Bauen & Wohnen

RICS: Reform des öffentlichen Baurechts zur Minderung der Urbanisierungsproblematik in Deutschland durch „Urban Blocks 4.0“

Um den Problemen der Re-Urbanisierung in Deutschland mit großen Flächen- und Ressourcenverbräuchen, Infrastrukturen an der Belastungsgrenze und steigenden Mieten entgegen zu wirken, greift die RICS als Lösungsvorschlag das Modell der klassischen innerstädtischen Blockrandbebauung und transformiert es zu einem „Urban Block 4.0 im intelligenten Quartier“. Dazu ist nach Angaben der RICS eine Reform des öffentlichen Baurechts für mehr urbane Dichte und Nutzungsmix dringend notwendig. Die Reformvorschläge hat der Berufsverband jetzt in seinem neuesten Positionspapier veröffentlicht.

Cornelia Thaler FRICS, Vorstandsmitglied der RICS Deutschland und Mit-Autorin des Reformvorschlags: „Das Ziel ist eine kompakte, sozial und funktional durchmischte Stadt der kurzen Wege, gekoppelt mit dem städtebaulichen Paradigma traditioneller sowie qualitativ hochwertiger Siedlungsstrukturen.“

„Bereits im Frühjahr hat die RICS in ihrem aktuellen Positionspapier ´Urban Block 4.0: Das intelligente Quartier´ das Modell der klassischen Blockrandbebauung aufgenommen und es in das digitale Zeitalter des 21. Jahrhunderts transformiert´, ergänzt Martin Eberhardt FRICS, Initiator der beiden RICS-Positionen und Mitglied im RICS Governing Council.

Um die Idee dieser Bebauung und Besiedlung in Städten umzusetzen, sind drei wichtige Voraussetzungen einzuhalten bzw. zu schaffen: höhere bauliche Dichte, flexible Nutzungsmöglichkeiten – die selbst Light Industrial in der Nähe zu Wohnen ermöglicht – und eine moderne, urbane Blockbebauung. Die äußerst beliebten gründerzeitlichen Viertel der deutschen Großstädte seien der Ausgangspunkt für das Konzept der RICS, so Eberhardt. Die RICS regt daher an, gesetzgeberisch wie folgt tätig zu werden:

Höhere bauliche Dichte

Um eine höhere bauliche Dichte in Städten zu erreichen, sind zunächst Änderungen in der Baunutzungsverordnung (BauNVO), konkret bei den Vorgaben des Maßes der baulichen Nutzung (§§ 16ff. BauNVO) erforderlich. § 17 BauNVO regelt die Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung. Die dort gezogenen „Dichte-Obergrenzen“ der Grundflächenzahl (GRZ), der Geschossflächenzahl (GFZ) und der Baumassenzahl (BMZ) stehen dem Ziel einer höheren baulichen Dichte entgegen.

Frank Müller MRICS, Mit-Autor des Reformvorschlags: „Wir schlagen daher vor, diese Zahlen zumindest für urbane und Kerngebiete, aber auch für andere Gebietstypen der BauNVO anzuheben. Besser wäre es sogar, die Obergrenzen gänzlich zu streichen, um so eine höhere Flexibilität auch im Hinblick auf die mögliche innerstädtische Verdichtung bei der Planung bzw. Weiterentwicklung von Stadtquartieren zu ermöglichen.“

Flexible Nutzungsmöglichkeiten

Das moderne und zeitgemäße Stadtquartier erfordert eine erhebliche Flexibilisierung der Nutzungsmöglichkeiten (Art der baulichen Nutzung, §§ 1ff. BauNVO). Die derzeitigen Baugebietsvorgaben der BauNVO halten den urbanen Megatrends nicht stand. Sie sind zu starr und unflexibel, um den notwendigen Strukturwandel aktiv gestalten zu können. Die Umwandlung von gewerblich genutztem Raum in Wohnraum sowie soziale Nutzungsformen und eine stärkere funktionale Mischung muss planerisch und städtebaulich erleichtert werden. Nur so kann beispielsweise der Flächenbedarf reduziert und den steigenden Anforderungen des innerstädtischen Verkehrs Rechnung getragen werden. In Ansätzen trägt das Urbane Gebiet nach § 6a BauNVO dem bereits Rechnung. Gleiches gilt auch für das Mischgebiet (§ 6 BauNVO). Insbesondere aber das Kerngebiet (§ 7 BauNVO) und auch die Wohngebiete nach §§ 2-4 BauNVO sollten hinsichtlich der zulässigen Arten der baulichen Nutzung erheblich flexibilisiert werden. Als konkretes Beispiel sei die Zulassung von Wohnnutzungen in Kerngebieten genannt.

Urbane Blocks

Für das Idealbild des flexiblen urbanen Blocks reichen die vorgeschlagenen Anpassungen bei Art und Maß der baulichen Nutzung in der BauNVO nicht aus. Änderungen sind auch ordnungsrechtlich, insbesondere in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) und im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImschG) notwendig. Daher sollten flankierend zu den genannten bauplanerischen Maßnahmen insbesondere vier Bereiche reformiert werden:

  • Liberalisierung und Angleichung der Immissionsrichtwerte für die unterschiedlichen Gebietstypen – ohne Aufgabe der städtebaulichen (Quartiers-)Qualität (Ziffer 6.1 der TA Lärm).
  • Flexibilisierung und Anpassung der Lärmkarten für Ballungsräume (§ 47c BImSchG).
  • Überarbeitung des Verständnisses von typologischen Lärmquellen (u.a. § 2 der 34. BImSchV sowie Ziffer 2.5 der TA Lärm i.V.m. § 3 Abs. 6 BImSchG).
  • Überarbeitung bzw. Verlegung des Messpunkts im Bereich Wohnen (richtet sich nach Ziffer 2.3 der TA Lärm nach Nummer A.1.3 des Anhangs zur TA-Lärm).

„Dienstleistungen haben gegenüber klassisch industriellen Tätigkeiten an Bedeutung gewonnen. Weiterentwickelter Schallschutz sowie neue Technologien zur Reduzierung von Emissionen schaffen heute die Möglichkeit, bisher immissionsträchtige Tätigkeiten immissionsarm auszuüben. Sie können damit an andere Nutzungsarten wie Wohnen heranrücken. Dies sollte sich auch in den maßgeblichen technischen und ordnungsrechtlichen Regularien widerspiegeln, damit die gewünschte Flexibilisierung des Bauplanungsrechts in der Praxis umgesetzt werden kann“, erläutert Müller.

„Großen Wurf nicht aus den Augen verlieren“

In Ergänzung zu diesen Umsetzungsvorschlägen regt die RICS an, auch eine weitere Evolution der baurechtlichen Vorgaben ins Auge zu fassen, da in Kürze die Charta von Leipzig 2.0 beschlossen wird. Mit deren Umsetzung in deutsches Recht würde sich ein Anlass bieten, die gesamte Baunutzungsverordnung neu zu fassen und auch Aspekte der Nachhaltigkeit zu verankern. „Wir möchten daher Politik und Verwaltung ermuntern, auch den ´großen Wurf´ nicht aus dem Auge zu verlieren und zunächst mutig bei der Neufassung der Baunutzungsverordnung voranzuschreiten“, so Eberhardt abschließend.

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