Den Algorithmen auf die Finger schauen
Menschenzentrierte Künstliche Intelligenz (KI) und interaktives Maschinelles Lernen sind Themen mit hohem Zukunftspotenzial. Dabei geht es auch darum, den Menschen stärker in die Entwicklung, aber auch in die Anwendung von KI-Modellen zu integrieren. So können Experten mit ihrem Spezialwissen beispielsweise das Training von Datenmodellen effizienter und ressourcenschonender gestalten. Oder Anwender der KI-Modelle können mit ihrer Praxiserfahrung dazu beitragen, die Modelle im laufenden Betrieb an sich ändernde Randbedingungen anzupassen, um so deren Prognosegenauigkeit zu erhöhen. Ein weiterer wichtiger Teilaspekt ist dabei auch die „Interpretierbare KI“, die es dem Nutzer erlaubt, Lern- und Entscheidungsprozesse künstlicher Intelligenz nachzuvollziehen. Denn für den Laien sind diese Entscheidungswege nicht transparent, sondern sozusagen eher eine „Black Box“.
„KI wird oft als Feind oder Ersatz der Menschen in der Arbeitswelt der Zukunft gesehen. Dabei ist sie unser Partner. Es geht ums Miteinander statt Gegeneinander“, betont Prof. Dr. Andreas Theissler. Dafür sei aber das Vertrauen und die Akzeptanz der Nutzer unabdingbar. „Und deshalb muss man den Algorithmen schon ein bisschen auf die Finger schauen“, fügt er lachend hinzu. „Automatisierte Entscheidungssysteme sollten nicht nur eindimensionale Ergebnisse generieren, sondern auch eine Erklärung geben, wie diese Ergebnisse zustande kamen“, erläutert der Wirtschaftsinformatiker. Interpretierbare KI-Systeme liefern also eine Beschreibung der Ergebnisfindung, die für Menschen nachvollziehbar ist. Beispielsweise im Falle einer Kreditvergabe: Hier reicht kein simples „Kredit bewilligt“ oder „Kredit verweigert“ – der Antragsteller muss auch verstehen können, warum ihm die benötigte Finanzspritze verwehrt wird.
„Das Zusammenspiel von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) mit menschlichen Experten birgt enormes Potenzial“, ist sich Theissler sicher. Zum einen könne es zu einer Verbesserung der KI-Modelle führen, zum anderen erlaube es dem Menschen, komplexe KI-Modelle zu verstehen. „Denkbar ist auch, dass zunächst der Mensch durch Vorgabe von Trainingsdaten KI-Modelle trainiert und dann aus dem erlernten Wissen der KI-Modelle lernt, um so neue Erkenntnisse zu gewinnen“, erläutert der Datenexperte. In seinem Forschungsprojekt, das durch das EXPLOR-Förderprogramm der Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur aus Abtsgmünd unterstützt wird, möchte der Wissenschaftler unter anderem untersuchen, wie Experten in die Bewertung und Auswahl von KI-Modellen eingebunden werden können, um bessere Modelle zu erhalten.
Seit fast drei Jahren ist Andreas Theissler Professor an der Hochschule Aalen. Im Studiengang Wirtschaftsinformatik lehrt und erforscht er schwerpunktmäßig Machine Learning (Maschinelles Lernen) und Visual Analytics – ein noch recht junges Forschungsfeld, das dazu dient, umfangreiche Datenmengen zu visualisieren und somit ihre Analyse zu erleichtern. Doch die Leidenschaft für Computer und Informatik zieht sich schon sehr viel länger durch sein Leben. „Meinen ersten Computer hatte ich in der 6. Klasse, was damals schon ziemlich exotisch war“, erinnert sich der 45-Jährige, der in Nürtingen aufgewachsen ist. „Angefangen hat alles mit dem großen Bruder eines Kumpels, der uns manchmal für ein paar Spiele an sein heiliges Kästle gelassen hat.“ Bald folgten die ersten eigenen Programmierversuche, und Ende der 90er tauchte Theissler in die Demoszene ein. Die „Demoszener“ erzeugen mit Computerprogrammen sogenannte „Demos“ – digitale Kunst, meist in Form von musikalisch unterlegten Echtzeit-Animationen. Dass er später auch mal beruflich mit Datenvisualisierungen – allerdings in anderer Form – zu tun haben würde, hätte er sich damals nicht träumen lassen.
„Ich bin ein Spätzünder.“ So beschreibt Theissler seinen Ausbildungsweg, lacht herzlich und lobt die Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystems. Nach seinem Realschulabschluss machte er zunächst eine Ausbildung zum Energieelektroniker, qualifizierte sich dann fürs Studium der Softwaretechnik und promovierte an der Brunel University in London. In seiner Promotion forschte er zur Detektion von Anomalien in Fahrzeugdaten mithilfe Machine Learning und Visual Analytics. Bevor Theissler an die Hochschule Aalen berufen wurde, war er unter anderem bei der Robert Bosch GmbH für die Analyse von Daten vernetzter Fahrzeuge und von Diagnosevorgängen aus Werkstätten verantwortlich. Dass er den Schritt zurück an die Hochschule gehen würde, stand für ihn schon länger fest. „Parallel zum Job hatte ich einen Lehrauftrag an der Hochschule Esslingen, das hat mir sehr viel Spaß gemacht“, so Theissler. Da kam die Ausschreibung der Professur für „Advanced Analytics und Digitalisierung von Wertschöpfungsketten“ an der Hochschule Aalen gerade recht.
„Lehre und Forschung faszinieren mich. Und die Hochschule Aalen bietet exzellente Rahmenbedingungen, um forschungsaktiv zu werden.“ Auch die Studierenden würden davon enorm profitieren, denn so könnten aktuelle Forschungsergebnisse in die Lehre einfließen. „Und Projekt- oder Abschlussarbeiten sind nicht nur eine rein akademische Beschäftigung, sondern behandeln relevante Themen“, so Theissler. Über die Zusage fürs EXPLOR-Förderprogramm freut sich der Wissenschaftler sehr: „Das finde ich extrem stark – das ist wirklich eine Riesenunterstützung, wenn man ein Forschungsprojekt verwirklichen will.“ Neues und anwendbares Wissen generieren, das war Theissler schon immer wichtig. „Sich mit Themen beschäftigen, die über das hinausgehen, was man selbst schon weiß, erweitert den Horizont. Wie beim Mosaik kann man mit seiner Forschung kleine Teile im Sinne des großen Ganzen beitragen.“
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