich erschließbaren, unterversorgten Haushalte priorisiert gefördert werden.
Zur weiteren Priorisierung könnte das Kriterium der relativen wie auch absoluten Unterversorgung der Haushalte und Unternehmensstandorte < 100 Mbit/s auf Basis Gemeinde/Landkreis dienen. Denkbar wäre z. B., dass ein Ranking aller rund 11.000 Kommunen nach absoluter Anzahl der jeweils unterversorgten Haushalte erstellt wird, und daneben ein weiteres nach der relativen Unterversorgung (% der unterversorgten Haushalte zu allen Haushalten der Gemeinde). Von beiden Rankings/Listen würden jeweils top-down die Gebiete in die Förderung kommen, bis das Jahresvolumen an Förderung erschöpft ist. Dies würde gewährleisten, dass einerseits zuerst die „bedürftigsten“, am schlechtesten versorgten Haushalte, auf jeden Fall in die Förderung kommen, andererseits aber auch der Gesamtbeitrag zur Verbesserung der Gigabitabdeckung berücksichtigt wird. Zudem wird vorrangig dort gefördert, wo es bereits einen eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau gab.
Um betroffenen Bürgern auch in technisch und wirtschaftlich besonders schwer zu erschließenden Einzellagen, in denen ein Gigabitausbau – eigenwirtschaftlich oder gefördert – mittelfristig nicht zu erwarten ist, die digitale Teilhabe zu ermöglichen, halten die Unterzeichner den Einsatz der Satellitenkommunikation für wichtig.
3. Zeitliche Staffelung der Förderung
Eine Verschiebung der zweiten Stufe (Wegfall Aufgreifschwelle < 100 Mbit/s) auf der Zeitachse um mindestens zwei Jahre auf das Jahr 2025 ist aus Sicht der Unterzeichner unabdingbar, um eine Angleichung der Lebensverhältnisse bestmöglich umzusetzen und zuerst die Haushalte anzuschließen, die besonders schlecht versorgt sind.
4. Analyse über Gebiete, für die eigenwirtschaftliches Ausbaupotenzial besteht
Die Unterzeichner regen an, dass in Vorbereitung auf die 2. Stufe der „Graue-Flecken-Förderung“ eine wissenschaftliche Untersuchung vorgenommen wird, um Kriterien für die Identifizierung von Gebieten bzw. Haushalten, für die in den nächsten Jahren ein eigenwirtschaftliches Ausbaupotenzialpotenzial besteht, die aber ab 2023 grundsätzlich förderfähig werden würden, zu ermitteln. Diese Bereiche sollten im Sinne des effizienten Einsatzes von öffentlichen Mitteln für einen Zeitraum von 2 Jahren aus der Förderung herausgenommen werden. Sollten sich innerhalb dieses Zeitraums keine eigenwirtschaftlichen Ausbauaktivitäten manifestieren, darf unter dem Vorbehalt, dass keine nach den oben skizzierten Kriterien privilegierten Gebiete bzw. Haushalte mehr vorhanden sind, auch in diesen Gebieten ein Förderverfahren, beginnend mit einem Markterkundungsverfahren, gestartet werden.
Fazit
Nur mit der richtigen Balance zwischen prioritärem Eigenausbau und sinnvoll dosierter, ergänzender Förderung wird die Überwindung der digitalen Spaltung, und die Versorgung der Haushalte mit Gigabitanschlüssen mittelfristig gelingen. Dies erfordert eine intelligente Steuerungslogik für das „Graue-Flecken-Programm“. Ohne eine solche Steuerungslogik würde das Programm überwiegend negative Effekte haben, indem es den eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau, für den eine Vielzahl von Unternehmen und Investoren bereitstehen, mehr oder weniger zum Erliegen bringen und die Tiefbaupreise weiter ansteigen lassen würde. Die Versorgung mit Gigabitanschlüssen und der dafür notwendige Glasfaserausbau würde dadurch verlangsamt, anstatt beschleunigt.
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