Gesundheit & Medizin

Berufskrankheitenrecht und Dermatosen: Anerkennung beruflich bedingter Hauterkrankung zwingt nicht mehr zur Job-Aufgabe

Hautkrankheiten, vor allem Handekzeme, führen mit Abstand die Statistik der gesetzlichen Unfallversicherung an. Sie treten bei Menschen aus den unterschiedlichsten Branchen auf: Ob in Gesundheitsberufen, im Friseurgewerbe, in der Metallindustrie, in Reinigungsbetrieben oder der Gastronomie: Hautrisse, Entzündungen, Bläschenbildung, Schmerzen – der Leidensdruck ist hoch. Eine Anerkennung als Berufskrankheit war bislang schwierig, es sei denn, man gab den Beruf auf. Das nun geänderte Berufskrankheitenrecht ermöglicht Betroffenen nun die Anerkennung als Berufskrankheit, auch wenn sie weiter in dem Beruf arbeiten. Die Deutsche Dermatologischen Gesellschaft e.V. (DDG) weist jedoch darauf hin, dass das bewährte „Hautarztverfahren“ mit seinem auf Behandlung und Prävention basierenden Ansatz nicht eingeschränkt werden sollte, damit keine „Präventionslücken“ entstehen.

Zum 1. Januar 2021 ist eine Änderung des Berufskrankheitenrechts in Kraft getreten, die auch für dermatologische Erkrankungen eine große Bedeutung hat. Während in früheren Zeiten das Aufgeben des Berufes („Unterlassungszwang“) eine Voraussetzung dafür war, dass die Berufskrankheit anerkannt wurde, so fällt diese Hürde nun weg. „Für die Beschäftigten steigt damit die Chance, dass ihre Erkrankung unabhängig davon, ob sie wegen der hautgefährdenden Tätigkeit den Job aufgeben oder ihre Tätigkeit fortsetzen, als Berufskrankheit anerkannt wird“, erklärt Professor Dr. med. Peter Elsner, Direktor der Klinik für Hautkrankheiten am Universitätsklinikum Jena und Beauftragter für die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Und das wirke sich positiv auf alle notwendigen therapeutischen Maßnahmen bis hin zu möglichen Rentenansprüchen aus, falls durch die Krankheit die Erwerbsfähigkeit gemindert wird. Die Kosten dafür werden von der jeweiligen Berufsgenossenschaft oder der Unfallkasse übernommen.

Als Berufskrankheit gilt eine Krankheit, die durch die berufliche Tätigkeit einer versicherten Person verursacht worden ist. Insgesamt 80 Berufskrankheiten sind in Deutschland durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung in einer Liste verzeichnet. Bei den dermatologisch relevanten Berufskrankheiten sind zwei Gruppen bedeutsam, die zusammengenommen die Berufskrankheitenstatistik anführen: die Berufskrankheit (BK) 5101 („schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen“) und die BK 5103 („Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut“). Die „Schwere“ hat mit der Dauer der Erkrankung zu tun (> sechs Monate), mit dem klinischen Bild und den Symptomen, der Ausdehnung und dem Ort des Befalls (Streuphänomene, großflächig oder generell). „Das Ansprechen auf die hautärztliche Therapie ist ebenfalls ein Faktor. Therapieresistenz, schlechte Heilungstendenz, teilstationäre oder stationäre Behandlung – all das zeigt, dass es eine schwere Hautkrankheit ist. Auch das Auftreten wiederholter gleichartiger Krankheitsschübe stärkt diese Einschätzung“, erläutert Elsner.

„Die Abschaffung des Unterlassungszwangs wird zu einem großen Anstieg der Anerkennungszahlen führen“, prognostiziert Professor Dr. med. Christoph Skudlik vom Institut für interdisziplinäre Dermatologische Prävention und Rehabilitation an der Universität Osnabrück. Der Anteil der Anerkennungen der fast 20 000 gemeldeten BK 5101-Verdachtsfälle lag im Jahr 2019 mit nur 383 Fällen unter zwei Prozent. Bei den etwa 7500 BK-Meldungen zu Hautkrebsarten und ihren Vorstufen waren es mit 3766 Anerkennungen dagegen über 50 Prozent. „Wenn jetzt die Anerkennungsquote für die BK 5101 in die Tausende geht, wird sich das ganz erheblich auf die dermatologische Versorgung auswirken, da in all diesen Fällen dann die gesetzliche Unfallversicherung dauerhaft zuständig für die Behandlung ist“, erklärt Skudlik, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Berufs- und Umweltdermatologie der DDG ist.

