Klimaschutz: Gering- und Durchschnittsverdienende reduzieren Emissionen, während Reiche den C02-Ausstoß steigern
In Zusammenarbeit mit dem Stockholme Environment Institute (SEI) hat Oxfam die konsumbedingten Emissionen verschiedener Einkommensgruppen zwischen 1990 und 2015 untersucht. In diesem Zeitraum sind die klimaschädlichen Emissionen in der EU insgesamt um 12 Prozent gesunken, die ökonomische Ungleichheit in der EU ist jedoch gestiegen. Der Bericht zeigt:
- Die ärmste Hälfte der EU-Bürger*innen reduzierte ihre Emissionen um fast ein Viertel (24 Prozent), die Bürger*innen mit mittlerem Einkommen um 13 Prozent. Im Gegensatz dazu stiegen die Emissionen der reichsten 10 Prozent der Europäer*innen um drei Prozent. Das reichste Prozent der Bürger*innen erhöhte seine Emissionen gar um fünf Prozent.
- Insgesamt waren die reichsten 10 Prozent der EU-Bürger*innen für genauso viele Emissionen verantwortlich wie die ärmere Hälfte der EU-Bevölkerung – jeweils 27 Prozent der gesamten EU-Emissionen. Die Europäer*innen mit mittlerem Einkommen waren für 46 Prozent der Emissionen verantwortlich.
- Auch die Ungleichheit zwischen Mitgliedstaaten ist groß: So sind die reichsten zehn Prozent der Menschen in Deutschland, Spanien, Italien und Frankreich für ebenso viele Emissionen verantwortlich wie die gesamte Bevölkerung von 16 EU-Staaten zusammen. Andererseits verursachten beispielsweise die reichsten zehn Prozent der Pol*innen (ca. 3,8 Millionen Menschen) mehr Emissionen als die gesamte Bevölkerung Schwedens (ca. 9,8 Millionen Menschen) oder Ungarns (ca. 9,9 Millionen Menschen). Dies ist der exzessiven Nutzung von Kohleenergie und der Ungleichheit in Polen geschuldet.
- Die reichsten zehn Prozent (ca. 8.3 Millionen) der Deutschen allein waren im Jahr 2015 für sieben Prozent der EU-Emissionen verantwortlich. Das ist mehr als Staaten wie Luxemburg, Litauen, Kroatien, Slowenien, Estland, Lettland, Zypern oder Malta insgesamt emittieren.
„Es kann nicht sein, dass sich Gutverdiener*innen in Deutschland und Europa einen Lebensstil auf Kosten des Klimas leisten, während die Emissionsreduzierung der letzten Jahrzehnte auf das Konto der Gering- und Durchschnittsverdiener*innen in Europa geht. Diese Ungerechtigkeit hat schon heute schwerwiegende Folgen, vor allem in Ländern des Globalen Südens, wo die Klimakrise Menschen in Armut mit voller Wucht trifft und ihnen die Lebensgrundlagen raubt. Weit tiefere Einschnitte bei den Emissionen sind nötig, um die Klimaziele der nächsten Dekade zu erreichen. Dazu muss jede*r einen fairen Beitrag leisten“, sagt Mira Alestig, Forschungsleiterin bei Oxfam und eine der Autor*innen des Berichts.
Um die Erderhitzung unter 1,5 Grad zu halten, so Oxfams Kalkulation, müssten die reichsten zehn Prozent der EU ihre durchschnittlichen Pro-Kopf-Emissionen bis 2030 auf ein Zehntel des bisherigen Werts senken. Ein ehrgeiziges Klimaziel für 2030 auf EU-Ebene in Verbindung mit einem fairen europäischen Green Deal würde Europa dabei helfen, aus der COVID-19-Krise mit stärkeren und nachhaltigeren Volkswirtschaften hervorzugehen, die für alle Europäer funktionieren.
Alestig weiter: „Die Ergebnisse des Berichts sprechen eine deutliche Sprache: Die Ungleichheit in Europa und der exzessive CO2-Verbrauch der Reichen müssen zusammen angegangen werden. Nur so können wir eine faire und nachhaltige Erholung der Wirtschaft nach der COVID-19-Pandemie sicherstellen, die Klimaziele erreichen und eine Gesellschaft aufbauen, die sich nicht in ökonomische Gewinner und Verlierer aufteilt.“
Auf Ebene der Mitgliedstaaten wie Deutschland sollten Regierungen eine Reihe weiterer Maßnahmen ergreifen. Ein wichtiger Hebel ist der Verkehr, denn Flugreisen und Autofahrten sind für den Großteil der Emissionen durch Europäer*innen mit dem größten CO2-Fußabdruck verantwortlich. Sie machen rund 30 bis 40 Prozent aus und sind in fast allen europäischen Ländern – darunter auch Deutschland – seit 1990 drastisch gestiegen. Steuern auf klimaschädliche SUVs und auf häufiges Fliegen wären ein erster Schritt. Die Einnahmen müssen Regierungen in klimaeffiziente Mobilität, in öffentliche Infrastruktur und Dienste sowie in soziale Sicherung investieren.
