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Demografie und Pandemie: Wird Corona zum Sargnagel für Ostdeutschland?

Wie das Statistische Bundesamt jetzt mitteilt, wird es im Jahr 2020 nach vorläufigen Schätzungen kein Bevölkerungswachstum in Deutschland gegeben haben (1). Dass im Zuge der Pandemie das Bevölkerungswachstum zum Erliegen kommt, erscheint nicht überraschend. Denn die Pandemie wirkt sich auf alle drei Faktoren der Bevölkerungsentwicklung aus: Fertilität, Mortalität und Migration. 

Es gab im Jahr 2020 deutlich mehr Sterbefälle als in den Vorjahren. Dabei dürften die Corona-Infektionszahlen aus dem Spätherbst 2020 erst zu Beginn dieses Jahres 2021 voll durchschlagen. Denn gerade hinsichtlich der Erkrankten, die nicht in Heimen oder zuhause versterben, sondern in Krankenhäusern oft langwierig behandelt werden, ist mit mehreren Wochen Zeitverzug zwischen Infektion und Versterben zu rechnen. Wie sich die Sterblichkeit nach dem Hochwinter 2021 fortentwickelt, ist ungewiss im Blick auf die weiteren Corona-Zahlen, den Fortgang und die Wirkung der anlaufenden Impfungen und auf indirekte gesundheitliche Belastungen der Pandemielage, die sich z. B. aus aufgeschobenen Operationen ergeben können. 

Es gibt andererseits auch weniger Geburten. Rückläufige Geburtenzahlen infolge von Krise und Unsicherheit sind üblich. Der krisenbedingte Geburtenrückgang kann sich frühestens ab Oktober zeigen und dürfte erst im Jahr 2021, vielleicht sogar noch später, voll zum Tragen kommen. Allerdings zeigen die Geburtenraten schon seit 2016 eine fallende Tendenz, die sich bis September 2020 verstärkt hat (2). Für das Jahr 2020 schätzen die Statistiker, dass die Zahl der Verstorbenen die der Geborenen um mindestens 205.000 übersteigt. Im Blick auf die ausstehenden endgültigen Zahlen könnte das Geburtendefizit aber auch noch deutlich höher ausfallen.  

In jedem Fall entspricht das Geburtendefizit der Größe einer Großstadt. Dieser Bevölkerungsverlust verteilt sich nicht gleich, sondern regional höchst unterschiedlich. In Berlin und Hamburg gab es im Jahr 2019 noch Geburtenüberschüsse (3). Ursächlich dafür ist ein starker Zuzug junger Menschen bzw. von Frauen im gebärfähigen Alter in diese Großstädte. Dies geht zu Lasten ländlicher Regionen in Deutschland, denen junge Leute und damit Geburten fehlen, was regional zu hohen Geburtendefiziten führt, obwohl die Zahl der Kinder pro Frau dort tendenziell höher ist als in Großstädten. Besonders hart vom Jugendschwund betroffen sind die ostdeutschen Flächenländer. In Sachsen und Brandenburg lag 2019 das Geburtendefizit bei 5% der Gesamtbevölkerung, in Thüringen bei etwa 6% und in Sachsen-Anhalt sogar bei über 7% der Gesamtbevölkerung (4). Ausgerechnet diese Bundesländer weisen derzeit die höchsten Infektionszahlen auf. Zugleich haben diese Länder das höchste Durchschnittsalter in Deutschland (5). Beide Faktoren führen zu besonders hohen Zahlen „mit oder an“ Corona Verstorbener, was sich vor allem in Sachsen schon im Spätherbst in einer erhöhten Sterblichkeit niederschlug (6). Inwiefern sich die Eskalation der Corona-Krise in Ostdeutschland in den Geburtenzahlen niederschlägt, muss sich erst noch zeigen. Sehr wahrscheinlich wird aber das Geburtendefizit bzw. der Sterbefallüberschuss in Ostdeutschland noch größer werden. Corona könnte so zwar nicht zum Sargdeckel, aber doch zu einem Sargnagel für Ostdeutschland werden. 

Auch das Wanderungsgeschehen ist durch die Corona-Pandemie zurückgegangen. Dies gilt insbesondere für die Zuzüge aus dem Ausland, die stark abgenommen haben. Gesunken ist aber auch die Zahl der Fortzüge. Insgesamt bleibt dennoch ein Wanderungsüberschuss von 200.000 Personen. Allein die Zuwanderung bewirkt also, dass der Bevölkerungsstand, trotz des hohen Geburtendefizits, voraussichtlich konstant bleiben wird. Ohne Wanderungsüberschüsse würde der Bevölkerungsstand seit Jahrzehnten zurückgehen, denn schon seit 1972 sterben jedes Jahr in Deutschland mehr Menschen als geboren werden. Allein durch Wanderungen aus dem Ausland und die Binnenmigration innerhalb Deutschlands ist es zu erklären, dass die westdeutschen Ballungsräume gewachsen sind. In den ostdeutschen Bundesländern ist Bevölkerung, gerade auf dem Land, dagegen schon seit Jahrzehnten stark rückläufig (7). Ausgerechnet diese, ohnehin schon „abgehängten“, Regionen haben jetzt besonders unter der Pandemie zu leiden. 

(1) https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/01/PD21_016_12411.html 

(2) https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Geburten/Tabellen/geburtenziffer.html 

(3) https://www.statistikportal.de/de/bevoelkerung/natuerliche-bevoelkerungsbewegung/geborene-und-gestorbene 

(4) Ebenda.

(5) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1093993/umfrage/durchschnittsalter-der-bevoelkerung-in-deutschland-nach-bundeslaendern/ 

(6) https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/01/PD21_014_12621.htmlhttps://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/01/PD21_023_12621.html 

(7) Thüringen hat z. B. seit den 1950er Jahren fast ein Drittel seiner Bevölkerung verloren: https://statistik.thueringen.de/datenbank/TabAnzeige.asp?tabelle=zr000101%7C%7C 

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