Mögliche Gefahren sieht der Experte darin, dass im Zuge dieser weitreichenden Reform das bewährte „Hautarztverfahren“ eingeschränkt werden könnte. Dieses von Ärztinnen/Ärzten und Unfallversicherungsträgern vereinbarte Verfahren dient der Früherfassung berufsbedingter Hauterkrankungen. Schnell und effektiv geeignete Maßnahmen ergreifen, um einer (chronischen) Berufskrankheit vorzubeugen – das ist das Ziel dieses „Frühmeldeverfahrens“, um den Betroffenen zu ermöglichen, ihre berufliche Tätigkeit fortzusetzen.

„Wenn berufsbedingte Hauterkrankungen zu spät erkannt und behandelt werden, kann die Heilung sehr lange dauern. Patientinnen und Patienten leiden stark unter den Belastungen, die mitunter dazu führen, dass der Beruf aufgegeben werden muss. Früh intervenieren ist das Handlungsgebot – das gut etablierte Hautarztverfahren sollte auch in Zukunft die Richtung weisen“, betont Elsner. Mit der Gesetzesänderung bestehe die Gefahr einer Präventionslücke. „Wenn jetzt eine ‚schwere oder rückfällige Hauterkrankung‘ festgestellt wird, ist ein BK-Feststellungsverfahren einzuleiten, das Monate dauern kann, bis die Berufskrankheit anerkannt wird, die Kostenübernahme durch die Unfallkasse vorliegt und die Therapie beginnt“, gibt Elsner zu bedenken. Hier wurde nun bereits nachjustiert, um sicherzustellen, dass bereits bei dem begründeten Verdacht einer berufsbedingten Hauterkrankung bei dem Unfallversicherungsträger ein Behandlungsauftrag beantragt wird und Therapie und Präventionsmaßnahmen starten können.

Die DDG-Experten begrüßen ausdrücklich, dass sich die gesetzliche Unfallversicherung erklärt hat, mit den Hautärztinnen und Hautärzten das gemeinsame Hautarztverfahren als effektives Präventionsverfahren auch bei Berufskrankheitenanzeigen fortzusetzen. Betroffene, die in hautbelastenden und gleichzeitig häufig auch systemrelevanten Berufen arbeiten, sollten dies nutzen und bei Hautbeschwerden möglichst frühzeitig zur Hautärztin oder zum Hautarzt gehen, um zu verhindern, dass ihre Erkrankung chronisch und ihre Berufsausübung gefährdet wird.

Quelle:
Krohn S, Drechsel-Schlund C, Römer W, Wehrmann W, Skudlik C: BK-Rechtsreform: Rechtsänderungen bei Berufskrankheiten – Auswirkungen auf die dermatologische Praxis. Dermatologie in Beruf und Umwelt, Jahrgang 68, Nr. 4/2020, S. 145-148. DOI 10.5414/DBX00396
Liste der Berufskrankheiten  

Über Deutsche Dermatologische Gesellschaft

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) e. V. ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der deutschsprachigen Dermatologinnen und Dermatologen. Als eine gemeinnützige Organisation mit mehr als 3.800 Mitgliedern fördert sie Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Dermatologie und ihrer Teilgebiete. Die DDG setzt sich für die Förderung der klinischen und praktischen Dermatologie, Allergologie und Venerologie sowie ihrer konservativen und operativen Teilgebiete ein. Mit der Durchführung von wissenschaftlichen Veranstaltungen und Kongressen engagiert sie sich in der Fort- und Weiterbildung, sie entwickelt Leitlinien und unterstützt Forschungsvorhaben durch Anschubfinanzierungen und Förderungen. Darüber hinaus vergibt die DDG zusammen mit der Deutschen Stiftung für Dermatologie Forschungsgelder und Stipendien an vielversprechende Nachwuchsmedizinstudierende und an namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

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