Rechenzentrum und Managed Services
Herr Kraupa, die Entwicklung ihres Unternehmens ist beeindruckend. Dennoch: Drohen nicht auch bei den IT-Dienstleistern die mittelgroßen zwischen den kleinen/ billigen und großen/internationalen zerrieben zu werden?
Ingo Kraupa: Gerade in den letzten Jahren haben wir durch kluge Entscheidungen und eine klare Strategie große Erfolge erzielt. Wir haben heute eine gute Größe, bei der wir zeitgleich viele spannende Projekte stemmen, dabei aber noch nahe am Kunden und an der Technik sein können. Unser Geschäftsmodell funktioniert in der jetzigen Form wirklich sehr gut.
Sie haben in kurzer Frist neue Rechenzentren in Nürnberg, München und Hof eingerichtet. In Nürnberg und München werden aktuell weitere modernste IT-Flächen aufgebaut. Ist die Nachfrage so hoch – auch nach der Pandemie?
Ingo Kraupa: Bedarf und Nachfrage für RZ-Flächen sind in Deutschland ungebrochen stark. Wir planen, weitere Rechenzentren zu bauen und zu betreiben. Wir brauchen diese Ressourcen, um handlungsfähig zu bleiben. Gleichzeitig lösen wir mit den Anbauten das Leistungsversprechen an Kunden ein, die am Standort expandieren wollen. Den Bau modernster Rechenzentren beherrschen wir sehr gut. Wir haben jüngst vor Equinix und Interxion den Service Provider Award für den besten Rechenzentrumsanbieter XXL Deutschlands gewonnen.
Macht ein RZ in der Nähe von Frankfurt nicht auch Sinn für Sie?
Ingo Kraupa: Wir sind Anbieter von Premium-Rechenzentren. Mit der Fertigstellung unseres zweiten Bauabschnittes in Nürnberg sind wir in das Topsegment vorgestoßen und betreiben ein nach TÜV TSI Level 4 zertifiziertes Colocation-Rechenzentrum – meines Wissens einzigartig in Deutschland. Parallel haben wir den Standort in München um 5 000 m² erweitert. Die Standorte sind mit UltraLow-Latency-Technologie mehrfach redundant vernetzt und ermöglichen moderne Dual-Site-Konzepte. Kunden aus der Finanzbranche genießen damit eine Verfügbarkeit, die sie aktuell in Frankfurt nicht adäquat erreichen könnten.
Wie bewerten Sie die Corona-Krise? Zählen Sie sich zu den Gewinnern?
Ingo Kraupa: Bei dieser Krise von Gewinnern zu sprechen, ist für mich nicht adäquat. Wir konnten aber die Verluste durch erforderliche Einsparungen unserer Kunden mit Neugeschäften ausgleichen. Resilienz ist in der Pandemie für Unternehmen zu einem wichtigen Entscheidungsfaktor bei der Auswahl von IT-Partnern und bei Investitionsentscheidungen geworden. Zudem erwarten wir in Deutschland einen Digitalisierungsschub. Beides wird uns mittelfristig entgegenkommen. Generell ist unser Business eher stabil und weniger stark Schwankungen unterworfen. Insofern können wir das volle Ausmaß der Krise wohl erst in ein bis zwei Jahren beurteilen.
Welche Märkte sind besonders attraktiv für Sie?
Ingo Kraupa: Wir adressieren Kunden, denen Sicherheit, Verfügbarkeit und Zertifizierungen wichtig sind. Da finden wir Bedarf in sehr vielen Branchen. Zielgruppengerechte Lösungen haben wir für den Finanzsektor, den öffentlichen Bereich, Automotive und Software.
Bieten Sie Services, die andere nicht bieten?
