Corona-Hilfen kommen nicht bei den Unternehmerinnen an
Aber statt die von der Bundesregierung zugesagte schnelle und unbürokratische Hilfe zu erhalten, sehen sie sich mit den Versäumnissen der Bundesregierung in den letzten Jahrzehnten konfrontiert: mangelnde Digitalisierung der Verwaltung und eine verwirrende Bürokratie. Deutsches und EU-Beihilferecht verkomplizieren die Antragsbedingungen. Bis das Antragsportal für die jeweiligen Hilfen einsetzbar ist, vergehen Wochen. Die Prüfung und Auszahlung ziehen sich ebenfalls hin. Die sogenannte Novemberhilfe kann erst seit dem 10. Januar ausgezahlt werden, nachdem im Dezember Abschlagzahlungen ermöglicht wurden, weil sich das Verfahren zu lange verzögerte. Aufgrund dieser Hürden wurde bisher nur ein Bruchteil der von der Bundesregierung für die Hilfsprogramme zur Verfügung gestellten Mittel abgerufen. Die Überbrückungshilfe III, die in bestimmten Fällen auch eine verbesserte Fixkostenerstattung für November und Dezember 2020 vorsieht, kann noch gar nicht beantragt werden. Das Ergebnis: Die Hilfen kommen bisher kaum, zu spät und nicht im angekündigten Umfang bei den betroffenen Unternehmen, die sie dringend brauchen, an.
Aufgrund der hohen Komplexität, massiver Unklarheiten und rückwirkender Änderungen der Antragsbedingungen, zögern viele Unternehmerinnen die Hilfsprogramme zu nutzen. So sind bei der Überbrückungshilfe II und den November- und Dezemberhilfen zentrale Fragen noch ungeklärt, was die Beantragung fehleranfällig macht. Unternehmerinnen und prüfende Dritte gehen möglicherweise strafrechtliche Risiken ein. Bei unklaren Sachverhalten müssen die beiden zuständigen Ministerien für Wirtschaft und für Finanzen eine handhabbare Einzelfallbeurteilung ermöglichen. Unstimmigkeiten in den Regelungen müssen umgehend beseitigt werden.
Erst Anfang Dezember wurde bekannt, dass Unternehmen, die Überbrückungshilfe II beantragen wollen, anders als bisher nicht nur einen Umsatzeinbruch, sondern auch einen Verlust nachweisen müssen. Unklar ist aber, wie dieser Verlust im Detail berechnet werden soll. Zudem wird es für viele Unternehmen schwer, einen bilanziellen Verlust auf Monatsbasis zu ermitteln und nachzuweisen, was sie wiederum davon abhalten wird, die Hilfe zu beantragen. Unklar ist auch, welche Kosten als ungedeckte Fixkosten in die Berechnung einfließen dürfen. Nicht transparent ist die Anrechnung von Hilfen und KfW-Krediten auf De-minimis-, Kleinbeihilfen- und Fixkostenförderung nach deutschem und EU-Recht. Hier sind möglicherweise Anrechnungen aus früheren Kreditvergaben und Förderungen vorzunehmen und es gibt branchenabhängig unterschiedliche Höchstgrenzen.
Auch die Regelungen zur Dezemberhilfe zeigen eine eklatante Lücke. Denn für die Dezemberhilfe sind bisher nur die Unternehmen antragsberechtigt, die bereits im November von bundesweit geltenden Schließungen betroffen waren. Unternehmen z.B. aus dem stationären Einzelhandel, die erst aufgrund der Beschlüsse vom 13. Dezember ihren Betrieb einstellen mussten, sind nicht berechtigt, Hilfen für den Umsatzausfall in der Weihnachtszeit zu beantragen. Für den stationären Einzelhandel ist dies eine Katastrophe. Er kann mit der Überbrückungshilfe nur einen Teil der Fixkosten decken. Auf der Saisonware bleibt er sitzen, denn der Wareneinkauf gehört nicht zu den Fixkosten. Um einer drohenden Überschuldung des stationären Einzelhandels zu begegnen, braucht er dringend branchenspezifische Liquiditätshilfen. Steuerliche Entlastungen durch Abschreibung reichen hier nicht, denn die meisten Unternehmen haben 2020 kaum Gewinne erzielt, die sie versteuern müssen. Für besonders betroffene Branchen sollte zudem eine Ausnahmeregelung für eine weitere Aussetzung des Insolvenzantragsgrunds Überschuldung im 1. Halbjahr 2021 ermöglicht werden.
Dass die Beantragung der Neustarthilfe für Soloselbständige noch immer nicht möglich ist, ist nach der monatelangen Nichtberücksichtigung der Belange der Soloselbständigen in den Corona-Hilfen ein Armutszeugnis. Antragsstellung und zügige Auszahlung müssen endlich starten. Zudem können Hilfen von maximal 5.000 Euro für die Gesamtlaufzeit von Dezember 2020 bis Ende Juni 2021 nur als Tropfen auf dem heißen Stein verstanden werden. Sie müssen ausgebaut und die Zahlung eines fiktiven Unternehmerlohns für alle Unternehmer*innen bei der Überbrückungshilfe berücksichtigt werden.
Die Unternehmerinnen fordern vom Bundesfinanzministerium und vom Bundeswirtschaftsministerium dringende Nachbesserung und einen beschleunigten Zugang zu allen Hilfen.
Überbrückungshilfe II:
- Unternehmerlohn: Der fiktive Unternehmerlohn muss endlich bei den förderfähigen Kosten für alle Unternehmer*innen berücksichtigt werden.
- Betrachtungszeitraum: In den Regelungen muss geklärt werden, ob der Betrachtungszeitraum monatlich oder kumuliert für September bis Dezember 2020 oder der komplette Beihilfezeitraum März 2020 bis Juni 2021 ist.
- Kostenberechnung: Abschreibungen auf Anschaffungen nach dem 10.02.2020 und im Jahr 2020 realisierte Hygienemaßnahmen müssen als ungedeckte Fixkosten angerechnet werden. Zudem muss die Begrenzung der Werbekosten für den Neustart geschlossener Unternehmen auf das Niveau 2019 aufgehoben werden.
- Wirkung anderer Hilfsprogramme: Klargestellt werden muss, ob November und Dezemberhilfen schädlich anzurechnen sind und zu welchem Zeitpunkt. KfW-Schnellkredite müssen als Eigenkapital gewertet werden und bei der Beihilfebetrachtung unberücksichtigt bleiben.
- Klargestellt werden muss, welche individuelle Bestimmungen es je nach Branche und Unternehmensgröße gibt.
Neustarthilfe:
- Die Beantragung und die Auszahlung der Neustarthilfe für Soloselbständige müssen endlich beginnen.
- Die maximal zu beantragende Hilfe für die Gesamtlaufzeit von Dezember 2020 bis Ende Juni 2021 muss erhöht werden.
Dezemberhilfe:
- Auch Unternehmen, die von den Schließungsbeschlüssen vom 13. Dezember direkt oder indirekt betroffen sind, müssen berechtigt sein, Dezemberhilfe zu beantragen.
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