Redaktionelle Hinweise:
- Der Bericht „Confronting Climate Inequality in the European Union” steht unter SPERRFRIST 8.12.2020, 00:01 MEZ zum Download bereit unter https://oxfam.box.com/v/confronting-carbon-inequality, Passwort oxfam.
- Grundlage des Oxfam-Berichts sind Schätzungen über sogenannte Verbrauchsemissionen, das ist der Emissionsverbrauch eines Landes, einschließlich der importbezogenen und abzüglich der exportbezogenen Emissionen. Die Verbrauchsemissionen eines Landes wurden den einzelnen Haushalten zugeteilt, basierend auf aktuellen Daten zur Einkommensverteilung. Die durch vielfache Studien belegte Annahme dahinter ist, dass die Emissionen in Abhängigkeit zum Einkommen zunehmen – und zwar innerhalb eines (landesspezifisch definierten) minimalen und maximalen Verbrauchs. Das europäische Datenmaterial fasst die Daten für verschiedenen Einkommensgruppen aus 27 Mitgliedstaaten – ohne Großbritannien – zusammen. Ausführlichere Informationen zur Methodologie sind im Forschungsbericht enthalten.
- Das einkommensstärkste Prozent der Europäer*innen – eine Untergruppe der reichsten zehn Prozent – hatte 2015 ein Jahreseinkommen von mehr als 89.000 Euro, die reichsten zehn Prozent ein Jahreseinkommen von mehr als 41.000 Euro. Die mittleren 40 Prozent der Europäer*innen lagen zwischen 20.000 und 40.999 Euro Jahreseinkommen, die ärmere Hälfte der Europäer*innen hatte ein Jahreseinkommen von weniger als 20.000 Euro.
- Europäische Staats- und Regierungschefs werden beim Ratstreffen vom 10. bis 11. Dezember das Ziel einer Emissionsreduzierung bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 diskutieren. Oxfam schätzt, dass eine Reduzierung der europäischen Emissionen um mehr als 65 Prozent nötig wäre, damit Europa seinen fairen Beitrag auf dem Weg zur Umsetzung des Pariser Abkommens leistet, die Erderhitzung nicht über 1,5° C steigen zu lassen. In der Europäischen Union leben sieben Prozent der Weltbevölkerung. Sie sind für 15 Prozent der globalen Verbrauchsemissionen verantwortlich.
Weitere Zahlen für Deutschland
- Im Jahr 2015 war Deutschland für ein Viertel (25 Prozent) der EU-Emissionen verantwortlich – weit mehr als Italien (13 Prozent), Frankreich (12 Prozent) und Polen (8 Prozent).
- Zwischen 1990 und 2015 waren die reichsten 10 Prozent der deutschen Bürger*innen für mehr als ein Viertel (26 Prozent) der deutschen Emissionen verantwortlich – fast genau so viel wie die ärmste Hälfte der deutschen Bevölkerung zusammen (29 Prozent). Die 40 Prozent der Deutschen mit mittlerem Einkommen verursachten 45 Prozent der Emissionen.
- Deutschlands totale Emissionen sind zwischen 1990 und 2015 um 25 Prozent gesunken – hauptsächlich eine Leistung der ärmeren 90 Prozent der Deutschen: Die ärmsten 50 Prozent der Deutschen reduzierten ihre Emissionen um fast ein Drittel (32 Prozent), die 40 Prozent der Bürger mit mittlerem Einkommen um 27 Prozent. Im Gegensatz reduzierten die reichsten zehn Prozent der Deutschen ihre Emissionen um nur 13 Prozent. Das reichste ein Prozent der Deutschen reduzierte seine Emissionen gar nicht.
- Die Pro-Kopf-Emissionen in Deutschland sanken zwar, allerdings sind sie weiterhin in allen Einkommensgruppen viel zu hoch: Der CO2-Fussabdruck der reichsten zehn Prozent der deutschen Bevölkerung ist fast viermal so hoch wie der CO2-Fussabdruck einer*eines durchschnittlichen Europäer*in. Um das 1,5-Prozent-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, muss der Fußabdruck der reichsten zehn Prozent der deutschen Bürger*innen bis 2030 fast 15-mal kleiner, des reichsten ein Prozents fast 44-al kleiner werden. Der Fußabdruck der ärmsten 50 Prozent muss nur knapp dreimal kleiner sein.
- Das einkommensstärkste Prozent der deutschen Bevölkerung hatte 2015 ein Brutto-Jahreseinkommen von über 171.000 €, die einkommensstärksten zehn Prozent hatten ein Einkommen von über 67.000 €, die mittleren 40 Prozent hatten ein Einkommen zwischen 32.000 € und 66.999 € pro Jahr und die ärmste Hälfte der deutschen Bevölkerung hatte ein Einkommen von bis zu 31.999 Euro pro Jahr.
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