Ingo Kraupa: Mir fällt kein einzelner Service ein, den wir exklusiv anbieten. Wenn ein Kunde aber eine Vielzahl von Services benötigt, die alle miteinander harmonieren und zertifiziert sein sollen, dann schrumpft die Zahl der Anbieter, die diese Themen glaubhaft vereinen, massiv. Ausschlaggebend ist oft, dass wir diesen berühmten einen wichtigen Schritt mehr für die Kunden gehen, den vor allem große Wettbewerber nicht gehen wollen.
Die Verteilung Ihrer RZ-Kapazitäten auf mehrere Standorte entspricht der Forderung nach Georedundanz. Wie wichtig ist das in der Praxis?
Ingo Kraupa: Für viele Kunden ist Business Continuity ein ernstes Thema. Wir sind einer der wenigen Anbieter, die vom Betrieb der eigenen Rechenzentren über den Betrieb der Cloud-Plattformen, dem eigenen Netzwerk bis hin zum Applikationsbetrieb die volle Wertschöpfungskette eines IT-Services abbilden können. Gerade Kunden aus dem Bankenumfeld schätzen das. Für sie bedeutet jede Weiterverlagerung zusätzliches Risiko und hohen Aufwand. Georedundanz ist hier ein Erfordernis aus dem Risikomanagement. Die bisherigen Latenz- und Reichweitenproblematiken lösen wir mit neuen Konzepten adaptiv und verringern damit Risiken.
Ist IT nicht eine horizontale, branchenübergreifende Technologie? Warum arbeiten Sie mit einer Vertikalisierungsstrategie?
Ingo Kraupa: Ja, ein Rechenzentrum für die Automobilindustrie schaut nicht grundsätzlich anders aus als eines für den öffentlichen Sektor. Aber während die einen Wert auf eine BSI-Zertifizierung legen, ist für die anderen TISAX wichtig. Im Bereich der Applikationen unterscheiden sich die Anforderungen gewaltig. Und es ist natürlich wichtig, die Sprache des Kunden zu sprechen und seine Anforderungen zu verstehen.
Sie bieten – ungewöhnlich für einen Colocation-Anbieter – eigene Cloud-Infrastrukturen. Welche Kunden adressiert dieses Angebot?
Ingo Kraupa: Unsere Kunden haben meist Private Clouds oder hybride Ansätze. Dabei wollen sie „atmen“ können und eine gewisse Flexibilität haben – diese muss aber nicht so extrem wie beim Hyperscaler sein. Wichtiger sind die Themen Sicherheit und Verfügbarkeit. Extreme Dynamik sehen wir bei den Plattform-Services. War das anfänglich ein Thema für Experten, ist die Nachfrage im letzten Jahr regelrecht explodiert. Viele Kunden beschäftigen sich intensiv mit diesem Thema und genießen die Vorteile von Containern und deren Orchestrierung.
noris network wird bei Public Cloud Service nicht die Funktionalitäten der Hyperscaler anbieten können. Was ist mit Kunden, die Hyperscaler Services nutzen wollen?
Ingo Kraupa: Als Mittelständler geht es uns immer um langfristige, nachhaltige Kundenbeziehungen. Wenn ein Kunde beim Hyperscaler besser aufgehoben ist, dann bringen wir ihn dort hin. Wir haben direkte Partnerschaften und Anbindungen zu den wichtigsten Hyperscalern und zu großen europäischen Hostern wie OVH.
Kleine und mittlere Unternehmen gelten als agiler und kundennäher. Hand aufs Herz: Sind Sie selbst noch bei Kunden?
Ingo Kraupa: Ja, unsere Kunden kennen mich. Ich rede viel mit ihnen, um herauszuhören, in welche Richtung sie denken und unsere Strategien dagegen zu verproben. Ich bin Verbindungsglied, wenn es darum geht, Anforderungen einzelner Kunden in einen Standard zu überführen oder bis dato unterschiedlich gehandhabte Praktiken zu vereinheitlichen, um eine möglichst gute Lösung für den Kunden zu erreichen. Ich verstehe mich da ganz als Dienstleister.
Herr Kraupa, wir danken für dieses Gespräch.
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