Virtuelle Hauptversammlung – Rechtsunsicherheit zur Unzeit
„Obwohl die deutschen Unternehmen mit einer sich verschärfenden Pandemie kämpfen und voraussichtlich ein zweiter harter Lockdown bevorsteht, greifen die Koalitionsparteien ohne Not in die gerade erst verlängerten Regeln zur virtuellen Hauptversammlung ein“, kritisiert Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts. „In einer Nacht- und Nebel-Aktion werden die Regeln zur virtuellen Hauptversammlung für das kommende Jahr geändert. Diese Vorgehensweise schafft nicht nur Verunsicherung bei der komplexen Planung von Hauptversammlungen. Sie führt auch zu Rechtsunsicherheiten bei den Unternehmen, die bereits Ende Januar ihre Hauptversammlungen abhalten“, betont sie.
Wie die CDU/CSU-Fraktion gestern mitteilte, sollen im Rahmen des Gesetzes zur Verkürzung der Restschuldbefreiung auch Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung geändert werden. Diese Änderungen, die die Frage- und Antragsmöglichkeiten betreffen, sollen bereits zu Beginn des Jahres 2021 gelten. Die Regeln zur virtuellen Hauptversammlung, die im COVID-Notstandsgesetz stehen, waren erst im Oktober 2020 per Rechtsverordnung für das Jahr 2021 verlängert worden. Das Deutsche Aktieninstitut hatte dies begrüßt, da die Unternehmen damit in der Pandemie Rechts- und Planungssicherheit erhielten.
Die Regierungsparteien planen, dass aus der im COVID-Gesetz vorgesehenen Fragemöglichkeit der Aktionäre ein Fragerecht werden soll. Fragen sollen statt bisher zwei Tage bis zu einem Tag vor der Hauptversammlung eingereicht werden können. Dem Vernehmen nach soll zudem für Anträge eine Antragsfiktion gelten, d.h. eingereichte Anträge werden als gestellt betrachtet. Die Änderungen sollen in der kommenden Woche beschlossen und anschließend im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Ab Veröffentlichung ist wohl nur eine einmonatige Übergangsfrist vorgesehen.
Tritt das Gesetz in Kraft, führt das vor allem für Unternehmen, die in den ersten Monaten des Jahres 2021 ihre Hauptversammlung durchführen, zu erheblichen Problemen. Mit Blick auf den zeitlichen Vorlauf, den die Umsetzung rechtlicher Vorgaben zur Einbindung von Aktionären benötigt, ist die Übergangsfrist daher zu knapp.
„Die Übergangsfrist sollte deshalb so bemessen werden, dass die Unternehmen, die bis Ende Februar ihre Hauptversammlungen abhalten, nicht von der Regelungsänderung betroffen sind“, fordert Bortenlänger. „Insgesamt stellt sich die Frage, ob Nutzen und Aufwand dieser kurzfristigen Regelungsänderung hier wirklich in einem angemessenen Verhältnis stehen. Stattdessen sollten wir uns endlich dem Thema widmen, wie die (virtuelle) Hauptversammlung der Zukunft aussehen kann“, betont Bortenlänger.
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